Der Beitrag der städtebaulichen Verträge zur Lösung von städtebaulichen Problemen des Lärmschutzes
Das Baugesetzbuch ist – jedenfalls seit den Novellen 1993 und 1998 – von der Vorstellung geprägt, dass „kooperative“ Instrumente zum regulären Bestand des Instrumentariums gehören. Der Gesetzgeber hat eine verblüffend „kurze“ Regelung getroffen indem er in § 11 Abs. 1 Satz 1 BauGB bestimmt: „Die Gemeinde kann städtebauliche Verträge schließen“.
Von Prof. Dr. Michael Krautzberger, Bonn/Berlin
I. Zur heutigen Bedeutung städtebaulicher Verträge
1. Überblick
Das Baugesetzbuch ist – jedenfalls seit den Novellen 1993 und 1998 – von der Vorstellung geprägt, dass „kooperative“ Instrumente zum regulären Bestand des Instrumentariums gehören. Der Gesetzgeber hat eine verblüffend „kurze“ Regelung getroffen indem er in § 11 Abs. 1 Satz 1 BauGB bestimmt: „Die Gemeinde kann städtebauliche Verträge schließen“. Was § 11 BauGB ansonsten regelt, sind Beispiele, die der Gesetzgeber benennt; so vor allem § 11 Abs. 1 Satz 2. Das gilt auch für die Folgelastenregelung in §11 Abs.1 Satz 2 Nr.3 BauGB, die eine gefestigte Rechtsprechung ins Gesetz übernimmt.
Die beiden wichtigsten – in diesem Zusammenhang zu nennenden – Instrumente sind der städtebauliche Vertrag nach § 11 BauGB und der vorhabenbezogene Bebauungsplan nach § 12 BauGB.
Um es vorweg zu sagen: Durch Verträge werden städtebauliche Anliegen vorbereitet oder umgesetzt. Verträge schaffen keine eigenständigen Normen, die gesetzliche Regelungen verdrängen. Wohl aber sind sie geeignet, fehlende oder unzureichende Regelungen einer städtebaulichen Ordnung im vertraglichen Wege zu substituieren. Und sie erlauben z. B. auch, die Inanspruchnahme von Rechten namentlich durch einen Bebauungsplan durch vorweg getroffene Vereinbarungen zu modifizieren, mit Auflagen und Bedingungen zu versehen. Die in § 11 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BauGB genannten Fälle enthalten dafür ein gutes Anschauungsmaterial.
2. Die wichtigsten rechtlichen Anforderungen
Die rechtlichen Voraussetzungen über die Zulässigkeit städtebaulicher Verträge sind rasch beschrieben: Sie sind überall erlaubt, soweit das Gesetz nicht entgegensteht. Das Gesetz hat allerdings einige „rote Ampeln“ aufgestellt, ansonsten Maßgaben, die sich aus allgemeinen Rechtsgrundsätzen „ohnehin“ ergeben:
– An erster Stelle zu nennen ist § 1 Abs. 3 Satz 2 BauGB: „Auf die Aufstellung von Bauleitplänen und städtebaulichen Satzungen besteht kein Anspruch; ein Anspruch kann auch nicht durch Vertrag begründet werden.“ Die umfangreiche Rechtsprechung hierzu ist in dieser Frage völlig eindeutig, ja rigoros. § 1 Abs. 3 Satz 2 BauGB verbietet es der Gemeinde, sich weder gegenüber einem privaten Dritten noch gegenüber anderen Gebietskörperschaften, zur Aufstellung oder Nichtaufstellung eines Bebauungsplans zu verpflichten.
– Dabei hat die Rechtsprechung bereits sehr früh erkannt und herausgearbeitet, dass die Vorbereitung zahlreicher Vorhaben durch Private nicht ohne ein gewisses Maß an Verbindlichkeit und an Absprachen oder auch gegenseitigen Verpflichtungen möglich ist. Eine solche „vorgezogene Entscheidung “ – so schon sehr früh das BVerwG – muss sachlich gerechtfertigt sein, es muss die gemeindliche Zuständigkeitsordnung gewahrt sein und es muss die Vorwegbindung inhaltlich dem Abwägungsgebot entsprechen.
– Nach § 11 Abs. 2 Satz 1 BauGB müssen die vereinbarten Leistungen „den gesamten Umständen nach angemessen sein.“ Diese sog. Gebot der Angemessenheit wird aus dem Rechtsstaatsprinzip abgeleitet; in § 56 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 VwVfG ist es – für öffentlich-rechtliche Verträge – gleichfalls verankert.
– Nach § 11 Abs. 2 Satz 2 BauGB ist die Vereinbarung einer vom Vertragspartner zu erbringenden Leistung unzulässig, „wenn er auch ohne sie einen Anspruch auf die Gegenleistung hätte.“ Auch dieses sog. „Koppelungsverbot“ wird aus dem Rechtstaatsprinzip abgeleitet; in § 56 Abs. 2 VwVfG ist es – für öffentlichrechtliche Verträge – (einfachgesetzlich) geregelt.
– Das „Kausalitätsprinzip“ des § 11 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 BauGB findet seine Entsprechung in der erwähnten Rechtsprechung : Verträge über „die Übernahme von Kosten“, setzen voraus, dass sie der Gemeinde für städtebauliche Maßnahmen entstehen und dass sie die Voraussetzung oder Folge des geplanten Vorhabens sind. Auch hier findet sich in § 56 Abs. 1 Satz 1 und 2 VwVfG eine Entsprechung hierzu.
3. Die gesetzlich hervorgehobenen Fälle
§ 11 Abs. 1 Satz 2 BauGB führt – beispielhaft, nicht abschließend – folgende Fallgruppen städtebaulicher Verträge auf:
(1) § 11 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 betrifft städtebauliche Verträge über Gegenstände, die nach dem BauGB grundsätzlich von der Gemeinde wahrzunehmen sind. Hierzu zählt allgemein die Vorbereitung oder Durchführung städtebaulicher Maßnahmen. Das Gesetz führt namentlich auch die Ausarbeitung der städtebaulichen Planungen auf.
(2) Förderung und Sicherung der planerischen Ziele: § 11 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BauGB betrifft demgegenüber Handlungsverpflichtungen, die ein Dritter im Zusammenhang mit der gemeindlichen Bauleitplanung gegenüber der Gemeinde eingeht. Das Gesetz hebt auch hier einzelne, dem Gesetzgeber besonders wichtig erscheinende Fallgruppen beispielhaft hervor.
(3) Übernahme der Folgekosten: § 11 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 hat die sog. Folgekostenverträge i. e. S. sowie sonstige Kostenregelungen zum Gegenstand, soweit die Kosten ursächlich mit der städtebaulichen Maßnahme verbunden sind; vgl. schon oben I.2.
(4) Energetische Infrastruktur: § 11 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 BauGB benennt als Gegenstand eines städtebaulichen Vertrags städtebauliche Verträge, im Zusammenhang der Nutzung von Netzen und Anlagen der Kraft-Wärme-Kopplung sowie von Solaranlagen für die Wärme-, Kälte- und Elektrizitätsversorgung. Man kann daraus – allgemeiner – sehen, dass die Erstellung von „Infrastruktur“ Gegenstand städtebaulicher Verträge sein kann.
II. Anwendungsbeispiele
An welche Regelungen kann man bei städtebaulichen Verträgen zum Lärmschutz denken?
1. Umweltbericht
§11 Abs.1 Satz 2 Nr.1 BauGB nennt die Ausarbeitung der städtebaulichen Planungen sowie erforderlichenfalls des Umweltberichts. Der Umweltbericht enthält die zusammenfassende Feststellung und Prüfung der beabsichtigten Bauleitplanung im Hinblick auf die in § 1 Abs. 6 Nr. 7 und § 1a BauGB bezeichneten Belange; § 2 Abs. 4 Satz 1 BauGB. Zu den Umweltbelangen gehört nach § 1 Abs. 6 Nr. 1 Buchst. a auch der „Lärm“. Durch einen städtebaulichen Vertrag kann die Erstellung des Umweltberichts und der hierzu durchgeführten Umweltprüfung auf einen Dritten übertragen werden. Die Grenzen der Übertragbarkeit von Aufgaben ergeben sich insbesondere aus § 4b BauGB: Die Gemeinde kann die Vorbereitung und Durchführung von Verfahrensschritten nach den §§ 2a bis 4a einem Dritten übertragen. Die der Gemeinde vorbehaltenen Aufgaben bleiben davon unberührt, also etwa die Hoheitsentscheidungen der Abwägung, der Beschlussfassungen u. a.
2. Lärmminderungspläne und Lärmaktionspläne
Lärmminderungspläne und Lärmaktionspläne sind umweltrechtliche und keine städtebaulichen Pläne. Aber sie sind für die städtebaulichen Planungen von Relevanz. Davon geht das BauGB ausdrücklich aus. Liegen derartige Pläne nach § 1 Abs. 6 Nr. 7 Buchstabe g vor, sind deren Bestandsaufnahmen und Bewertungen ebenso in der Abwägung wie – zunächst – innerhalb einer Umweltprüfung heranzuziehen.
3. Standards
Bei den städtebaulichen Verträgen nach § 11 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 über die Förderung der Ziele einer Bauleitplanung kann an Vereinbarungen „über“ den gesetzlichen (Mindest-)Standard etwa der TA Lärm gedacht werden. Hier ergeben sich rechtliche Eckpfeiler etwa aus dem o.g. Prinzip der „Angemessenheit“.
4. Innenentwicklung und Lärmschutz
Eine neuere Entscheidung des BVerwG hat interessante Denk- und Lösungsansätze zum Verhältnis von städtebaulicher Innenentwicklung und Lärmschutz aufgezeigt. Der Entscheidung lag als (Dortmunder) Fall zugrunde, dass ein Bebauungsplan ein neues Wohngebiet (WA) ausweist, das durch vorhandene Verkehrswege Lärmbelastungen ausgesetzt wird, die an den Gebietsrändern deutlich über den Orientierungswerten der DIN 18005 liegen. Es sei – so ein Leitsatz der Entscheidung – „nicht von vornherein abwägungsfehlerhaft“, auf aktiven Schallschutz durch Lärmschutzwälle oder -wände zu verzichten. Denn – je nach den Umständen des Einzelfalls, z.B. in dicht besiedelten Räumen –, könne es abwägungsfehlerfrei sein, eine Minderung der Immissionen durch eine Kombination von passivem Schallschutz, Stellung und Gestaltung von Gebäuden sowie Anordnung der Wohn- und Schlafräume zu erreichen.
Das BVerwG weist zwar darauf hin, dass eine Gemeinde, die ein bislang weitgehend unbebautes Gebiet neu mit einer Wohnbebauung überplanen will, die Lärmbelastung durch vorhandene Verkehrswege als gewichtigen Belang in ihre Abwägung13 13 § 1 Abs. 7 BauGB. einzustellen habe. Bei der Neuplanung von Wohngebieten hat sie auch die Abwägungsdirektive des § 50 BImSchG zu berücksichtigen, wonach bei raumbedeutsamen Planungen die für eine bestimmte Nutzung vorgesehenen Flächen einander so zuzuordnen sind, dass schädliche Umwelteinwirkungen soweit wie möglich vermieden werden. Die Durchsetzung dieses Trennungsgrundsatzes stoße aber – so das BVerwG weiter – allerdings „auf Grenzen, vor denen auch der Gesetzgeber nicht die Augen verschließt. So soll nach § 1a Abs. 2 Satz 1 BauGB mit Grund und Boden sparsam umgegangen werden, wobei in diesem Zusammenhang unter anderem die Nachverdichtung sowie andere Maßnahmen zur Innenentwicklung besonders hervorgehoben werden.“
In dicht besiedelten Gebieten werde es häufig nicht möglich sein, allein durch die Wahrung von Abständen zu vorhandenen Straßen schädliche Umwelteinwirkungen auf Wohngebiete zu vermeiden. Gerade in diesen Gebieten „kann jedoch ein berechtigtes Interesse bestehen, neue Baugebiete auszuweisen, um eine Abwanderung der Bevölkerung in ländliche Gebiete zu verhindern.“
Das BVerwG weist auch auf weitere „gewichtige städtebauliche Interessen“ hin, die darin bestehen, einen vorhandenen Ortsteil zu erweitern und damit dessen Infrastruktur (ÖPNV, soziale Einrichtungen etc.) mitzunutzen. Auch auf das Gebot, die Anforderungen kostensparenden Bauens zu berücksichtigen, sowie das legitime Interesse einer Gemeinde, die Grundstücke zu verwerten, die sie in einem im Flächennutzungsplan für Wohnnutzung vorgesehenen Bereich erworben hat, um sie Bauinteressenten zu Eigentum zu überlassen, können zu berücksichtigen sein.
Wenn in derartigen Fällen das Einhalten größerer Abstände ausscheidet, sei – so das BVerwG weiter – durch geeignete bauliche und technische Vorkehrungen dafür zu sorgen, dass keine ungesunden Wohnverhältnisse entstehen. Insbesondere könne in die Abwägung eingestellt werden, dass durch eine geschlossene Riegelbebauung die rückwärtigen Flächen derselben Grundstücke und gegebenenfalls weitere Grundstücke wirksam abgeschirmt werden.
Dann aber schlägt das BVerwG die Brücke zu städtebaulichen Vereinbarungen: Das BVerwG hebt darauf ab, dass die gleichzeitige Errichtung aller in diese Konzeption einbezogenen Gebäude durch die Beauftragung eines Bauträgers als sichergestellt angesehen werden kann. Lärmschutzlösungen durch städtebauliche Verträge können also die Bebauungsplanung entlasten.
5. Sog. „Zaunwerte“
Nach ständiger Rechtsprechung des BVerwG wird die Unzulässigkeit der Festsetzung eines Zaunwerts in Fällen bejaht, in denen es sich um einen „Summenpegel“ handelte. Mit einem „Summenpegel“ wird keine Nutzungsart, insbesondere nicht das Emissionsverhalten als „Eigenschaft“ bestimmter Anlagen und Betriebe im Sinne von § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 BauNVO festgesetzt, sondern nur ein Immissionsgeschehen gekennzeichnet, das von einer Vielzahl unterschiedlicher Betriebe und Anlagen gemeinsam bestimmt wird und für das Emissionsverhalten der jeweiligen Anlage für sich genommen letztlich unbeachtlich ist. Die Festsetzung eines Bebauungsplans, dass an der Grenze eines Kerngebiets zu einem Wohngebiet ein bestimmter Immissionsricht- oder -grenzwert (sog. Zaunwert) als „Summenpegel“ einzuhalten ist, ist danach unzulässig.
Das BVerwG hebt dabei in seinen verschiedenen Entscheidungen darauf ab, dass ein Zaunwert als Summenpegel ungeeignet sei, umgesetzt zu werden, weil er, anders als ein immissionswirksamer flächenbezogener Schallleistungspegel nicht bestimmt, welche Emissionen von einer einzelnen Anlage oder einem einzelnen Betrieb ausgehen dürfen. Interessant ist, das sich die Entscheidungen nicht mit der Frage auseinandersetzten bzw. nicht auseinandersetzen mussten, wie dies zu beurteilen wäre, wenn die Umsetzung des Bebauungsplans durch städtebauliche Verträge – etwa mit einem Projektentwickler – zu beurteilen sei. Immerhin deutet das BVerwG an, es könne offen bleiben, ob die Festsetzung von Zaunwerten – ausnahmsweise – zulässig sei, wenn nach den Umständen des Einzelfalls Probleme der Zurechenbarkeit des Zaunwerts nicht entstehen können. Dies kann aber gerade dann der Fall sein, wenn der „Vollzug“ des Bebauungsplans, also die spätere Bebauung, durch einen städtebaulichen Vertrag fixiert wird, so dass die Konfliktsituation, die von der Rspr. zutr. vermieden werden soll, gar nicht eintreten kann. Das BVerwG verfolgt diesen Ansatz aber nicht weiter, weil es ausschließlich darauf abstellt, was die Festsetzungen des Bebauungsplans sind und nicht die Art und Weise der Realisierung des Bebauungsplans, d. h. es stellt ausschließlich auf die Festsetzungen eines Plans ab, der als solcher von mehreren Betreibern mit unterschiedlichen Anlagen realisiert werden kann.
In einer neueren Entscheidung zur Festsetzung gebietsbezogener Verkaufsflächenbeschränkungen im Bebauungsplan greift das BVerwG die Zaunwert-Rechtsprechung auf und überträgt sie auf baugebietsbezogene Verkaufsflächenobergrenzen: „Die durch Bebauungsplan erfolgte Festsetzung einer baugebietsbezogenen, vorhabenunabhängigen Verkaufsflächenobergrenze zur Steuerung des Einzelhandels in einem Sondergebiet ist mangels Rechtsgrundlage unzulässig“, so heißt es leitsatzmäßig. Das BVerwG stellt – wie es scheint – im Kern darauf ab, dass eine Kontingentierung der Verkaufsflächen, die auf das Sondergebiet insgesamt bezogen ist, das Tor für sog. „Windhundrennen“ potentieller Investoren und Bauantragsteller öffne und die Möglichkeit einschließt, dass Grundeigentümer im Fall der Erschöpfung des Kontingents von der kontingentierten Nutzung ausgeschlossen sind.
Genau diese Entwicklung ließe sich aber durch einen städtebaulichen Vertrag zwischen der Gemeinde und dem Investor/den Investoren vermeiden. Ja noch weitergehend ist festzuhalten, dass in solchen Konstellationen eine städtebaulich verträgliche Lösung erforderlich, aber wohl letztlich nur durch städtebauliche Verträge zu erreichen ist.
6. Baurecht auf Zeit
Nach §11 Abs.1 Satz 2 Nr.2 BauGB kann die Gemeinde – flankierend zu den Möglichkeiten nach § 9 Abs. 2 BauGB – städtebauliche Verträge abschließen, mit denen die mit der Bauleitplanung verfolgten Ziele auch hinsichtlich einer Befristung oder einer Bedingung der baulichen Nutzung unterstützt werden können: das sog. „Baurecht auf Zeit“. Auch dieser Weg kann dazu helfen, bestimmte Konfliktsituationen im Verhältnis von Lärmschutz und Planungsrecht aufzulösen, und zwar z. B. durch aufschiebend bedingte Regelungen, die sicherstellen, dass eine bestimmte bauliche Nutzung erst eröffnet wird, wenn zuvor eine Lärmschschutz-Vorkehrung getroffen wurde. An folgende Fallkonstellationen kann man denken:
(1) Im Bebauungsplan wird ein Wohngebiet festgesetzt. Die schutzwürdige Nutzung erfordert die Errichtung eines Lärmschutzwalles. Die planerische Festsetzung erfolgt mit der Bedingung der Errichtung des Lärmschutzwalles vor Aufnahme der Wohnnutzung. Flankiert wird das durch einen städtebaulichen Vertrag, in dem Einzelheiten bestimmt sind wie etwa die Realisierung, die Nachweispflichten u. a. Allerdings könnte die Bedingung auch primär bzw. nur durch Vertrag geregelt werden; dies müsste in der Abwägungsentscheidung erläutert werden und sich in der Begründung entsprechend wiederfinden. Für die Gemeinde hätte diese Konstruktion u. a. den Vorteil, dass sie die sung planerisch „bewältigt“, aber deren Realisierung auf den privaten Projektträger verlagert. Für diesen ist diese Lösung u. a. interessant, weil er es dann in der Hand hat, für eine sachgerechte Planverwirklichung und Steuerung der Nutzungsaufnahme Sorge tragen zu können.
(2) Aus der Rechtsprechung : Sind bei der Umsetzung eines Bebauungsplans im Hinblick auf einen störenden emittierenden Gewerbebetrieb Nutzungskonflikte zu erwarten, muss der Konflikt im Plan gelöst werden. Er darf sich nicht auf die bloße Absichtserklärung des Betriebsinhabers stützen, den Betrieb zu modernisieren oder die Betriebsabläufe zu ändern oder mittelfristig den Standort zu verlagern. Die Auflösung dieser Konfliktsituation könnte auch hier durch einen städtebaulichen Vertrag erfolgen.
(3) Wie die schrittweise Verwirklichung einer Bebauung durch städtebauliche Verträge abgesichert werden könnte, zeigt auch die Situation in folgender Entscheidung zur Geruchsbelästigung : Soll eine Wohnbebauung durch eine vorgelagerte gewerbliche „Riegelbebauung“ gegen Abgasimmissionen von Verkehrswegen abgeschirmt werden, ist planerisch sicherzustellen, dass die gewerbliche Bebauung nicht später als die Wohnbebauung errichtet wird; genauer: Dass die Wohnnutzung nicht vorher aufgenommen wird. Diese planerische Sicherung kann durch eine Festsetzung nach § 9 Abs. 2 BauGB, aber auch bzw. ergänzend durch einen städtebaulichen Vertrag erreicht werden.
Wie die vertragliche Sicherung bis hin zur Rückabwicklung bei Verfehlung des Sicherungszwecks geschehen kann, dafür enthält das BauGB selbst ein „Muster“ in § 35 Abs. 5 Satz 2 BauGB, also in der „Baurecht auf Zeit“-Regelung für den Außenbereich: Für Vorhaben, nach § 35 Absatz 1 Nr. 2 bis 6 BauGB ist als weitere Zulässigkeitsvoraussetzung eine Verpflichtungserklärung abzugeben, das Vorhaben nach dauerhafter Aufgabe der zulässigen Nutzung zurückzubauen und Bodenversiegelungen zu beseitigen. Als Sicherheitsleistung kommt vor allem eine bankbesicherte selbstschuldnerische Bürgschaft in Betracht.
7. „Windklau“
Ein „Recht gegen Windklau“, also dagegen, dass ein zeitlich nachfolgender Betreiber mit einem Standort sozusagen den Wind „wegnimmt“ oder die Anlage beeinträchtigt, gibt es nicht. Es gibt – so etwa neuere Rechtsprechung – kein subjektiv-öffentliches Recht auf Ausnutzung der Windenergie, das ein Betreiber einer Windkraftanlage, die sich im Nachlauf zu einer anderen Windkraftanlage befindet, dem Betreiber einer vorgelagerten Windkraftanlage entgegenhalten könnte. Was bleibt ist daher, dass es die Betreiber gegenseitig vertraglich vereinbaren können, dass evtl. verursachte Turbulenzen die Standsicherheit nicht beeinträchtigen u. a. Dies könnte auch durch die Gemeinden unterstützt werden. Beim sog. „Repowering“ von Windkraftanlagen – unterstützt durch das „Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) 2009“ – könnte dies z.B. zu Problemlösungen genutzt werden.
III. Zur Kostenübernahme
Die Beteiligung des Privaten an den Kosten der Planungen und Maßnahmen macht städtebauliche Verträge für Gemeinden vielfach interessant; vgl. schon oben I.2. Rechtsgrundlage hierfür ist § 11 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3. Danach sind Vereinbarungen in städtebaulichen Verträgen zulässig, mit denen die Übernahme von Kosten oder sonstigen Aufwendungen vereinbart wird, die der Gemeinde für städtebauliche Maßnahmen entstehen oder entstanden sind. Sie müssen – so § 11 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 BauGB ausdrücklich – „die Voraussetzung oder Folge des geplanten Vorhabens“ sein. „Kausalität“ von Maßnahme und Kostenvereinbarung ist danach unabdingbar. Die Rechtsprechung zeigt, dass sich hier die Praxis mitunter „anfällig“ für Lösungen zeigt, die vom Gesetz nicht gedeckt sind.
IV. Lärmsanierung durch Verträge: Stadtumbau und Sanierung
1. Städtebauliche Sanierung
Lärmsanierung ist eine „klassische“ städtebauliche Aufgabe bei vielen Innenstadtsanierungen, bei Verkehrsberuhigung in Stadterneuerungsgebieten und bei der Umgestaltung von Orten infolge von Umgehungsstraßen. § 136 BauGB über den Sanierungstatbestand spricht Verkehrsfragen z. B. im Kontext ungesunder Wohnund Arbeitsverhältnisse ausdrücklich an. Nach § 136 Abs. 2 sind städtebauliche Sanierungsmaßnahmen Maßnahmen, durch die ein Gebiet zur Behebung städtebaulicher Missstände wesentlich verbessert oder umgestaltet wird. § 136 Abs. 3 Nr. 1 Buchst. f ) nennt dazu beispielhaft „die Einwirkungen, die von Grundstücken, Betrieben, Einrichtungen oder Verkehrsanlagen ausgehen, insbesondere durch Lärm, Verunreinigungen und Erschütterungen“. Neben diesem Fall einer „Substanzschwäche“ nennt § 136 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. a den fließenden und ruhenden Verkehr als denkbaren Sanierungsfall, und zwar als sog. „funktionellen Missstand“.
Für städtebauliche Verträge besteht bei städtebaulichen Sanierungen ein weites Anwendungsgebiet, da die gemeindlichen Ordnungsmaßnahmen der Sanierung – etwa die Lärmsanierung – durch Vertrag sowohl einem Sanierungsträger übertragen als auch den Eigentümern überlassen werden können . Darunter fallen z. B. auch die Herstellung und Änderung von Erschließungsanlagen.
2. Stadtumbau
Durch den Stadtumbau nach §§ 171a ff. BauGB sollen in den von erheblichen städtebaulichen Funktionsverlusten betroffenen Gebieten Anpassungen vorgenommen werden zur Herstellung nachhaltiger städtebaulicher Strukturen. Die damit angestrebte Anpassung der Siedlungsstruktur an die Erfordernisse der Entwicklung von Bevölkerung und Wirtschaft einschließlich der Umweltverhältnisse umfasst auch ggf. erforderliche Lösungen von Lärmkonflikten. Das Gesetz geht von einer – wenn möglich – konsensualen Lösung der Stadtumbauaufgaben aus. § 171c BauGB bestimmt hierzu sehr direkt, dass die Gemeinden bei der Umsetzung ihres städtebaulichen Entwicklungskonzepts die Möglichkeit nutzen sollen, Stadtumbaumaßnahmen auf der Grundlage von städtebaulichen Verträgen im Sinne des § 11 BauGB insbesondere mit den beteiligten Eigentümern durchzuführen.