Geothermiebohrungen und Wasserrecht
Von Prof. Dr. Michael Reinhardt, LL.M. (Cantab.), Trier
I. Einleitung
Das schlichte und gleichwohl oder gerade deswegen sehr zählebige Schwarz-Weiß-Denken, das vor allem im Umweltschutz stets sauber zwischen dem bösen Verschmutzer und dem guten Beschützer unterscheidet, hat schon immer eine sachgerechte juristische Diskussion wesentlich erschwert. Es hat in der Entwicklung des deutschen und europäischen Umweltrechts maßgeblich zu Ideologisierung und Lagerbildung beigetragen, die erst unlängst in den nachgerade bizarren Szenarien des wieder einmal gescheiterten Umweltgesetzbuchs fröhliche Urständ gefeiert haben und eine von den marktschreierischen Vereinheitlichungsutopien einer Gesamtkodifikation unbelastete angemessene Rechtsfortbildung erfolgreich verhindert haben. Besonders deutlich wird die Untauglichkeit dieser Weltsicht zur juristischen Problemlösung bei der Energiegewinnung aus regenerativen Quellen. Denn die Nutzung erneuerbarer Energien ist regelmäßig mit einer Inanspruchnahme der Natur verbunden, die ihrerseits der rechtlichen Überprüfung an ökologischen Maßstäben bedarf: Der Betrieb von Wasserkraftwerken greift in Gewässermorphologie und Fischfauna ein, Windkraftanlagen verbrauchen und versiegeln Flächen, verunzieren das Landschaftsbild und stören den Lebensraum einzelner Arten, um nur einige Beispiele stichwortartig zu nennen. Bei der Gewinnung der natürlichen Wärme der Erde zu Zwecken der direkten Nutzung oder der Erzeugung von Energie stellen sich vor allem Fragen des Berg-, Bau-, Bodenschutz- und Wasserrechts. Im Folgenden sollen die wasserrechtlichen Aspekte der Beurteilung von Geothermiebohrungen einer einführenden Bestandsaufnahme und Bewertung unterzogen werden.
II. Gestattungspflichtigkeit der Erdwärmebohrungen
1. Regelungssystematik
Im Vordergrund der wasserrechtlichen Anforderungen an die Zulässigkeit von Geothermiebohrungen steht die Frage nach der wasserbehördlichen Gestattungsbedürftigkeit der jeweiligen Maßnahme. Grundsätzlich erfüllt die reine Niederbringung einer Bohrung in das Erdreich noch keinen wasserhaushaltsgesetzlichen Benutzungstatbestand. Nach § 2 Abs. 1 WHG bedarf lediglich die Benutzung eines Gewässers im Sinne des § 3 WHG der wasserbehördlichen Zulassung im Vorfeld. Die Grundsatzentscheidung des Bundesgesetzgebers, jede sich auf die Gewässer oder das Wasser auswirkende Verhaltensweise einer verwaltungsrechtlichen Eröffnungskontrolle zu unterwerfen, ist demnach für den einzelnen Fall am Maßstab des Katalogs der wasserrechtlichen Benutzungen zu beurteilen. Während insoweit § 3 Abs. 1 WHG als sogenannte echte Benutzungen Verhaltensweisen auflistet, die mit Blick auf die Nutzung des Wassers unmittelbar und zweckgerichtet auf Wassergüte und Wassermenge einwirken, unterstellt § 3 Abs. 2 WHG mit der ergänzenden Regelung sogenannter unechter Benutzungen weitere, die Qualität oder Quantität des Wassers möglicherweise beeinflussende Handlungen der Gestattungspflicht, auch wenn es an einem finalen Zugriff auf das Wasser selbst fehlt. Insbesondere mit der Auffangklausel des § 3 Abs. 2 Nr. 2 WHG werden alle Maßnahmen, die geeignet sind, dauernd oder in einem nicht nur unerheblichen Ausmaß schädliche Veränderungen der physikalischen, chemischen oder biologischen Beschaffenheit herbeizuführen, dem wasserhaushaltsgesetzlichen Grundsatzverbot mit Befreiungsvorbehalt unterworfen.
Nach § 6 Abs. 1 WHG sind Erlaubnis und Bewilligung zu versagen, soweit von der beabsichtigten Benutzung eine nicht ausgleichbare Beeinträchtigung des Wohls der Allgemeinheit, insbesondere eine Gefährdung der öffentlichen Wasserversorgung, zu erwarten ist. Die gesetzliche Konstruktion eines repressiven Verbots mit Befreiungsvorbehalt, das selbst bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen einen durchsetzbaren Anspruch des Bürgers auf Erlaubnis- oder Bewilligungserteilung nicht gewährt, sondern die Entscheidung der pflichtgemäßen Ermessensbetätigung der Wasserbehörde anvertraut, trägt den hohen Anforderungen an den Schutz des Gewässerhaushalts Rechnung und ist verfassungsrechtlich geboten. Damit wird die Entscheidung der Wasserbehörde in zweifacher Hinsicht bundesgesetzlich strukturiert: Zum einen erfordert sie die Subsumtion unter den unbestimmten Rechtsbegriff „Wohl der Allgemeinheit“ auf der Tatbestandsebene, zum anderen die Ausübung des wasserbehördlichen Bewirtschaftungsermessens auf der Rechtsfolgenseite. Während die gerichtlich vollständig überprüfbare Auslegung des Tatbestandsmerkmales einen wasserwirtschaftlichen Mindeststandard sichert, dient die behördliche Ermessensbetätigung hierauf aufbauend der Feinsteuerung und Optimierung des Gewässerschutzes auch unter Berücksichtigung künftiger Entwicklungen. Dieses Konzept der wasserbehördlichen Bewirtschaftungsentscheidung ist auch bei Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie aufrecht erhalten worden, hat aber in mehrfacher Hinsicht merkliche Einschränkungen erfahren. Auf der Tatbestandsebene wird das bewirtschaftungslenkende Merkmal des Wohls der Allgemeinheit vor allem durch die neu eingeführten primär ökologischen Bewirtschaftungsziele für oberirdische Gewässer (§§ 25a–25d WHG), Küstengewässer (§ 32c WHG) und das Grundwasser (§ 33a WHG) ergänzt und konkretisiert. Daneben hat die Wasserbehörde neben den genuin wasserwirtschaftlichen Belangen auch sonstige Belange des Gemeinwohls bei der Entscheidung zu berücksichtigen, auch wenn diese allein grundsätzlich keine Versagung der Gestattung zu rechtfertigen vermögen. Beeinträchtigt ein Vorhaben das Wohl der Allgemeinheit allein in anderen als wasserwirtschaftlichen und gewässerschützenden Aspekten, so ist eine Versagung der Gestattung nur möglich, wenn sie gesetzlich ausdrücklich abgedeckt ist. Insbesondere ist in diesem Zusammenhang auf zwingende gesetzliche Anforderungen an die Gestattungsentscheidung, etwa aufgrund des Natur- und Landschaftsschutzes oder des Bodenschutzrechts aufmerksam zu machen. Die Rechtsfolgenseite räumt sodann der Wasserbehörde ein nur im Rahmen des § 114 VwGO überprüfbares verwaltungsgerichtliches Ermessen ein, um eine planerische, prognostische und haushälterische Bewirtschaftung des Wasserdargebots zu gewährleisten. Auch hier liegt der Entscheidungsfocus in erster Linie auf wasser- wirtschaftlichen und gewässerschützenden Aspekten. Die in § 6 WHG eingeräumte Ermessensbetätigung wird dabei nach der Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie erheblich stärker als bisher durch grundsätzlich bindende planerische Vorgaben gelenkt und damit letztlich in der Sache wesentlich begrenzt. Insbesondere wird der im Einzelfall entscheidenden Behörde durch das übergeordnet ausgeübte planerische Bewirtschaftungsermessen ein engerer Rahmen gesteckt, der für die klassische wasserwirtschaftliche Ermessensentscheidung nur noch wenig Raum lässt. Im Vordergrund der planerischen Entscheidungssteuerung stehen dabei die inhaltlichen Vorgaben des jeweils einschlägigen Maßnahmenprogramms, das nach § 36 WHG für jede Flussgebietseinheit im Sinne des § 1b WHG aufzustellen ist. Doch erst nach der Aufstellung der Programme, die nach den Vorgaben der Richtlinie spätestens bis Dezember 2009 abgeschlossen sein muss, und nach den hernach zu sammelnden ersten Erfahrungen mit dem Grad der praktischen Bewährung dieses Instruments wird eine verlässliche Bestandsaufnahme zum neuen Wesen des wasserbehördlichen Bewirtschaftungsermessens möglich.
2. Benutzungstatbestände
a) Eine echte Gewässerbenutzung im Sinne des § 3 Abs. 1 Nr. 6 WHG stellt die Förderung von Grundwasser aus dem Boden zu Zwecken der Wärmegewinnung dar. Hierdurch wird regelmäßig der Tatbestand des Zutageförderns erfüllt, der grundsätzlich eine Erlaubnispflicht nach § 2 Abs. 1 WHG auslöst. Das nach der Nutzung abgekühlte Wasser zurück in das Grundwasser zu leiten fällt dem gegenüber in die Benutzungskategorie des Einleitens von Stoffen in das Grundwasser nach § 3 Abs. 1 Nr. 5 WHG. Uneinheitlich wird in diesem Zusammenhang jedoch die Frage beantwortet, ob das Zutagefördern zu Zwecken der Erdwärmenutzung für einen Haushalt oder einen landwirtschaftlichen Betrieb als Gemeingebrauch im Sinne des § 33 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WHG erlaubnisfrei gestellt ist. Die eng auszulegende Ausnahmeregelung zielt darauf ab, lediglich geringfügige Eingriffe in den Wasserhaushalt von der Gestattungspflicht zu befreien, wie dies in der tatbestandlichen Auffangvariante der Zutageförderung „in geringen Mengen zu einem vorübergehenden Zweck“ deutlich zum Ausdruck kommt. Die allein auf den Gesetzeswortlaut gestützte Auslegung, die offenbar eine mengenmäßig unbegrenzte Inanspruchnahme selbst dann noch unter den Gemeingebrauch subsumiert, solange sie nur einem Haushalt oder landwirtschaftlichen Betrieb dient, wird dieser gesetzlichen Zielsetzung hingegen nicht gerecht. Auch das Herkommen des wasserrechtlichen Instituts des Gemeingebrauchs aus einer Zeit, in der komplexe und mitunter schwierig zu bewertende mechanische und thermische Einflussnahmen auf den Grundwasserhaushalt wie im Falle der modernen Erdwärmenutzung nicht bekannt waren, spricht gegen eine ausschließlich mit dem Normtext argumentierende Interpretation. Ferner sind die klassischen Anwendungsfälle des Gemeingebrauchs und damit zugleich Archetypen der gesetzlichen Regelungsabsicht auf eine Grundwasserentnahme zu Zwecken des geringfügigen Ge- oder Verbrauchs gerichtet. Grundsätzlich anders liegt dagegen der Vorgang der Wärmegewinnung, bei der es dem Unternehmer auf das Wasser selbst gerade nicht ankommt, sondern über ein System von Förder- und Schluckbrunnen ein wasserwirtschaftlich durchaus relevanter Wasserkreislauf geschaffen wird. Dessen atypische Abweichung vom tradierten Gemeingebrauch legt daher eine entsprechend extensive Auslegung des Auffangtatbestands des § 3 Abs. 2 Nr. 2 WHG im Interesse der Sicherung des Grundwasserhaushalts nahe. Im Übrigen zwingt die unstreitig als echte Benutzung im Sinne des § 3 Abs. 1 Nr. 5 WHG anzusehende Wiedereinleitung in das Grundwasser ohnehin zu einem wasserbehördlichen Gestattungsverfahren für die Nutzung der Wärme aus zutage gefördertem Grundwasser. Dabei kann und wird die entsprechende behördliche Prüfung auch eine Kontrolle der vorgelagerten Förderung umschließen. Betrachtet man vor diesem Hintergrund diese Form der Wärmegewinnung als einheitlichen Lebensvorgang, ist eine Freistellung für den Teilvorgang der Grundwasserförderung als Gemeingebrauch nach § 33 WHG weder sachgerecht noch für den Antragsteller hilfreich. Schließlich birgt die kategorische Entbindung der Grundwasserförderung zu Zwecken der Wärmegewinnung von der Gestattungspflicht des § 2 Abs. 1 WHG in sich die Gefahr, dass aufgrund der heute kontinuierlich zunehmenden und mit Blick auf den Klimaschutz auch politisch und gesetzlich mit Macht weiter vorangetriebenen Förderung der Nutzung regenerativer Ressourcen nennenswerte und expandierende Bereiche der Einwirkung des Menschen auf den Grundwasserhaushalt einer behördlichen Vorabkontrolle wenigstens teilweise entzogen sind. Auch wenn eine Beeinträchtigung des Grundwasserhaushalts faktisch weniger in der einzelnen Benutzung durch eine Erdwärmeanlage als vielmehr in der Kumulation zahlreicher gleich gelagerter Eingriffe zu sehen ist kann die Vielzahl solcher Anlagen eine breitere Beeinträchtigung für den Grundwasserhaushalt hervorrufen, die mit rein repressiven Maßnahmen von den zuständigen Behörden nicht mehr zureichend bewältigt werden können. Im Ergebnis ist daher davon auszugehen, dass das Zutagefördern und erst recht das Wiedereinleiten von Grundwasser zu Zwecken der Erdwärmenutzung nicht als Gemeingebrauch gestattungsfrei ist.
b) Soweit dagegen die Erdwärmegewinnungsanlage nicht auf das Grundwasser selbst zugreift, sondern lediglich dessen natürliche Wärme aufnimmt, fehlt es an einer echten Gewässerbenutzung im Sinne des § 3 Abs. 1 WHG. In Betracht kommt hier indes die Auffangklausel des § 3 Abs. 2 Nr. 2 WHG, nach der alle diejenigen Maßnahmen als Benutzung gelten, die geeignet sind, dauernd oder in einem nicht nur unerheblichen Ausmaß schädliche Veränderungen der physikalischen, chemischen oder biologischen Beschaffenheit des Wassers herbeizuführen. Der zur Wärmegewinnung notwendige Temperaturausgleich zwischen Grundwasser und dem in einer Rohrleitung gefassten Temperaturtransportmittel bedingt eine Abkühlung oder Aufwärmung des Grundwassers und bewirkt damit zugleich eine Veränderung dessen physikalischer Eigenschaften. Folglich wird auch hier eine Erlaubnis oder Bewilligung nach § 2 Abs. 1 WHG erforderlich; eine Befreiung nach § 33 WHG kommt dabei schon tatbestandlich nicht in Betracht. Im Gegensatz dazu gehen einige Länder in einschlägigen Verwaltungsvorschriften zur Erdwärmenutzung davon aus, dass der Einsatz von Erdwärmesonden für den privaten Bereich nur geringfügige Temperaturveränderungen bedingt und deswegen § 3 Abs.2 Nr.2 WHG nicht eingreift. Als praktische Folge steht danach zu erwarten, dass die nachgeordneten Wasserbehörden eine ungenehmigte Nutzung dieser Art rechtlich nicht beanstanden werden. Die hierfür gegebene Begründung, dass das umgebende Grundwasser „in der Regel nur in einem unerheblichen Ausmaß“ beeinflusst wird, übersieht jedoch, dass die wasserhaushaltsgesetzliche Regelung ihrem Wortlaut nach schon die Eignung zu schädlicher Veränderung für die Annahme der Benutzungsfiktion genügen lässt. Auf eine tatsächliche Beeinträchtigung kommt es dagegen nicht an. Der Begriff der Eignung ist grundsätzlich weit auszulegen, um etwaig nachteilige Maßnahmen rechtzeitig und umfassend behördlich auf ihre Gefährlichkeit prüfen zu können. Ausreichend ist es insoweit, wenn die Maßnahme die nicht nur ganz entfernte theoretische Möglichkeit einer schädlichen Einwirkung auf das Grundwasser mit sich bringt. Nicht erforderlich ist dagegen, dass die Schädigung konkret zu erwarten ist, da dieser Befund nach § 6 WHG schon einen systematischen Schritt später zur Versagung der Erlaubnis zwingt. Hinzu kommt, dass hier wie bereits bei der Beschäftigung mit der Reichweite des Gemeingebrauchs bei den echten Benutzungen der auf die einzelne Benutzung begrenzte Blick das Phänomen der wasserrechtlichen Beurteilung von Geothermiebohrungen nur unvollständig erfasst. Während mit Blick auf den immanenten Konflikt der Ausweitung der wasserrechtlichen Gestattungspflicht mit dem grundrechtlichen Eigentumsschutz für eine enge Auslegung der Vorschrift plädiert wird, spricht ihre systematische Einordnung als Auffangtatbestand im Interesse eines umfassenden präventiven Schutzes der Gewässer vor Beeinträchtigungen eher für eine ausweitende Interpretation.
Bei Nutzung der Erdwärme tieferer Schichten kann es im Einzelfall auch erforderlich sein, einen oder mehrere Grundwasserleiter zu durchteufen, ohne dass das betroffeneWasser selbst genutzt werden soll. Grundsätzlich bedarf das bloße Niederbringen einer Bohrung keiner wasserrechtlichen Erlaubnis oder Bewilligung, soweit es sich grundwasserneutral verhält. In besonders gelagerten Fällen, etwa bei Bohrungen auf gespanntes, d. h. unter Druck stehendes Grundwasser, das bei Austritt zu Veränderungen in angrenzenden Bodenschichten zu führen geeignet ist, kann jedoch eine andere Beurteilung gerechtfertigt sein. In diesem Fall kann die Auffangklausel des §3 Abs.2 Nr.2WHG eine Gestattungspflicht auslösen.
Schließlich haben die Länder nach § 35 Abs. 1 WHG zu regeln, dass Arbeiten, die über eine bestimmte Tiefe hinaus in den Boden eindringen, zu überwachen sind, soweit es die Ordnung des Wasserhaushalts erfordert. Zu den Überwachungsinstrumenten gehört insbesondere eine – in den meisten Ländern eingeführte – Anzeigepflicht für nicht gestattungspflichtige Vorhaben, um es der Behörde zu ermöglichen, die Wirkungen der Arbeiten auf den Wasserhaushalt zu prüfen und die zum Schutz des Grundwassers erforderlichen Anordnungen zu treffen. In der Regel enthalten die Landeswassergesetze insoweit Verordnungsermächtigungen für den Fall der Erforderlichkeit entsprechender Maßnahmen aus wasserwirtschaftlichen Gründen.
In jedem Fall, d. h. bei erlaubten oder bewilligten, angezeigten oder auch nicht vorab der Wasserbehörde bekannten Vorhaben, besteht die Möglichkeit zu repressivem sonderordnungsrechtlichen Einschreiten auf der Grundlage der landeswasserrechtlichen Generalklauseln. Diese gewähren die Befugnis, bei Verletzungen der materiellen wasserrechtlichen Anforderungen Maßnahmen zur Gefahrenabwehr und Störungsbeseitigung zu treffen.
c) Schon diese notwendig kursorischen Ausführungen, die nur holzschnittartig die vielfältigen Sachverhaltskonstellationen abdecken konnten, haben gezeigt, dass die Frage nach der wasserrechtlichen Gestattungspflicht von Erdwärmebohrungen in tatsächlicher wie in rechtlicher Hinsicht zahlreichen Unsicherheiten und Meinungsverschiedenheiten unterliegt; eine höchstrichterliche Klärung, die wenigstens für die praktische Handhabung leitend sein könnte, fehlt bislang. Fest steht indes, dass trotz dieser Imponderabilien der wasserrechtlichen Bewertung eine umfassende Durchsetzung der materiellen Anforderungen des Grundwasserschutzes spätestens über das Instrument der repressiven ordnungsrechtlichen Anordnung gewährleistet ist. Der immanente Nachteil nachträglichen Einschreitens im Verhältnis zu vorheriger Versagung oder Beschränkung durch Auflagen besteht freilich in dem mitunter erheblichen Aufwand der Wiederherstellung eines wasserrechtlich ordnungsmäßigen Zustands und der Zuweisung der rechtlichen Verantwortung. Vor diesem Hintergrund erscheint die vorsorgliche Beantragung einer wasserrechtlichen Gestattung für die beabsichtigte Erdwärmebohrung praktisch höchst angeraten. Ein behördliches Negativattest zur Gestattungsfreiheit, das etwa auf die erwähnten Verwaltungsvorschriften der Länder gegründet ist, kann sich im späteren Konfliktfall als besonders wertvoll erweisen.
III. Inhaltliche Anforderungen des gesetzlichen Grundwasserschutzes
1. Struktur der Entscheidungsmaßstäbe
Die bis hierhin geführte Diskussion der Gestattungspflicht der Geothermiebohrungen schöpft die wasserrechtliche Problematik des gestellten Themas jedoch nicht aus. Für die Praxis entscheidend kommt es weiterhin darauf an, welche materiellen Maßstäbe die Wasserbehörde ihrer Prüfung der Erdwärmenutzung zugrunde zu legen hat. Diese gelten grundsätzlich gleichermaßen für die Bewertung im Rahmen eines präventiven Erlaubnis- oder Bewilligungsverfahrens wie eines repressiven ordnungsbehördlichen Einschreitens. Maßgeblich für die Beurteilung ist dabei der im deutschen Recht vierstufig ausgestaltete Grundwasserschutz: Erstens gelten die Grundsatzverbote des § 34 WHG für das Einleiten sowie das Lagern und Ablagern von Stoffen, wenn dadurch eine schädliche Verunreinigung des Grundwassers oder eine sonstige nachteilige Veränderung seiner Eigenschaften zu besorgen ist. Zweitens sind die gemeinschaftsrechtlich vorgegebenen Bewirtschaftungsziele für das Grundwasser in Konkretisierung des § 33a WHG zu beachten. Drittens unterliegen einzelne, hier nicht weiter zu vertiefende Sachverhalte dem besonderen Grundwasserschutz des Rechts der wassergefährdenden Stoffe nach den §§ 19a bis l WHG. Viertens werden gegebenenfalls die konkreten Festsetzungen und Anordnungen in einem Wasserschutzgebiet nach §19WHG maßgeblich.
2. Besorgnisgrundsatz des § 34 WHG
§ 34 WHG konkretisiert als eine der materiellen Grundentscheidungen des Wasserhaushaltsgesetzes den allgemeinen wasserrechtlichen Besorgnisgrundsatz und zielt darauf ab, den Schutz des Wohls der Allgemeinheit, insbesondere der öffentlichen Wasserversorgung zu verstärken. Neben der Bedeutung des Grundwassers für die Sicherstellung der öffentlichen Trinkwasserversorgung weist es als Lebensraum und Regelungsfaktor für Boden, Pflanzen und Tiere auch eine besondere ökologische Bedeutung auf, die zu einer von der Eignung als Trinkwasserreservoir unabhängigen Schutzbedürftigkeit und Schutzwürdigkeit führt. Dabei ist es zur langfristigen Sicherung des Grundwassers erforderlich, problematische anthropogene Einwirkungen auf den Wasserkörper zu vermeiden. Die übergreifende Zielsetzung der Vorschrift wird durch die zwei Grundsatzverbote für den Vollzug operationalisiert: § 34 Abs. 1 WHG beschränkt die wasserbehördliche Erteilung einer Erlaubnis für das Einleiten von Stoffen in das Grundwasser, wohingegen § 34 Abs. 2 WHG die hier nicht relevant werdende Lagerung oder Ablagerung von Stoffen untersagt. Das heißt, dass der Besorgnismaßstab im Verfahren einer Benutzung nach § 3 Abs. 1 Nr. 5 WHG, nicht aber im Falle einer unechten Benutzung gemäß § 3 Abs. 2 Nr. 2 heranzuziehen ist. Daneben kann er auch über sonderordnungsrechtliche Maßnahmen repressiv durchgesetzt werden. Inhaltlich darf nach § 34 Abs. 1 WHG eine Erlaubnis für das Einleiten von Stoffen in das Grundwasser (§ 3 Abs. 1 Nr. 5 WHG) nur erteilt werden, wenn eine schädliche Verunreinigung oder eine sonstige schädliche Veränderung seiner Eigenschaften nicht zu besorgen ist. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist bei der Handhabung des Besorgnisprinzips ein strenger Maßstab anzulegen: Die Wahrscheinlichkeit der Gewässerbeeinträchtigung soll geradezu ausgeräumt sein müssen; es darf keine auch noch so wenig naheliegende Wahrscheinlichkeit einer Verunreinigung oder nachteiligen Veränderung bestehen. Sogar wenn die betreffende Benutzung selbst keinen Anlass zur Besorgnis für das Grundwasser gibt, können weitere Maßnahmen in der Umgebung durchaus eine andere Einschätzung rechtfertigen. Allerdings ist auch dabei die Eintrittswahrscheinlichkeit stets in ein angemessenes Verhältnis zum potenziellen Ausmaß des wasserwirtschaftlichen Schadens zu setzen. Die Anforderungen an den Wahrscheinlichkeitsgrad des Schadenseintritts sind umso geringer anzusetzen, je größer sich der voraussichtliche Schaden darstellt. Geht man davon aus, dass der Einsatz moderner Erdwärmeanlagen nach dem Stand der Technik grundsätzlich keine Risiken für das Grundwasser in sich birgt, verbietet der strenge Besorgnisgrundsatz jedenfalls nicht kategorisch dessen Inanspruchnahme als Wärmeträger. Besonders empfindliche oder schutzbedürftige Grundwasservorkommen können jedoch im Einzelfall durchaus auch zu einer abweichenden Beurteilung zwingen, so dass dann § 34 Abs. 1 WHG einer Erlaubniserteilung entgegensteht. Ebenso ist vorstellbar, dass natürliche Veränderungen des Wasserkörpers nach Erlaubniserteilung zu Konflikten zwischen Erdwärmenutzung und Grundwasserschutz führen. In Betracht kommen dann die nachträgliche Anordnung einer Nachrüstung oder auch die gänzliche Untersagung des Betriebs durch sonderordnungsrechtliche Verfügung unter Beachtung der Anforderungen der Verhältnismäßigkeit und des Vertrauensschutzes.
3. Bewirtschaftungsziele nach § 33a WHG
Neben den speziellen Verboten und Bewertungen des § 34 WHG enthält der im Zuge der Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie eingefügte § 33a WHG die allgemeinen Bewirtschaftungsziele für das Grundwasser. In Übereinstimmung mit dem Gesamtkonzept der Umweltziele des Art. 4 WRRL verfolgt er zunächst ganz abstrakt das Ziel eines guten mengenmäßigen und chemischen Zustands des Grundwassers und trägt damit als solcher zur Präzisierung des § 34 WHG nur wenig bei. Als Grund- norm des neuen gemeinschaftsrechtlichen Grundwasserschutzes kommt der Vorschrift und ihrer zurzeit noch in Umsetzung begriffenen Ausgestaltung durch die neuen Grundwasserqualitätsziele aber hervorgehobene Bedeutung zu. Bislang gibt dagegen allein der durch Landes-Rechtsverordnungen transformierte Anhang V WRRL diverse Parameter für die Einstufung des mengenmäßigen und chemischen Zustands des Grundwassers vor. Auch hier ist grundsätzlich davon auszugehen, dass sich dem Stand der Technik entsprechende Erdwärmeanlagen entweder durch gleichgewichtiges Entnehmen und Wiedereinleiten von Grundwasser oder ohne quantitativen Zugriff auf das Grundwasserdargebot auf den mengenmäßigen Zustand nicht auswirken. Ebenso sollte sich eine intakte Anlage nicht auf den chemischen Grundwasserzustand auswirken. Zur Absicherung dieser Anforderung gibt etwa die einschlägige rheinland-pfälzische Verwaltungsvorschrift vor, dass jedenfalls in Trink- und Heilwasserschutzgebieten nur Wasser oder anorganische salzhaltige Lösungen wie Calciumchlorid oder Natriumchlorid als Wärmeträgerflüssigkeit eingesetzt werden sollen. Mit Blick auf die in Anhang V Nr. 2.3.2 WRRL ausdrücklich vorgeschriebene Vermeidung von Salzintrusionen erscheint es indes aus Vorsorgegründen nicht fernliegend, die administrative Einschränkung auch außerhalb wasserrechtlicher Schutzgebiete zu verfolgen.
Eine nachteilige mengenmäßige Veränderung liegt allerdings dann vor, wenn es infolge des Anschneidens des Grundwasserkörpers durch die Geothermiebohrung zu einem Austreten des Wassers aus seinem natürlichen Leiter und Eindringen in angrenzende Bodenschichten und damit zu einer Absenkung des Grundwasserspiegels kommt. Denn die Legaldefinition des Grundwassers in § 1 Abs. 1 Nr. 2 WHG umfasst lediglich das Wasser in der gesättigten Zone innerhalb des Kapillarsaums und überlässt das im Erdreich versickernde und gespeicherte Wasser dem Regelungsregime des Bodenschutzrechts. In diesem Fall ist weiter zu prüfen, ob eine Abweichung von den Bewirtschaftungszielen nach § 33a Abs. 4 WHG in Betracht kommt. Eine Veränderung des Grundwasserstands ist danach unter den Voraussetzungen des § 33a Abs. 4 Satz 2 in Verbindung mit § 25d Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 3 WHG nur ausnahmsweise zulässig, wenn die Gründe für die Veränderungen von übergeordnetem öffentlichen Interesse sind, die mit der Veränderung verfolgten Ziele nicht mit weniger einschneidenden Mitteln und noch verhältnismäßigem Aufwand erreicht werden können und alle praktischen Maßnahmen zur Verringerung der nachteiligen Wirkungen auf den Gewässerzustand ergriffen werden. Da die Absenkung des Grundwasserspiegels – anders als beim Bergbau – nicht notwendige Voraussetzung der Erdwärmenutzung ist, ist hier die Abweichung von den gesetzlichen Bewirtschaftungszielen nicht gerechtfertigt.
Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang schließlich noch darauf, dass sich konkrete Vorgaben für die Zulässigkeit einer Geothermiebohrung auch aus einschlägigen verbindlichen Anordnungen der nach § 36 WHG für die Flussgebietseinheiten aufzustellenden Maßnahmenprogramme zur Erreichung der Bewirtschaftungsziele ergeben können. Die Programme befinden sich gegenwärtig in Vorbereitung und müssen nach Art. 11 Abs. 7 WRRL bis zum 22. Dezember 2009 in Wirkung gesetzt werden.
4. Wasserschutzgebiete
Einen spezifischen Grundwasserschutz vermittelt schließlich das Instrument der Festsetzung von Wasserschutzgebieten. Nach der bundesrahmenrechtlichen Bestimmung des § 19 Abs. 1 WHG können Wasserschutzgebiete festgesetzt werden, soweit es das Wohl der Allgemeinheit erfordert, Gewässer im Interesse einer bestehenden oder künftigen öffentlichen Wasserversorgung vor nachteiligen Einwirkungen zu schützen, das Grundwasser anzureichern oder ein schädliches Abfließen von Niederschlagswasser sowie das Abschwemmen und den Eintrag von Bodenbestandteilen, Dünge- oder Pflanzenbehandlungsmitteln in Gewässer zu verhüten. In der Praxis wird der überwiegende Teil der Schutzgebiete zur Sicherung der öffentlichen Wasserversorgung festgesetzt. In diesen Gebieten können nach § 19 Abs. 2 WHG – neben anderem – bestimmte Handlungen verboten oder für nach Art und Umfang nur beschränkt zulässig erklärt werden. Hierzu enthalten die allgemeinen Bestimmungen des Bundesund des jeweiligen Landesrechts jedoch keine konkreten Anordnungen und Grenzwerte für die Bewertung einzelner Verhaltensweisen, sondern geben lediglich einen gesetzlichen Rahmen für den Ausgleich widerstreitender Interessen des Gewässerschutzes und des Eigentums vor. Denn der Konflikt zwischen dem Interesse der Allgemeinheit an der zureichenden Sicherung eines Wasservorkommens durch verordnungsrechtlichen Gebietsschutz einerseits und dem Interesse des betroffenen Bürgers an unbeeinträchtigter Nutzung insbesondere seines grundrechtlich durch Art. 14 GG geschützten Eigentums andererseits kann nicht kategorisch und einseitig zugunsten der einen oder anderen Position entschieden werden. Maßgeblich ist die Prüfung der Unterschutzstellung am Maßstab der zu erreichenden berechtigten Schutzziele.
Ob und welche Verbote oder Einschränkungen der Nutzung in einem Wasserschutzgebiet bestehen, insbesondere ob und inwieweit der Einsatz von Erdwärmeanlagen zulässig ist, ergibt sich aus der jeweiligen Schutzgebietsverordnung selbst. Im einzelnen Fall ist dann zu untersuchen, ob die getroffenen Anordnungen den allgemeinen rechtlichen Anforderungen des übergeordneten Bundes- und Landesrechts entsprechen oder ob sie beispielsweise wegen der Beschränkung nachweislich nicht wassergefährdender Handlungsweisen unverhältnismäßig und damit rechtswidrig sind.
Jenseits dieser rechtsverbindlichen Regelungen wird das Regime der Wasserschutzgebiete in der verwaltungsrechtlichen Praxis maßgeblich durch das Technische Regelwerk des Deutschen Vereins des Gas- und Wasserfachs e. V. in Zusammenarbeit mit der LAWA determiniert. Dessen einschlägige Richtlinien, in dem hier interessierenden Zusammenhang vor allem im DVGW-Arbeitsblatt W 101 spezifizieren die Gewässergefährdungen durch typisierte Handlungen, Einrichtungen und Vorgänge in den einzelnen Zonen des Wasserschutzgebiets. Die von einem eingetragenen Verein bürgerlichen Rechts erarbeiteten Richtlinien sind grundsätzlich rechtlich unverbindlich. Soweit sie in den Ländern in Verwaltungsvorschriften überführt worden sind, steuern sie immerhin verwaltungsintern die Entscheidungspraxis der Behörden. Darüber hinaus werden die Arbeitsblätter selbst aufgrund des in ihnen verkörperten hohen technischen Sachverstands bei der Rechtsanwendung durch die Verwaltungsgerichte nicht lediglich beiläufig zur Kenntnis genommen, sondern als antizipierte Sachverständigengutachten für die Handhabung und Bewertung von Wasserschutzgebieten zur Konkretisierung der normativen Vorgaben herangezogen. Dabei ist zu beachten, dass sie mit notwendigen Typisierungen arbeiten, die nach eigenem Bekenntnis „in keinem Fall pauschal“ angewendet werden dürfen. Mit Blick auf die Niederbringung von Geothermiebohrungen sieht das Arbeitsblatt W 101 vor, dass Bohrungen im Allgemeinen sowie das Errichten, das Erweitern und der Betrieb von Grundwasserwärmepumpen, Erdwärmesonden und -kollektoren im Besonderen in der Schutzzone II ein sehr hohes Gefährdungspotential, in der Schutzzone III/IIIA ein hohes und in der Schutzzone IIIB ein weniger hohes Gefährdungspotential beinhalten. Im Fassungsbereich (Schutzzone I) werden die Maßnahmen in der Richtlinie als unzulässig erachtet.
IV. Resümee
Die vorstehenden Ausführungen haben gezeigt, dass die Niederbringung von Erdwärmebohrungen aus wasserrechtlicher Sicht einer Vielzahl, mitunter auch komplexen und umstrittenen Einschränkungen unterliegt. Insbesondere fehlen eindeutige gesetzliche oder verordnungsrechtliche Aussagen zum allgemeinen Erfordernis einer Erlaubnis oder Bewilligung. Mit Blick auf die materiellrechtlichen Maßstäbe gelten sodann strenge, dem Vorsorgegrundsatz verpflichtete Anforderungen des Grundwasserschutzes, denen die Interessen der Erdwärmegewinnung grundsätzlich nachgeordnet sind. In jedem Fall zu kurz greift der pauschale Hinweis auf die Umweltverträglichkeit dieser Form der Wärmegewinnung, da diese selbst typischerweise mit Voraussetzungen und Zielsetzungen vor allem des ökologischen Gewässerschutzes konfligiert.