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Offene Videoüberwachung

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Videokamera am Tor zum Werksgelände – Können Aufzeichnungen als Beweis verwertet werden?

Liebe Leserinnen, liebe Leser,

in meinem heutigen Blog darf ich Ihnen von einer interessanten Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 29.06.2023, Az. 2 AZR 296/221 berichten. Gegenstand des Verfahrens war eine durch die Arbeitgeberin ausgesprochene außerordentliche, hilfsweise ordentliche Kündigung wegen „Arbeitszeitbetrugs“. Die Arbeitgeberin stützte ihren Kündigungsvorwurf auf die Aufzeichnung einer werkseigenen Videokamera.

Der Entscheidung lag im Wesentlichen folgender Sachverhalt zugrunde:

Der spätere Kläger war bei der Arbeitgeberin und späteren Beklagten zuletzt als Teamsprecher in der Gießerei beschäftigt. Die Beklagte wirft ihm unter anderem vor, am 02.06.2018 (einem Samstag) eine sogenannte Mehrarbeitsschicht in der Absicht nicht geleistet zu haben, sie gleichwohl vergütet zu bekommen. Nach dem übereinstimmenden Vortrag beider Parteien im Prozess hat der Kläger zwar an diesem Tag zunächst das Werksgelände betreten. Die auf einen anonymen Hinweis hin erfolgte Auswertung der Aufzeichnungen der durch ein Piktogramm ausgewiesenen und auch sonst nicht zu übersehenden Videokamera an Tor 5 zum Werksgelände ergab nach dem Vorbringen der Beklagten aber, dass der Kläger dieses vor Schichtbeginn wieder verlassen hat.

Nach der erfolgten Anhörung des Betriebsrats kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis wie oben beschrieben. Der Kläger erhob daraufhin fristgerecht Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht Hannover. In zweiter Instanz hat das Landesarbeitsgericht Niedersachsen dem Klagebegehren stattgegeben. Der 2. Senat des Bundesarbeitsgerichts hat sodann der Beklagten überwiegend Recht gegeben und die Entscheidung der Berufungsinstanz entsprechend aufgehoben.

Das Bundesarbeitsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:

Das Bundesarbeitsgericht folgte zunächst der Ansicht der Vorinstanz dahingehend, dass das dem Kläger von der Beklagten vorgeworfene Verhalten (Erschleichen von Vergütung hinsichtlich einer nicht abgeleisteten Mehrarbeitsschicht) an sich einen wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB bilden könne.

Hinweis! Nach der Rechtsauffassung des 2. Senats könne auch alleine der dringende Verdacht eines solchen Verhaltens einen wichtigen Grund darstellen.

Ihm Kündigungsschutzprozess umstritten war die Frage, ob die Aufzeichnungen der werkseigenen Kamera insoweit verwertet werden konnten. Hierzu hat das Gericht u. a. Folgendes festgestellt:

In einem Kündigungsschutzprozess bestehe nach Maßgabe der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) und der Zivilprozessordnung grundsätzlich kein Verwertungsverbot in Bezug auf solche Aufzeichnungen aus einer offenen Videoüberwachung, die vorsätzlich vertragswidriges Verhalten des Arbeitnehmers belegen sollen.

Das gelte selbst dann, wenn die Überwachungsmaßnahme des Arbeitgebers nicht vollständig im Einklang mit den Vorgaben des Datenschutzrechts stehe.

Damit durfte sich die beklagte Arbeitgeberin im Prozess auf die Erkenntnisse aus der Videoüberwachung stützten, so dass die ausgesprochene außerordentliche Kündigung das Arbeitsverhältnis nach der Rechtsauffassung des Bundesarbeitsgerichts beendet hat.

Fazit für Sie!

Die Frage, ob die Gerichte für Arbeitssachen erhebliches Prozessvorbringen der Parteien und ggf. deren Beweisantritte bei ihrer Entscheidungsfindung berücksichtigen dürfen bzw. müssen, beantwortet sich nach Inkrafttreten der DSGVO nach deren Vorschriften. Die DSGVO regelt die Zulässigkeit von Datenverarbeitungen auch im Verfahren vor den nationalen Zivilgerichten (Arbeitsgerichten).

Nur ausnahmsweise kann sich unter Geltung des Art. 17 Abs. 3 Buchst. e DSGVO ein Verbot für das Gericht ergeben, Sachvortrag oder Beweismittel zu verwerten, die im Zug einer das Recht auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 iVm. Art. 1 Abs. 1 GG) des Arbeitnehmers verletzenden Datenverarbeitung vom Arbeitgeber erlangt wurden.

Demnach spricht grundsätzlich nichts gegen die Installation von Kameras auf dem Betriebsgelände, soweit diese für jede Mitarbeiterin und für jeden Mitarbeiter zu sehen sind.

Mit diesen Hinweisen verabschiede ich mich für heute aus dem herbstlichen Glessen.


Herzliche Grüße

Ihr

Boris Hoffmann


1 ZTR 2023, 580.

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