Planerhaftung: Aufklärungspflichten bei fehlender Genehmigungsfähigkeit
Der Bundesgerichtshof hat in einem aktuellen Urteil Stellung genommen zum Um-fang der Bedenkenanmeldung eines Planers, wenn Zweifel an der Genehmigungsfähigkeit seiner Planung – hier: wegen fehlender Nachbarzustimmung – bestehen.
Der Entscheidungstenor des Urteils lautet:
„Eine Bedenkenanmeldung des Architekten bei fehlender Nachbarzustimmung muss den Hinweis auf die rechtlichen und wirtschaftlichen Risiken des Bauens ohne Nachbarzustimmung sowie die Aufklärung umfassen, dass selbst die Erteilung einer Baugenehmigung wegen der Möglichkeit eines Nachbarwiderspruchs keine Rechtssicherheit schaffen kann.”
BGH, Urteil vom 10.02.2011 – VII ZR 8/10 –
Die Entscheidung im Einzelnen:
Der Bauherr beabsichtigte zunächst, einen eingeschossigen Anbau zu errichten, welcher die Grenzabstände zum Nachbargebäude unterschritt. Hierzu holte er die Zustimmung seines Nachbarn ein; diese wurde erteilt. Dann jedoch entschied sich der Bauherr, anstelle des eingeschossigen Anbaus einen zweigeschossigen Anbau zu errichten, der ebenfalls die Grenzabstände zum Nachbarn unterschritt. Hierzu holte er keine Genehmigung des Nachbarn ein, weil er der Auffassung war, dass dies nicht erforderlich sei. Der Architekt, der den zweigeschossigen Anbau plante, übersandte dem Bauherrn nach einer Besprechung bei der Baubehörde einen Aktenvermerk, in dem u. a. darauf hingewiesen wurde, dass eine neue Nachbarzustimmung notwendig sei. Der Bauherr ignorierte dies und ließ nach erteilter Baugenehmigung den Anbau errichten. Aufgrund der Intervention des Nachbars wurde die Baugenehmigung zurück genommen. Der Bauherr musste ferner den Anbau entfernen lassen. Der Bauherr klagte dann gegen den Architekten auf Ersatz des entstandenen Schadens.
Der Bundesgerichtshof gab der Klage dem Grunde nach statt. Der Architekt schuldet eine dauerhaft genehmigungsfähige Planung. Die Erteilung einer Baugenehmigung allein reicht für diesen Werkerfolg nicht aus, wenn die Genehmigung zu einem späteren Zeitpunkt zurückgenommen wird, weil die öffentlich-rechtlichen Voraussetzungen nicht vorliegen. In Fällen, in denen die Grenzabstände nicht eingehalten werden, muss eine Nachbarzustimmung eingeholt werden, da die Planung andernfalls nicht genehmigungsfähig ist. Die Besonderheit des vorliegenden Falles liegt darin, dass der Architekt in Form einer Aktennotiz den Bauherrn über die Notwendigkeit einer Nachbarzustimmung für den zweigeschossigen Anbau aufgeklärt hat. Der Bundesgerichtshof ist allerdings der Auffassung, dass dies allein nicht ausreicht. Der Architekt hätte den Bauherrn vielmehr auch über die mit einer fehlenden Nachbarzustimmung verbundenen rechtlichen und wirtschaftlichen Risiken, d. h. auf die Möglichkeit eines Nachbarwiderspruchs mit anschließender Abrissverfügung, hinweisen müssen. Der Architekt hätte darüber hinaus auch aufklären müssen, dass selbst die Erteilung einer Baugenehmigung wegen der Möglichkeit eines Nachbarwiderspruchs keine Rechtssicherheit schaffen kann.
Praxishinweis: Bestehen Bedenken gegen die Genehmigungsfähigkeit einer Planung, so ist dem Architekten dringend anzuraten, den Bauherrn hierüber aufzuklären. Dies sollte aus Beweisgründen in schriftlicher Form geschehen. Zugleich hat der Architekt den Bauherrn über die rechtlichen und wirtschaftlichen Risiken in Kenntnis zu setzen (im Beispielsfall: Die Möglichkeit eines Nachbarwiderspruchs mit abschließender Abrissverfügung). Auch sollte in dem Schreiben stets darauf hingewiesen werden, dass selbst die Erteilung einer Baugenehmigung nicht in jedem Falle eine Rechtssicherheit schaffen kann (im Beispielsfall wegen der Möglichkeit eines Nachbarwiderspruchs).
Ergänzender Hinweis: Die fehlende Aufklärung führt nicht stets dazu, dass der Architekt den Gesamtschaden tragen muss. Wenn – wie im Beispielsfall – dem Bauherrn die Fehlerhaftigkeit der Genehmigungsplanung bekannt war, so hat der Bauherr im Wege des Mitverschuldens einen Teil des Schadens selber zu tragen.
Dr. Rolf Theißen
Rechtsanwalt und Notar
Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht
Lehrbeauftragter für Bau- und Vergaberecht