Grundstücksnutzung
Wie lange prägt eine beendete Grundstücksnutzung noch den Charakter des umgebenden Gebiets?
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Das Landratsamt erteilte 2004 eine Baugenehmigung zur Nutzungsänderung einer ehemaligen Landmaschinen-Werkstatt in eine Kfz-Werkstatt und zwei Hobbywerkstätten, wobei durch Auflagen die Immissionen auf ein im allgemeinen Wohngebiet zulässiges Maß beschränkt wurden. Das Gebäude wurde bis 1996 als Landmaschinenwerkstätte genutzt. 1997 wurde ohne Genehmigung ein Steinmetzbetrieb eröffnet und wieder eingestellt. Bis 2000 erfolgte danach eine Nutzung als Getränkeauslieferungslager. Im Januar 2004 wurde die streitige Nutzungsänderung beantragt.
Gegen diese Genehmigung wendeten sich die Eigentümer (Kläger) eines in einem Abstand von etwa 35 m gegenüberliegenden Grundstücks. Die nach erfolglosem Widerspruchsverfahren erhobene Klage wurde vom VG Augsburg abgewiesen, da nach dessen Auffassung eine Verletzung nachbarschützender Vorschriften nicht erkennbar war. Auch wenn es sich bei dem Vorhaben weder um einen der Versorgung des Gebietes dienenden, noch um einen nicht störenden Handwerksbetrieb handle, sei ein solcher nur dann nach § 4 Abs. 2 BauNVO unzulässig, wenn die nähere Umgebung als allgemeines Wohngebiet einzustufen sei. Dies verneinte das VG Augsburg mit der Begründung, dass zum einen ein Gerbereibetrieb in der Nähe als störender Handwerksbetrieb einzustufen sei, was der Annahme eines allgemeinen Wohngebietes entgegen stehe. Zum anderen sei in dem Gebäude die gewerbliche Nutzung zwar im Jahr 2000 beendet, aber nicht endgültig aufgegeben worden, so dass dessen frühere gewerbliche Nutzung nach wie vor den Gebietscharakter der Umgebung mit präge. Das Gebot der Rücksichtnahme werde durch das Vorhaben nicht zu Lasten der Kläger verletzt. Die Einhaltung der Immissionsrichtwerte für ein allgemeines Wohngebiet sei in der Baugenehmigung zur Auflage gemacht worden. Diese Werte könnten auch eingehalten werden, woran eventuelle Verstöße gegen die Auflage nichts ändern würden.
Auf Berufung der Kläger hat der VGH das Landratsamt verpflichtet, die Baugenehmigung aufzuheben.
Der VGH hat den so genannten Gebietsbewahrungsanspruch der Kläger bejaht, wonach diese sich auch in einem „faktischen Baugebiet“ (§ 34 Abs. 2 BauGB, §§ 2 bis 14 BauNVO) gegen Vorhaben zur Wehr setzen können, deren Art der baulichen Nutzung in diesem Gebiet nicht zulässig sind. Dabei hat der VGH anders als das VG Augsburg als allgemeines Wohngebiet eingestuft, da sich in dem maßgeblichen Gebiet ausschließlich Wohnbebauung sowie „sonstige nicht störende Gewerbebetriebe“ im Sinne von § 4 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO befänden. Die in der Nähe ansässige Gerberei wurde vom VGH als ein ausnahmsweise in einem allgemeinen Wohngebiet zulässiger, nicht störender Gewerbebetrieb angesehen, da von dieser seit Jahren weder Lärm- noch Geruchsimmissionen ausgegangen seien.
Der rechtlich interessante Gesichtspunkt an der Entscheidung des VGH ist aber vor allem, dass dieser eine Prägung des Gebietscharakters, der sich nach der tatsächlichen Bebauung und deren Nutzung richtet, durch das Gebäude selbst mangels Nachwirkung der früheren Nutzung verneint. Zwar sei gefestigte Rechtsprechung auch des Bundesverwaltungsgerichts, dass eine ursprünglich vorhandene Prägung der näheren Umgebung durch die Nutzung eines Gebäudes auch noch für eine gewisse Zeit nach Aufgabe dieser Nutzung nachwirken kann, aber eine tatsächlich beendete bauliche Nutzung verliert ihre den Gebietscharakter mitbestimmende Kraft, wenn sie endgültig aufgegeben worden ist und nach der Verkehrsanschauung mit ihrer Wiederaufnahme nicht mehr zu rechnen ist.
Im entschiedenen Fall geht der VGH von der endgültigen Aufgabe der Nutzung des Grundstücks als Werkstatt aus. Die ursprüngliche Nutzung als Landmaschinenwerkstatt wurde im Jahr 1996 (endgültig) aufgegeben, der anschließende Steinmetzbetrieb 1997 illegal aufgenommen und eingestellt. Die Nutzung des Gebäudes als Getränkeauslieferungslager dauerte nur bis zum Jahr 2000, so dass ab Ende einer (störenden) gewerblichen Nutzung bis zum Bauantrag vom 5. Februar 2004 weitere vier Jahre vergingen.
Zu diesem Zeitpunkt war nach der Verkehrsauffassung mit der Aufnahme einer dem Werkstattbetrieb vergleichbaren Nutzung nicht mehr zu rechnen. Zur Beurteilung, welche Zeiträume für eine Nachwirkung einer aufgegebenen Nutzung zuzubilligen sind, zieht der VGH die Rechtsprechung zur „alsbaldigen Neuerrichtung eines zulässiger Weise errichteten, durch Brand oder ähnliches zerstörten gleichartigen Gebäudes an gleicher Stelle“ heran. Danach muss im ersten Jahr nach der Zerstörung stets mit dem Wiederaufbau gerechnet werden, im zweiten Jahr besteht eine widerlegbare Vermutung für diesen. Danach ist eine Neuerrichtung mit der Begründung der Nachwirkung der früheren Nutzung nicht mehr zu bejahen (vgl. auch BVerwGE 98,235/240).
Folgerichtig war nach diesem Maßstab im vorliegenden Fall im Jahr 2004 nicht mehr mit der Nutzung des Areals mit einer die Nachbarschaft erheblich störenden Kfz-Werkstatt zu rechnen, da seit Aufgabe eines solchen – störenden Gewerbebetriebes – mindestens vier Jahre vergangen waren.
Ohne die abgelehnte Prägung des Gebietscharakters durch die frühere Nutzung ist eine Genehmigung der Nutzungsänderung ausgeschlossen, da die Kfz-Werkstatt in einem allgemeinen Wohngebiet als im Allgemeinen störender Betrieb gemäß § 4 BauNVO auch nicht ausnahmsweise zulässig ist. Dabei hilft es dem Grundstückseigentümer auch nicht, dass der, nur gewerblich zu nutzenden, vorhandenen Bausubstanz ebenfalls eine prägende Wirkung im Sinne eines gewerblichen bzw. zumindest nicht Wohnzwecken dienenden Areals zugebilligt wird (siehe dazu BayVGH vom 9.11.1995, Az. 14 B 92.651), da dies an der Charakterisierung des Gebiets als allgemeinem Wohngebiet nichts ändert, da dort ja auch ein nicht störender Gewerbebetrieb angesiedelt werden könnte.
Jeder Grundstückseigentümer ist gut beraten, wenn er sich bei einem gleichartigen Grundstück schon vor Aufgabe einer letztlich privilegierten Nutzung Gedanken über die weitere Nutzung macht, da er eine Genehmigung für eine geänderte Nutzung aus Sicherheitsgründen innerhalb eines Jahres stellen sollte, längstens aber innerhalb von zwei Jahren, wobei dann auch darauf zu achten wäre, dass keinerlei Verhalten gezeigt wird, auf Grund dessen bei Nachbarn ein Vertrauen darauf entstehen könnte, dass eine Nutzung wie die bisherige nicht mehr erfolgen solle.
Mit dieser Problematik hat sich der Bayerische Verwaltungsgerichtshof in einer aktuellen Entscheidung eingehend beschäftigt und Kriterien angegeben, die eine zuverlässige Beurteilung dieser Frage ermöglichen.
BayVGH, Urteil vom 21. Juni 2007, 26 B 05.3262
Das Landratsamt erteilte 2004 eine Baugenehmigung zur Nutzungsänderung einer ehemaligen Landmaschinen-Werkstatt in eine Kfz-Werkstatt und zwei Hobbywerkstätten, wobei durch Auflagen die Immissionen auf ein im allgemeinen Wohngebiet zulässiges Maß beschränkt wurden. Das Gebäude wurde bis 1996 als Landmaschinenwerkstätte genutzt. 1997 wurde ohne Genehmigung ein Steinmetzbetrieb eröffnet und wieder eingestellt. Bis 2000 erfolgte danach eine Nutzung als Getränkeauslieferungslager. Im Januar 2004 wurde die streitige Nutzungsänderung beantragt.
Gegen diese Genehmigung wendeten sich die Eigentümer (Kläger) eines in einem Abstand von etwa 35 m gegenüberliegenden Grundstücks. Die nach erfolglosem Widerspruchsverfahren erhobene Klage wurde vom VG Augsburg abgewiesen, da nach dessen Auffassung eine Verletzung nachbarschützender Vorschriften nicht erkennbar war. Auch wenn es sich bei dem Vorhaben weder um einen der Versorgung des Gebietes dienenden, noch um einen nicht störenden Handwerksbetrieb handle, sei ein solcher nur dann nach § 4 Abs. 2 BauNVO unzulässig, wenn die nähere Umgebung als allgemeines Wohngebiet einzustufen sei. Dies verneinte das VG Augsburg mit der Begründung, dass zum einen ein Gerbereibetrieb in der Nähe als störender Handwerksbetrieb einzustufen sei, was der Annahme eines allgemeinen Wohngebietes entgegen stehe. Zum anderen sei in dem Gebäude die gewerbliche Nutzung zwar im Jahr 2000 beendet, aber nicht endgültig aufgegeben worden, so dass dessen frühere gewerbliche Nutzung nach wie vor den Gebietscharakter der Umgebung mit präge. Das Gebot der Rücksichtnahme werde durch das Vorhaben nicht zu Lasten der Kläger verletzt. Die Einhaltung der Immissionsrichtwerte für ein allgemeines Wohngebiet sei in der Baugenehmigung zur Auflage gemacht worden. Diese Werte könnten auch eingehalten werden, woran eventuelle Verstöße gegen die Auflage nichts ändern würden.
Auf Berufung der Kläger hat der VGH das Landratsamt verpflichtet, die Baugenehmigung aufzuheben.
Der VGH hat den so genannten Gebietsbewahrungsanspruch der Kläger bejaht, wonach diese sich auch in einem „faktischen Baugebiet“ (§ 34 Abs. 2 BauGB, §§ 2 bis 14 BauNVO) gegen Vorhaben zur Wehr setzen können, deren Art der baulichen Nutzung in diesem Gebiet nicht zulässig sind. Dabei hat der VGH anders als das VG Augsburg als allgemeines Wohngebiet eingestuft, da sich in dem maßgeblichen Gebiet ausschließlich Wohnbebauung sowie „sonstige nicht störende Gewerbebetriebe“ im Sinne von § 4 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO befänden. Die in der Nähe ansässige Gerberei wurde vom VGH als ein ausnahmsweise in einem allgemeinen Wohngebiet zulässiger, nicht störender Gewerbebetrieb angesehen, da von dieser seit Jahren weder Lärm- noch Geruchsimmissionen ausgegangen seien.
Der rechtlich interessante Gesichtspunkt an der Entscheidung des VGH ist aber vor allem, dass dieser eine Prägung des Gebietscharakters, der sich nach der tatsächlichen Bebauung und deren Nutzung richtet, durch das Gebäude selbst mangels Nachwirkung der früheren Nutzung verneint. Zwar sei gefestigte Rechtsprechung auch des Bundesverwaltungsgerichts, dass eine ursprünglich vorhandene Prägung der näheren Umgebung durch die Nutzung eines Gebäudes auch noch für eine gewisse Zeit nach Aufgabe dieser Nutzung nachwirken kann, aber eine tatsächlich beendete bauliche Nutzung verliert ihre den Gebietscharakter mitbestimmende Kraft, wenn sie endgültig aufgegeben worden ist und nach der Verkehrsanschauung mit ihrer Wiederaufnahme nicht mehr zu rechnen ist.
Im entschiedenen Fall geht der VGH von der endgültigen Aufgabe der Nutzung des Grundstücks als Werkstatt aus. Die ursprüngliche Nutzung als Landmaschinenwerkstatt wurde im Jahr 1996 (endgültig) aufgegeben, der anschließende Steinmetzbetrieb 1997 illegal aufgenommen und eingestellt. Die Nutzung des Gebäudes als Getränkeauslieferungslager dauerte nur bis zum Jahr 2000, so dass ab Ende einer (störenden) gewerblichen Nutzung bis zum Bauantrag vom 5. Februar 2004 weitere vier Jahre vergingen.
Zu diesem Zeitpunkt war nach der Verkehrsauffassung mit der Aufnahme einer dem Werkstattbetrieb vergleichbaren Nutzung nicht mehr zu rechnen. Zur Beurteilung, welche Zeiträume für eine Nachwirkung einer aufgegebenen Nutzung zuzubilligen sind, zieht der VGH die Rechtsprechung zur „alsbaldigen Neuerrichtung eines zulässiger Weise errichteten, durch Brand oder ähnliches zerstörten gleichartigen Gebäudes an gleicher Stelle“ heran. Danach muss im ersten Jahr nach der Zerstörung stets mit dem Wiederaufbau gerechnet werden, im zweiten Jahr besteht eine widerlegbare Vermutung für diesen. Danach ist eine Neuerrichtung mit der Begründung der Nachwirkung der früheren Nutzung nicht mehr zu bejahen (vgl. auch BVerwGE 98,235/240).
Folgerichtig war nach diesem Maßstab im vorliegenden Fall im Jahr 2004 nicht mehr mit der Nutzung des Areals mit einer die Nachbarschaft erheblich störenden Kfz-Werkstatt zu rechnen, da seit Aufgabe eines solchen – störenden Gewerbebetriebes – mindestens vier Jahre vergangen waren.
Ohne die abgelehnte Prägung des Gebietscharakters durch die frühere Nutzung ist eine Genehmigung der Nutzungsänderung ausgeschlossen, da die Kfz-Werkstatt in einem allgemeinen Wohngebiet als im Allgemeinen störender Betrieb gemäß § 4 BauNVO auch nicht ausnahmsweise zulässig ist. Dabei hilft es dem Grundstückseigentümer auch nicht, dass der, nur gewerblich zu nutzenden, vorhandenen Bausubstanz ebenfalls eine prägende Wirkung im Sinne eines gewerblichen bzw. zumindest nicht Wohnzwecken dienenden Areals zugebilligt wird (siehe dazu BayVGH vom 9.11.1995, Az. 14 B 92.651), da dies an der Charakterisierung des Gebiets als allgemeinem Wohngebiet nichts ändert, da dort ja auch ein nicht störender Gewerbebetrieb angesiedelt werden könnte.
Jeder Grundstückseigentümer ist gut beraten, wenn er sich bei einem gleichartigen Grundstück schon vor Aufgabe einer letztlich privilegierten Nutzung Gedanken über die weitere Nutzung macht, da er eine Genehmigung für eine geänderte Nutzung aus Sicherheitsgründen innerhalb eines Jahres stellen sollte, längstens aber innerhalb von zwei Jahren, wobei dann auch darauf zu achten wäre, dass keinerlei Verhalten gezeigt wird, auf Grund dessen bei Nachbarn ein Vertrauen darauf entstehen könnte, dass eine Nutzung wie die bisherige nicht mehr erfolgen solle.