Städtebaulicher Folgekostenvertrag
BauGB § 11 Abs. 1 S. 2 Nrn. 2 u. 3 u. Abs. 2; VwVfG §§ 54, 56, 59 Abs. 3
1. Der Grundsatz von Treu und Glauben steht der einseitigen Rückabwicklung eines nichtigen Austauschvertrags nicht allein deshalb entgegen, weil die Leistung der Gemeinde nicht mehr rückgängig zu machen ist; es müssen vielmehr besondere, in der Person oder im Verhalten des Erstattung begehrenden Bürgers liegende Umstände hinzutreten, die das Rückforderungsbegehren als treuwidrig erscheinen lassen. Derartige Umstände können auch darin bestehen, dass der Betroffene einen ihm zunächst entstandenen Vermögensnachteil auf den Erwerber des Grundstücks vertraglich abgewälzt hat.
2. Ob das Geltendmachen eines Erstattungsanspruchs gegen Treu und Glauben verstößt, kann nur nach einer umfassenden Würdigung eines städtebaulichen Vertrags mit allen seinen Bestandteilen beurteilt werden; ohne eine derartige Gesamtbetrachtung kann auch nicht festgestellt werden, ob dem Vertragspartner ein endgültiger Nachteil verbleibt.
3. Ein Folgekostenvertrag ist auch dann mit § 11 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 BauGB vereinbar, wenn der Bedarf für eine städtebauliche Maßnahme durch die Überplanung und Bebauung mehrerer Bebauungsplangebiete verursacht wird.
4. Auch die Gesamtkonzeption einer Gemeinde kann geeignet sein zu belegen, dass eine städtebauliche Maßnahme die Folge mehrerer neu ausgewiesener Baugebiete ist.
5. Insbesondere können städtebauliche Maßnahmen als Folge des geplanten Vorhabens anzusehen sein, wenn eine Gemeinde nachvollziehbar davon ausgehen darf, dass durch die weitere Überplanung von bisher nicht bebaubaren Grundstücken Investitionskosten für öffentliche Einrichtungen entstehen, die sie zu tragen hätte, und sie im Hinblick auf diese Kosten abwägungsfehlerfrei von einer derartigen Überplanung absehen dürfte.
6. Ein derartiges Gesamtkonzept erfüllt nur dann die gesetzlichen Anforderungen, wenn die Gemeinde transparent, nachvollziehbar und damit kontrollierbar belegen kann, dass die von ihr in einem überschaubaren zeitlichen Zusammenhang zu beschließenden und realistischerweise verwirklichungsfähigen Bebauungspläne einen (weiteren) Bedarf an öffentlichen Einrichtungen hervorrufen. Ein derartiges Konzept muss vom Rat der Gemeinde beschlossen und damit von seiner planerischen und gestaltenden Willensbildung gedeckt sein.
BVerwG, Urteil vom 29.1.2009 – 4 C 15.07 – (OVG Lüneburg)
Aus den Gründen:
(16) II. 1. Das Berufungsgericht ist auf der Grundlage seiner Annahme, der Folgekostenvertrag sei nichtig, zu dem Ergebnis gelangt, der kl. Erstattungsanspruch sei nach Treu und Glauben ausgeschlossen, weil der Kl. durch die Leistung an die Bekl. kein Nachteil entstanden sei. Bei dieser Würdigung geht es davon aus, dass die im städtebaulichen Vertrag neben der Pflicht zur Zahlung der Planungskosten sowie des Folgekostenbeitrags der Kl. ferner auferlegte Verpflichtung, im nachfolgenden Kaufvertrag keinen höheren Baulandpreis als „maximal 100,00 DM incl. Erschließungs- sowie Folgekosten“ zu vereinbaren, nicht zu ihren Gunsten zu berücksichtigen sei. Damit verletzt das Berufungsgericht Bundesrecht.
(17) 1.1 Zu folgen ist allerdings dem rechtlichen Ausgangspunkt des OVG. Danach handelt ein Bürger, der auf vertraglicher Grundlage geleistete Zahlungen zurückfordert, nicht allein deshalb rechtsmissbräuchlich, weil der städtebauliche Vertrag auf seinen Wunsch abgeschlossen wurde (Urteil vom 26. März 2003 – BVerwG 9 C 4.02 – Buchholz 316 §59 VwVfG Nr.17 = NVwZ 2003, 993 zu einer Stundungsvereinbarung), auch wenn dies ein Indiz dafür darstellen kann, dass er an der Planung ein besonderes Interesse hat (vgl. hierzu beispielsweise den dem Urteil vom 25.November 2005 – BVerwG 4 C 15.04 – BVerwGE 124, 385 = UPR 2006, 156 zugrunde liegenden Sachverhalt). Ferner steht der Grundsatz von Treu und Glauben der einseitigen Rückabwicklung eines nichtigen Austauschvertrags nicht allein deshalb entgegen, weil die Leistung der Gemeinde – wie hier unter anderem die Satzung nach § 34 Abs. 4 BauGB – nicht mehr rückgängig zu machen ist. Es müssen vielmehr besondere, in der Person oder im Verhalten des Erstattung begehrenden Bürgers liegende Umstände hinzutreten, die das Rückforderungsbegehren als treuwidrig erscheinen lassen (Urteil vom 16.Mai 2000 – BVerwG 4 C 4.99 – BVerwGE 111, 162 <174> = UPR 2001, 29). Das OVG ist ferner zu Recht davon ausgegangen, dass derartige in der Person oder im Verhalten des Erstattung begehrenden Bürgers liegende Umstände auch darin bestehen können, dass der Betroffene einen ihm zunächst entstandenen Vermögensnachteil auf den Erwerber des Grundstücks vertraglich abgewälzt hat. Es wäre mit Treu und Glauben nicht zu vereinbaren, wenn der Vertragspartner der Gemeinde im Wege des öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs den Ausgleich eines Vermögensnachteils herbeiführen kann, der nach der Veräußerung des Grundstücks endgültig nicht mehr vorhanden ist (vgl. auch Beschluss vom 17. Juli 2001 – BVerwG 4 B 24.01 – BRS 64 Nr. 230 = Buchholz 406.11 § 58 BauGB Nr. 1). Dem steht nicht entgegen, dass in dem Kaufvertrag mit dem Erwerber kein rechtlich zu missbilligendes Ereignis zu sehen ist. Nachdem der wirtschaftliche Nachteil nicht beim Vertragspartner der Gemeinde verblieben, sondern auf den Erwerber übergegangen ist, rechtfertigt auch der Sanktionsgedanke (Urteil vom 16.Mai 2000 – BVerwG 4 C 4.99 – a.a.O. S. 173) nicht, dass die Gemeinde einen Vermögensnachteil ausgleichen muss, der nicht mehr besteht. Denn dann erhielte ihr Vertragspartner durch die Erstattung des Folgekostenbeitrags einen zusätzlichen unverdienten Vermögensvorteil, der über das hinausgeht, was ihm auf der Grundlage eines Erstattungsanspruchs zusteht.
(18) 1.2 Dagegen ist es mit Bundesrecht nicht vereinbar, dass das OVG das Bestehen eines endgültigen Nachteils bei der Kl. verneint hat, ohne zu berücksichtigen, dass die Kl. sich in dem städtebaulichen Vertrag verpflichtet hat, im nachfolgenden Kaufvertrag keinen höheren Baulandpreis als „maximal 100,00 DM incl. Erschließungs- sowie Folgekosten“ zu vereinbaren. Ob das Geltendmachen eines Erstattungsanspruchs gegen Treu und Glauben verstößt, kann nur nach einer umfassenden Würdigung eines städtebaulichen Vertrags mit allen seinen Bestandteilen beurteilt werden; ohne eine derartige Gesamtbetrachtung kann auch nicht festgestellt werden, ob dem Vertragspartner ohne Rückerstattung ein endgültiger Nachteil verbleibt. Dass das OVG eine derartige Betrachtung – anders als noch das VG – abgelehnt hat, macht die Formulierung im Urteil deutlich, ob die Kl. ohne den Vertrag auf dem Markt einen höheren Preis hätte erzielen können, sei unerheblich (UA S. 23).
(19) Wenn die Verpflichtung der Kl., im nachfolgenden Kaufvertrag keinen höheren Baulandpreis als „maximal 100,00 DM incl. Erschließungs- sowie Folgekosten“ zu vereinbaren, in die Würdigung einbezogen wird, kann ihr der Einwand, ihr sei kein Nachteil entstanden, nicht entgegengehalten werden.
(20) Eine derartige Höchstpreisklausel in Verbindung mit Beschränkungen beim Kreis der Erwerber kann grundsätzlich Gegenstand eines städtebaulichen Vertrags nach § 11 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BauGB sein. Sie dient der Förderung und Sicherung der mit der Bauleitplanung verfolgten Ziele, insbesondere der Deckung des Wohnbedarfs der ortsansässigen – einschließlich der aus dem Ort stammenden oder im Ort arbeitenden – Bevölkerung (vgl. Burmeister, Praxishandbuch Städtebauliche Verträge, 2. Aufl. 2005, Rn. 119; Bunzel/Coulmas/Schmidt-Eichstaedt, Städtebauliche Verträge – ein Handbuch, 3. Aufl. 2007, S. 137; Mustereinführungserlass der Fachkommission „Städtebau“ der ARGEBAU Nr. 6.3.3, abgedruckt bei Krautzberger, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/ Krautzberger, Baugesetzbuch, § 11 Rn. 26). Mit ihr soll sichergestellt werden, dass die ortsansässige Bevölkerung zum Erwerb der für eine Bebauung notwendigen Grundstücke in der Lage ist. Da der Vertragspartner der Gemeinde ohne den städtebaulichen Vertrag nicht über Bauland verfügt hat, verbleibt ihm in jedem Fall ein wirtschaftlicher Mehrwert; deswegen ist er zum Abschluss einer derartigen Vereinbarung bereit.
(21) Ob dieser Vertragsbestandteil vorliegend wirksam ist oder – beispielsweise im Hinblick auf die dem Vertragspartner auferlegte mehrfache Belastung – rechtlichen Bedenken begegnet, bedarf keiner weiteren Klärung. Denn die Kl. hat das Grundstück inzwischen zu dem ihr als Höchstbetrag auferlegten Kaufpreis veräußert. Einen höheren Kaufpreis kann sie nicht mehr erzielen. Mit einer Beschränkung des Kaufpreises auf einen Höchstbetrag in der vorliegenden Art soll die Gesamtbelastung, die vom bauwilligen Käufer zu tragen ist, begrenzt werden. Eine derartige Klausel wird geschlossen, wenn die Beteiligten davon ausgehen, dass ohne diese Vereinbarung am Markt ein höherer Kaufpreis zu erzielen wäre. Dies muss auch die Bekl. gegen sich gelten lassen. Daraus ergibt sich, dass der Kl. im vorliegenden Fall ein Nachteil entstanden ist. Denn wenn die Vereinbarung über die Deckelung des Kaufpreises wirksam ist, durfte sie – bei unterstellter Unwirksamkeit der Folgekostenvereinbarung – nach der mit der Bekl. geschlossenen Vereinbarung in jedem Fall einen Erlös von 100 DM/m² erzielen. Von diesem Betrag, der ihr in jedem Fall verbleiben sollte, hat sie den Folgekostenbeitrag in Höhe von 12,50 DM/m² an die Bekl. abgeführt; dadurch ist ihr ein Nachteil entstanden. Dieses Ergebnis würde in tatsächlicher Hinsicht noch bekräftigt, wenn man den vom VG als unstreitig angenommen Sachverhalt zugrunde legen würde, wonach die Klägerin am freien Markt sogar einen höheren Kaufpreis als 112,50 DM/m² hätte erzielen können; darauf kommt es indessen nicht an. Würde sich die vertragliche Vereinbarung über die Beschränkung des Kaufpreises dagegen als unwirksam erweisen, könnte die Bekl. aus ihr erst recht keine Folgerungen zu ihren Gunsten ableiten.
(22) Demgegenüber kann der Einwand der Bekl. nicht greifen, die Beteiligten hätten bei Kenntnis der Unwirksamkeit der Vereinbarung über die Folgekosten einen Kaufpreis von 87,50 DM/ m² vereinbart. Denn dann würde die auf den Grundsatz von Treu und Glauben gestützte Einwendung gegen den Erstattungsanspruch auf einen lediglich hypothetischen Vertragsinhalt gestützt, den die Beteiligten nicht vereinbart haben. Damit kann der Umstand, dass der Kl. bei der gebotenen Gesamtwürdigung des geschlossenen Vertrags im Falle der Unwirksamkeit der Folgekostenvereinbarung ein Nachteil entstanden ist, schon aus Rechtsgründen nicht in Frage gestellt werden. Davon abgesehen spricht in tatsächlicher Hinsicht nichts dafür, dass in Kenntnis der Marktlage und bei angenommener Unzulässigkeit der Folgekostenvereinbarung ein derartiger Vertragsinhalt zustande gekommen wäre; viel eher ist davon auszugehen, dass mit dem runden Betrag von 100 DM/m² die Belastung begrenzt werden sollte, die die Käufer von Baugrundstücken – einschließlich der Folgekosten sowie der Erschließungskosten – insgesamt tragen sollten. Ferner ist im Vertrag von Erschließungs- und Folgekosten die Rede; Vorstellungen über die Höhe des Kaufpreises nach Abzug der Folgekosten, aber einschließlich möglicher Erschließungskosten haben beim Vertrag ersichtlich keine Rolle gespielt.
(23) 2. Das OVG gelangt zu dem Ergebnis, die von den Beteiligten geschlossene Folgekostenvereinbarung sei nichtig. Das angegriffene Urteil würde sich aus anderen Gründen als richtig darstellen (§ 144 Abs. 4 VwGO), wenn der städtebauliche Vertrag nach §11 Abs.1 Satz 2 Nr.3 BauGB wirksam und die vereinbarte Leistung nach § 11 Abs. 2 BauGB den gesamten Umständen nach angemessen wäre, da die Kl. dann keinen Erstattungsanspruch geltend machen könnte. Zwar unterwirft das OVG die Befugnis der Gemeinden, städtebauliche Verträge nach § 11 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 BauGB zu schließen, rechtlichen Schranken, die mit Bundesrecht nicht vereinbar sind. Ob der Vertrag wirksam und die Leistung angemessen ist, kann jedoch ohne weitere tatsächliche Feststellungen, die zu treffen dem Revisionsgericht verwehrt ist, nicht entschieden werden. Die Sache ist daher nach § 144 Abs. 3 Nr. 2 VwGO zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das OVG zurückzuverweisen.
(24) 2.1 Die Rechtmäßigkeit städtebaulicher Verträge der vorliegenden Art ist nach § 11 BauGB zu beurteilen. Mit dieser gesetzlichen Regelung – sowie zuvor mit § 6 Abs. 3 des BauGB-Maßnahmengesetzes (1993) und noch davor der in den Neuen Ländern zunächst weitergeltenden (§ 246a Abs. 1 Satz 1 Nr. 11 BauGB 1990) Vorschrift des § 54 der Verordnung zur Sicherung einer geordneten städtebaulichen Entwicklung und der Investitionen in den Gemeinden (BauZVO) der DDR vom 20. Juni 1990 – sind die Befugnisse der Gemeinden, städtebauliche Verträge abzuschließen, auf eine neue und gegenüber dem allgemeinen Verwaltungsrecht sowie seiner Kodifizierung im VwVfG eigenständige Rechtsgrundlage gestellt worden. Damit sollte der städtebauliche Vertrag bereichsspezifisch normiert und vor dem Hintergrund der Komplexität städtebaulicher Gestaltungsaufgaben der Gemeinden deutlicher legitimiert werden (Krautzberger, a.a.O. Rn. 20). Die in der früheren Rechtsprechung des BVerwG noch auf der Grundlage der allgemeinen Grundsätze des allgemeinen Verwaltungsrechts entwickelten Beschränkungen (vgl. insbesondere das Urteil des 8. Senats vom 14.August 1992 – BVerwG 8 C 19.90 – BVerwGE 90, 310) lassen sich auf die jetzt maßgebliche Gesetzeslage nicht ohneWeiteres übertragen.
(25) 2.2 Für den Teil des zwischen den Beteiligten geschlossenen Vertrags, der den Folgekostenbeitrag betrifft, ist § 11 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 BauGB maßgeblich. Danach kann Gegenstand eines städtebaulichen Vertrags insbesondere die Übernahme von Kosten oder sonstigen Aufwendungen sein, die der Gemeinde für städtebauliche Maßnahmen entstehen oder entstanden sind und die Voraussetzung oder Folge des geplanten Vorhabens sind.
(26) Zu Recht geht das OVG davon aus, dass zu den städtebaulichen Maßnahmen auch die von der Gemeinde zu schaffenden Anlagen und Einrichtungen zu zählen sind, die der Allgemeinheit dienen. Das macht die dies ausdrücklich noch erwähnende, ausführlichere Formulierung in § 6 Abs. 3 BauGB-MaßnahmenG (1993) deutlich, die der Sache nach durch den mit dem BauROG lediglich redaktionell verkürzten Wortlaut nicht verändert werden sollte (vgl. den Bericht der Expertenkommission zur Novellierung des BauGB vom 28.Oktober 1995 Rn. 149 sowie BTDrucks 13/ 6392 S. 50). Hierzu zählen diejenigen sozialen Einrichtungen, die eine Gemeinde für die Bewohner neuer Wohngebiete bereitzustellen hat, insbesondere auch Schulen und Kindergärten.
(27) § 11 BauGB erlaubt den Abschluss eines Folgekostenvertrags auch dann, wenn die Aufwendungen bereits entstanden sind. Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut, wird aber auch durch die Gesetzesbegründung bestätigt, in der hervorgehoben wird, mit der Einbeziehung bereits entstandener Aufwendungen solle verdeutlicht werden, dass auch schon zeitlich zuvor entstandene Kosten für städtebauliche Maßnahmen, die Voraussetzung für die Verwirklichung des geplanten Vorhabens sind, in die Vereinbarung einbezogen werden können (BTDrucks 13/6392 S. 50).
(28) Die gesetzliche Regelung sieht auch keine Beschränkung der Folgekosten auslösenden Maßnahmen auf das Bebauungsplangebiet vor. Die in § 6 BauGB-MaßnahmenG (1993) noch enthaltene Regelung, wonach die städtebaulichen Maßnahmen auch außerhalb des Gebiets liegen können, sollte mit der durch das BauROG gestrafften Fassung des § 11 BauGB in der Sache nicht geändert werden; dies wird durch die Gesetzesbegründung zu § 11 BauGB bestätigt (BTDrucks 13/6392 S. 50).
(29) 2.3 Ein Folgekostenvertrag ist auch dann mit § 11 BauGB vereinbar, wenn der Bedarf für eine städtebauliche Maßnahme – beispielsweise ein Schulgebäude – durch die Überplanung und Bebauung mehrerer Bebauungsplangebiete bzw. Gebiete nach § 34 Abs. 4 BauGB verursacht wird. Auch dann kann die Maßnahme als Folge des geplanten Vorhabens anzusehen sein (ebenso VG Cottbus, Urteil vom 27.Oktober 2005 – 3 K 948/02 – juris Rn. 38). Auf die nach anderen städtebaulichen Maßstäben vorzunehmende Aufteilung und Abgrenzung der Bebauungsplangebiete kommt es für die Frage, ob Baugebiete einen kausal verknüpften Folgebedarf auslösen, nicht an. Der Gesetzgeber will die Gemeinden nicht dazu veranlassen, Bebauungspläne mit möglichst großem Geltungsbereich zu erlassen, um damit die Notwendigkeit der Errichtung von Infrastruktureinrichtungen besser begründen zu können. Ihm ist vielmehr bewusst, dass sich der heutigen Stadtentwicklung eher Aufgaben stellen, die die Schaffung kleinerer Baugebiete oder die Umstrukturierung von Siedlungsgebieten erfordern und nicht, wie in den 70er-Jahren, die Entwicklung größerer neuer Baugebiete (Krautzberger, a.a.O. Rn. 164a).
(30) Unter den nachfolgend (2.4) dargestellten Voraussetzungen kann auch die Gesamtkonzeption einer Gemeinde geeignet sein zu belegen, dass eine städtebauliche Maßnahme die Folge mehrerer neu ausgewiesener Baugebiete ist. Insofern kann entgegen der Auffassung des OVG auch eine Gesamtabrechnung der durch aufeinander folgende Pläne zur Baulandausweisung insgesamt verursachten Folgemaßnahmen durch das Gesetz gedeckt sein. Die Sichtweise, „als Leistung der Behörde“ sei lediglich die Beplanung einer konkreten Fläche zu verstehen und nicht das im Flächennutzungsplan zum Ausdruck gelangende Vorhaben einer Gesamtentwicklung der Gemeinde, wird der Aufgabenstellung einer Gemeinde, die für die Bauleitplanung ebenso wie für die Errichtung der hier in Betracht kommenden der Allgemeinheit dienenden Anlagen und Einrichtungen zuständig ist, nicht gerecht. Vielmehr kann die Gegenleistung der Gemeinde – auf die der Vertragspartner bei einem derartigen „hinkenden Austauschverhältnis“ (vgl. hierzu Urteil vom 16.Mai 2000 – BVerwG 4 C 4.99 – a.a.O. S. 165) allerdings keinen Anspruch hat – in einem komplexen Bündel von Entscheidungen und Maßnahmen bestehen. Hierzu kann neben der Aufstellung eines Bebauungsplans (bzw. einer Satzung nach § 34 Abs. 4 BauGB) die Entscheidung der Gemeinde gehören, Anlagen und Einrichtungen, die der Allgemeinheit dienen, zu schaffen, bei deren Fehlen sie die Ausweisung weiterer Baugebiete abwägungsfehlerfrei ablehnen könnte. Dies kommt in Betracht, wenn die vorhandenen Kapazitäten bei von ihr betriebenen Einrichtungen (wie Schule und Kindergarten) erschöpft sind. In dieser Lage darf sie die Städtebaupolitik betreiben, die ihr richtig erscheint, und dementsprechend ihre Ziele setzen. Daher darf sie sich entweder gegen die Ausweisung neuer (Wohn-)Baugebiete entscheiden, weil sie ihre öffentlichen Einrichtungen nicht erweitern will, oder den Beschluss fassen, Baugebiete auszuweisen und zugleich die dadurch erforderlich werdenden Einrichtungen zu schaffen oder zu erweitern und damit die Hindernisse zu beseitigen, die der planerischen Entscheidung zugunsten weiterer Wohngebiete entgegenstehen. Städtebauliche Maßnahmen sind daher auch dann als Folge des geplanten Vorhabens anzusehen, wenn eine Gemeinde nachvollziehbar davon ausgehen darf, dass durch die weitere Überplanung von bisher nicht bebaubaren Grundstücken Investitionskosten für öffentliche Einrichtungen entstehen, die sie zu tragen hätte, und sie im Hinblick auf diese Kosten abwägungsfehlerfrei von einer derartigen Überplanung absehen dürfte.
(31) 2.4 Voraussetzung für die Wirksamkeit eines Folgekostenvertrags bleibt aber, dass die Gemeinde die kausale Verknüpfung belegen kann. Es ist nicht ausreichend, dass die städtebaulichen Maßnahmen lediglich „in sachlichem Zusammenhang“ mit dem vom Bauwilligen geplanten Vorhaben und mit der städtebaulichen Planung der Gemeinde stehen. Denn ein entsprechender Vorschlag des Bundesrats (BTDrucks 12/4208 S. 9) zur Formulierung in § 6 BauGB-MaßnahmenG, mit dem der Kausalzusammenhang noch weiter gelockert werden sollte, blieb im Gesetzgebungsverfahren 1993 ausdrücklich ohne Erfolg (BTDrucks 12/ 4317 S. 31 f.; 12/4340 S. 13) und wurde bei der Novellierung durch das BauROG nicht befürwortet (Bericht der Expertenkommission Rn. 145). Somit reicht ein bloßer allgemeiner Bezug zu den gemeindlichen Aufgaben nicht aus. Nicht zulässig sind daher beispielsweise die Deckung eines Nachholbedarfs für bereits zuvor verwirklichte Planungen oder andererseits das Bilden eines finanziellen Polsters für gegenwärtig noch nicht absehbare Planungen (ebenso Burmeister, a.a.O. Rn. 154; Birk, Städtebauliche Verträge, 4.Aufl. 2002, Rn. 512).
(32) Ein Gesamtkonzept, wie es die Bekl. hier für sich in Anspruch nimmt, erfüllt nur dann die gesetzlichen Anforderungen, wenn die Gemeinde transparent, nachvollziehbar und damit kontrollierbar belegen kann, dass die von ihr in einem überschaubaren zeitlichen Zusammenhang zu beschließenden und realistischerweise verwirklichungsfähigen Bebauungspläne (oder anderen Satzungen) einen (weiteren) Bedarf an öffentlichen Einrichtungen hervorrufen. Ein derartiges Konzept muss vom Rat der Gemeinde beschlossen und damit von seiner planerischen und gestaltenden Willensbildung gedeckt sein. Wenn mehrere Bebauungspläne zur Begründung eines Bedarfs an öffentlichen Einrichtungen herangezogen werden sollen, kann dies – worauf die Bekl. vorliegend in besonderer Weise Bezug nimmt – mit einer Änderung des Flächennutzungsplans einhergehen. Dieser bereitet die weitere Planung durch Bebauungspläne vor und strukturiert damit die planerischen Absichten der Gemeinde auf einer übergreifenden Ebene. In jedem Fall muss anhand nachvollziehbarer und realistischer Prognosen dargelegt werden, mit welcher Zunahme der Bevölkerung gerechnet wird. Daraus ist abzuleiten und anhand von Erfahrungswerten zu belegen, welcher Bedarf an öffentlichen Anlagen und Einrichtungen, die der Allgemeinheit dienen, dadurch hervorgerufen wird und welche Kosten in dessen Folge (nach Abzug von Zuschüssen etc.) auf die Gemeinde zukommen.
(33) 2.5 Die bekl. Gemeinde hat einen derartigen Beschluss gefasst und im verwaltungsgerichtlichen Verfahren eine Reihe von Unterlagen vorgelegt, mit denen sie belegen will, dass die Anforderungen an eine derartige kausale Verknüpfung erfüllt sind und sie mit Folgekostenbeiträgen deutlich weniger eingenommen hat, als ihr an gegenüberstehenden Kosten entstanden sind. Das OVG ist – aus seiner Sicht folgerichtig – diesen Fragen nicht im Einzel nen nachgegangen und hat daher nicht geprüft, ob den beschriebenen Anforderungen genügt worden ist. Es ist seine Aufgabe und nicht diejenige des Revisionsgerichts, die entsprechenden Feststellungen zu treffen und die Bekl. gegebenenfalls zur Vorlage weiterer Unterlagen anzuhalten.
(34) 2.6 Das OVG hat ferner ausdrücklich nicht geprüft, ob die im Vertrag vereinbarten Leistungen den gesamten Umständen nach angemessen sind (§ 11 Abs. 2 BauGB). Das Erfordernis der Angemessenheit bildet ein wichtiges Korrektiv. Der Senat hat bereits in seinem Urteil vom 6. Juli 1973 – BVerwG 4 C 22.72 – (BVerwGE 42, 331 <342, 345>) darauf hingewiesen, dass die aus Anlass eines bestimmten Vorhabens vereinbarte Übernahme von Folgekosten bei wirtschaftlicher Betrachtung des Gesamtvorgangs in angemessenem Verhältnis zum Wert des Vorhabens stehen muss und auch sonst keine Anhaltspunkte dafür gegeben sein dürfen, dass die vertragliche Übernahme von Kosten eine unzumutbare Belastung bedeutet. Eine Leistung kann unangemessen sein, weil die Gemeinde sich bei Gegenüberstellung der durch Folgekostenverträge insgesamt vereinbarten Beiträge einerseits und der (nach Abzug von Zuschüssen Dritter) für die städtebaulichen Maßnahmen andererseits insgesamt entstandenen Kosten eine unangemessen hohe Einnahme zusagen lässt. Ferner kann eine Gegenleistung unter dem Gesichtspunkt der Gesamtbelastung des individuellen bau- oder veräußerungswilligen Grundstückseigentümers unangemessen sein. Dabei sind alle in einem städtebaulichen Vertrag enthaltenen Verpflichtungen des Grundstückseigentümers im Zusammenhang und damit in ihrer wirtschaftlichen Gesamtwirkung zu würdigen. Dies gilt in besonderer Weise bei einem Vertrag der vorliegenden Art, in dem sowohl eine Beschränkung des Preises bei einer Veräußerung des Grundstücks als auch eine Pflicht zur Zahlung von Folgekosten vereinbart worden sind. Ferner ist in diesem Zusammenhang zu prüfen, ob bei einer Vielzahl von städtebaulichen Verträgen der von der Gemeinde gewählte und ihrem Konzept zugrunde gelegte Verteilungsmaßstab mit dem allgemeinen Gleichheitsgrundsatz im Einklang steht . . .
(37) Wenn die weitere Prüfung ergeben sollte, dass die durch den städtebaulichen Vertrag vereinbarte (Gesamt-)Belastung der Klägerin insgesamt unangemessen hoch ist, kommt auch eine teilweise Nichtigkeit dieses Vertrags in Betracht (vgl. § 59 Abs. 3 VwVfG). In diesem Fall könnte der Erstattungsanspruch nur teilweise durchgreifen.