Naturschutzgebiets-Verordnung
BVerwG, Urteil vom 5.2.2009 – 7 CN 1.08 – (OVG Berlin-Bbg.) VwGO §§ 86 Abs. 1, 137 Abs. 1 Nr. 1; BbgNatSchG §§ 19, 21; BNatSchG §§ 22, 23, BbgVerf Art. 81 Abs. 2 1. Ob ein Ausfertigungsmangel einer aufgrund landesrechtlicher Ermächtigung erlassenen Verordnung zu deren Gesamt- oder nur zu deren Teilnichtigkeit führt, bestimmt sich grundsätzlich nach irrevisiblem Landesrecht. 2. Auch naturferne Forste können als „Pufferzone“ oder zur Entwicklung von Biotopen bzw. Biozönosen in ein Naturschutzgebiet einbezogen werden. 3. Zur Zulässigkeit einzelner Verbote in einer Naturschutzgebiets- Verordnung.
VwGO §§ 86 Abs. 1, 137 Abs. 1 Nr. 1; BbgNatSchG §§ 19, 21; BNatSchG §§ 22, 23, BbgVerf Art. 81 Abs. 2
1. Ob ein Ausfertigungsmangel einer aufgrund landesrechtlicher Ermächtigung erlassenen Verordnung zu deren Gesamt- oder nur zu deren Teilnichtigkeit führt, bestimmt sich grundsätzlich nach irrevisiblem Landesrecht.
2. Auch naturferne Forste können als „Pufferzone“ oder zur Entwicklung von Biotopen bzw. Biozönosen in ein Naturschutzgebiet einbezogen werden. 3. Zur Zulässigkeit einzelner Verbote in einer Naturschutzgebiets- Verordnung.
BVerwG, Urteil vom5.2.2009 – 7 CN 1.08 – (OVG Berlin-Bbg.)
Aus den Gründen:
(19) II. 1. Das OVG ist ohne Verstoß gegen revisibles Recht zum Ergebnis gelangt, dass die Verordnung über das Naturschutzgebiet „St“ vom 15.11.2002 i.d.F. der Änderungsverordnung vom 25.9.2005 (NSG-VO) formell rechtmäßig ist.
(20) In Auslegung und Anwendung der die Ausfertigung von Rechtsnormen regelnden Bestimmung des Art. 81 Abs. 2 der Verfassung des Landes Brandenburg (BbgVerf ) und damit von irrevisiblem Landesrecht hat es angenommen, dass die Verordnung in ihrer ursprünglichen Fassung vom 15.11.2002 an einem Ausfertigungsmangel gelitten hatte.
(21) Seine Auffassung, der Ausfertigungsmangel habe durch eine Änderungsverordnung geheilt werden können, weil er nur zur Teilnichtigkeit der ursprünglichen Verordnung geführt habe, verletzt Bundesrecht nicht. Das OVG ist zu diesem Ergebnis in Auslegung von Art. 81 Abs. 2 BbgVerf und das Landesnaturschutzrechts gelangt. Die Frage, ob der Ausfertigungsmangel zur Gesamtnichtigkeit oder nur zur Teilnichtigkeit der ursprünglichen Verordnung geführt hat, beantwortet sich folglich grundsätzlich nach irrevisiblem Landesrecht; denn die allgemeinen Regeln über die Folgen fehlerhaften staatlichen Handelns gehören grundsätzlich dem Recht an, das fehlerhaft angewandt worden ist (vgl. Urteil vom 25.2.1981 – BVerwG 8 C 7.81 – Buchholz 406.11 § 132 BBauG Nr. 32; Beschluss vom 27.11.1981 – BVerwG 8 B 189.81 – Buchholz 406.11 § 131 BBauG Nr. 44).
(22) Das vom Normenkontrollgericht (NKG) gefundene Ergebnis ist mit dem Rechtsstaatsgebot (Art. 20 Abs. 3 GG) vereinbar. Dieses enthält keine in allen Einzelheiten bestimmten Gebote und Verbote für die Ausgestaltung von Normsetzungsverfahren. Es bedarf vielmehr der Konkretisierung je nach den sachlichen Gegebenheiten durch die zuständigen Organe. Dabei müssen fundamentale Elemente des Rechtsstaats und der Rechtsstaatlichkeit im Ganzen gewahrt bleiben, mithin ein rechtsstaatlich gebotener Mindeststandard (BVerfG, Beschluss vom 22.11.1983 – 2 BvL 25/81 – BVerfGE 65, 283 <290> = UPR 1984, 91 und BVerwG, Beschluss vom 16.5.1991 – BVerwG 4 NB 26.90 – BVerwGE 88, 204 <206 = UPR 1991, 381).
(23) Dies ist hier der Fall. Die Ausfertigung von Rechtsnormen ist rechtsstaatlich geboten, um sicherzustellen, dass diese nicht mit einem anderen als dem vom Normgeber gewollten Inhalt erlassen werden. Das Rechtsstaatsgebot verlangt die Identität der anzuwendenden Norm und ihres Inhalts mit dem vom Normgeber Beschlossenen („Identitätsfunktion“, „Beurkundungs- und Gewährleistungsfunktion“, vgl. Beschlüsse vom 16.5.1991 a.a.O. S. 208 f. und vom 27.1.1998 – BVerwG 4 NB 3.97 – Buchholz 406.12 § 1 BauNVO Nr. 24 = UPR 1998, 306). Diese Funktion der Ausfertigung erfordert es nicht, die Gesamtnichtigkeit einer Verordnung anzunehmen, wenn nur einzelne Bestimmungen fehlerhaft ausgefertigt wurden. Ob die ordnungsgemäß ausgefertigten Bestimmungen isoliert gelten sollen, ist vielmehr eine Frage der Teilbarkeit der Verordnung, die hier grundsätzlich nach irrevisiblem Landesrecht zu beantworten ist.
(24) Dabei ist allerdings auch der Bestimmtheitsgrundsatz, der sich ebenfalls aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) ergibt, zu beachten. Dies ist hier geschehen. Das OVG hat angenommen, dass sich aus den ordnungsgemäß ausgefertigten Bestimmungen der Verordnung zweifelsfrei ein durch die Verordnung geschütztes Gebiet entnehmen lässt. Für Bereiche, hinsichtlich derer es aufgrund des ordnungsgemäß ausgefertigten Teils der Verordnung zweifelhaft erscheine, ob sie zum Schutzgebiet gehörten, ergebe sich aus dem Naturschutzgesetz des Landes, dass sie nicht am Schutzstatus teilhätten.
(25) Weiter ist das NKG ohne Verletzung des Rechtsstaatsgebots zu dem Ergebnis gelangt, die danach mögliche Heilung des Ausfertigungsmangels sei durch die Änderungsverordnung vom 25.9.2005 auch tatsächlich erfolgt. Dass sich auf den einzelnen in der Anlage 3 in Bezug genommenen Karten kein Ausfertigungsvermerk des Ministers befindet, ist entgegen der Auffassung der Revision unbedenklich, weil auch ohne einen solchen nach den tatsächlichen Feststellungen des NKG jeder Zweifel an der Zugehörigkeit der Karten zur Verordnung ausgeschlossen und damit ein Art „gedankliche Schnur“ hergestellt wird (vgl. Urteil vom 31.1.2001 – BVerwG 6 CN 2.00 – BVerwGE 112, 373 <375 f.>).
(26) 2. Ebenfalls ohne Verstoß gegen Bundesrecht ist das OVG zu dem Ergebnis gelangt, dass die mit dem Normenkontrollantrag angegriffenen Vorschriften der Verordnung auch materiell rechtmäßig sind.
(27) Ermächtigungsgrundlage für die Verordnung sind Bestimmungen des Landesnaturschutzgesetzes. Diese stimmen in der Auslegung durch das OVG mit den rahmenrechtlichen Vorgaben des BNatSchG überein. Das NKG hat auch die Anforderungen, die sich aus dem Grundgesetz für naturschutzrechtliche Regelungen ergeben, beachtet. Dies gilt sowohl für die Einbeziehung der Grundstücke des Ast. in den Geltungsbereich der Verordnung (vgl. a), als auch für die einzelnen angegriffenen Bestimmungen (vgl. b).
(28) a) Nach Überzeugung des OVG wurden die Grundstücke der Ast. zu Recht in ein Naturschutzgebiet einbezogen. Dieses Ergebnis verletzt Bundesrecht nicht.
(29) Ermächtigungsgrundlage für die Verordnung sind § 19 Abs. 1 i.V.m. § 21 Abs. 1 Satz 1 und 2 BbgNatSchG. Die Auslegung dieser Vorschrift durch das NKG stimmt mit dem Bundesnaturschutzgesetz überein.
(30) Gemäß § 23 Abs. 1 BNatSchG sind Naturschutzgebiete rechtsverbindlich festgesetzte Gebiete, in denen ein besonderer Schutz von Natur und Landschaft aus den dort genannten Gründen erforderlich ist. Die Ausweisung eines Naturschutzgebietes kommt nur dort in Betracht, wo Natur und Landschaft in ihrer Ganzheit oder in einzelnen Teilen aus den in dieser Vorschrift genannten Gründen schutzwürdig sind und dieses Schutzes aufgrund der jeweiligen Gegebenheiten auch tatsächlich bedürfen. Ein Schutzbedürfnis besteht nicht erst dann, wenn die Schutzgüter, die die Ausweisung eines Naturschutzgebiets rechtfertigen, konkret gefährdet sind. Aus dem Tatbestandsmerkmal der Erforderlichkeit lässt sich nicht ableiten, dass nur solche Schutzmaßnahmen ergriffen werden dürfen, die zur Erreichung des Schutzzwecks unabweislich oder gar zwingend geboten erscheinen. Müsste die zuständige Behörde mit einer Unterschutzstellung so lange warten, bis ein Schaden unmittelbar droht oder bereits eingetreten ist, würde das mit § 23 Abs. 1 BNatSchG verfolgte Ziel häufig verfehlt. Schrankenfunktion hat das Tatbestandsmerkmal der Erforderlichkeit lediglich insofern, als der Gesetzgeber zum Ausdruck bringt, dass in den Fällen, in denen ein Gebiet besonders schutzwürdig und -bedürftig erscheint, eine Schutzausweisung nur dann in Betracht kommt, wenn sie vernünftigerweise geboten ist. Hierfür reicht schon die abstrakte Gefährdung der gesetzlichen Schutzgüter aus. Von einer solchen ist auszugehen, wenn ein Schadenseintritt ohne die vorgesehene Maßnahme nicht bloß als entfernte Möglichkeit in Betracht zu ziehen ist (st.Rspr., vgl. Beschluss vom 18.7.1997 – BVerwG 4 BN 5.97 – Buchholz 406.401 § 13 BNatSchG Nr. 3 m.w.N. = UPR 1998, 30).
(31) Es entspricht allgemeiner Erfahrung, dass die äußern Randzonen eines Schutzgebietes, wenngleich auch in ihnen die mit einer Schutzgebietsausweisung einhergehenden Verbote (§ 23 Abs. 2 Satz 1 BNatSchG) gelten, stärkeren Gefährdungen ausgesetzt sind als der innere Bereich. Der Schutzzweck einer zu erlassenden Verordnung kann es deshalb erfordern, in das Schutzgebiet eine Randzone einzubeziehen, deren Funktion es ist, das Schutzgebiet als „Pufferzone“ zu sichern (so bereits Beschluss vom 13.8.1996 – BVerwG 4 NB 4.96 – Buchholz 406.401 § 13 BNatSchG Nr. 2 zu der bis zum 3.4.2002 geltenden Fassung von § 13 BNatSchG = UPR 1997, 32). Mit der am 4.4.2002 – und damit vor dem Erlass der angegriffenen Verordnung – in Kraft getretenen Bestimmung des § 22 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 2 BNatSchG wird nunmehr ausdrücklich klargestellt, dass in ein Schutzgebiet auch die für den Schutz notwendige Umgebung einbezogen werden kann.
(32) Gemäß § 23 Abs.1 Nr. 1 BNatSchG in der seit dem 4.4.2002 geltenden Fassung gehört auch die Entwicklung von Biotopen oder Lebensgemeinschaften bestimmter wildlebender Tier- und Pflanzenarten zu den zulässigen Schutzzwecken eines Naturschutzgebietes. Für eine „Entwicklung“ im Sinne dieser Vorschrift kommen alle Flächen in Betracht, die sich nicht oder nicht im gewünschten Maß in einem schutzwürdigen Zustand befinden, sich aber dazu entwickeln bzw. dahin entwickelt werden können. Eine Verbesserung durch Entwicklung kann sowohl qualitativ (Zustandsverbesserung) als auch quantitativ (Flächenvergrößerung) erfolgen (vgl. Amtliche Begründung, BT-Drucks. 14/ 6378 S. 51). Naturschutzgebiete kommen auch zur Schaffung biogenetischer Reservate in Betracht (vgl. BT-Drucks. 14/ 6378 a.a.O.). Entwicklungsflächen können Flächen, die einen guten Erhaltungszustand von Biotopen und Biozönosen aufweisen, ergänzen. So kann eine Flächenvergrößerung erreicht werden mit dem Ziel, durch Schaffung ausreichend großer Areale die Erhaltung überlebensfähiger Populationen zu gewährleisten (vgl. Schumacher/Fischer-Hüftle, BNatSchG, 2003, § 23 Rn. 22).
(33) Zur Schaffung einer „Pufferzone“ oder zur „Entwicklung“ im Sinne des § 23 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG können auch intensiv landwirtschaftlich genutzte Flächen und naturferne Forste in eine Naturschutzgebiet einbezogen werden. Dem Verordnungsgeber steht dabei ein nicht unerheblicher Handlungsspielraum in Form eines Gestaltungsermessens zu, das in erster Linie durch eine dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verpflichtete Würdigung der gegenüberstehenden Interessen des Natur- und Landschaftsschutzes auf der einen und der Nutzungsinteressen der von Nutzungsbeschränkungen betroffenen Grundeigentümer auf der anderen Seite geprägt ist (vgl. Urteil vom 11.12.2003 – BVerwG 4 CN 10.02 – BVerwGE 119, 312 <315> = UPR 2004, 182).
(34) Davon ausgehend ist das OVG rechtsfehlerfrei zu dem Ergebnis gelangt, dass die Einbeziehung der Grundstücke der Ast. sowohl deshalb gerechtfertigt ist, weil sie – aufgrund seiner tatsächlichen Feststellungen – als „Pufferzone“ dienen als auch deshalb, weil die Entwicklung naturferner Forste zu an der potenziell natürlichen Vegetation ausgerichteten strukturreichen Mischwäldern zu den Schutzzwecken des Naturschutzgebietes zählt.
(35) b) Ebenfalls ohne Bundesrecht zu verletzen, hat das OVG die materielle Rechtmäßigkeit der einzelnen, von den Ast. angegriffenen Bestimmungen der Verordnung bejaht. Es hat die Anforderungen, die sich aus dem BNatSchG und dem Grundgesetz für einzelne Bestimmungen einer aufgrund landesrechtlicher Ermächtigung erlassenen Naturschutzgebietsverordnung ergeben, erkannt und im Einzelfall rechtsfehlerfrei beachtet.
(36) Regelungen, die die Nutzung von Grundstücken aus Gründen des Natur- uns Landschaftsschutzes beschränken, sind keine Enteignungen im Sinne des Art. 14 Abs. 3 GG, sondern Bestimmungen von Inhalt und Schranken des Eigentums im Sinne von Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG (st. Rspr., vgl. Urteil vom 24.6.1993 – BVerwG 7 C 26.92 – BVerwGE 94, 1 <3 f.> = UPR 1993, 384). Sie sind grundsätzlich Ausdruck der Situationsgebundenheit des Grundeigentums – hier der Belegenheit des Grundstücks in einem in naturschutzrechtlicher Hinsicht besonders schützenswertem und schutzbedürftigem Raum – und damit als Ausdruck der Sozialbindung des Eigentums hinzunehmen, denn aus der verfassungsrechtlichen Garantie des Grundeigentums lässt sich kein Anspruch auf Einräumung gerade derjenigen Nutzungsmöglichkeiten herleiten, die dem Eigentümer den größtmöglichen wirtschaftlichen Vorteil versprechen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 9.10.1991 – 1 BvR 227/91 – BVerfGE 84, 382 <385>). Dabei ist auch die Staatszielbestimmung des Art. 20a GG als objektive Wertentscheidung der Verfassung zu berücksichtigen. Gleichwohl unterliegt der Gesetzgeber bei der Inhaltsbestimmung im Sinne des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG verfassungsrechtlichen Schranken. Er hat insbesondere den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten. Unverhältnismäßig sind naturschutzrechtliche Nutzungsbeschränkungen vor allem dann, wenn nicht mehr genügend Raum für einen privatnützigen Gebrauch des Eigentums verbleibt oder wenn eine Nutzung, die bisher ausgeübt worden ist, oder sich nach Lage der Dinge objektiv anbietet, ohne jeglichen Ausgleich unterbunden wird (vgl. Beschlüsse vom 18.7.1997 a.a.O. und vom 17.1.2000 – BVerwG 6 BN 2.99 – Buchholz 11 Art. 3 GG Nr. 334).
(37) Welcher Regelungsmittel sich der Verordnungsgeber bedient, um die betroffenen Eigentümer vor unverhältnismäßigen Nutzungsbeschränkungen zu bewahren, bleibt seiner Entscheidung vorbehalten. In Betracht kommen u. a. Bestimmungen, die den Weg zur Erteilung einer Befreiung von Beschränkungen der Eigentümerbefugnisse eröffnen (vgl. Beschluss vom 18.7.1997 a.a.O.). Die Revision meint dagegen, repressive Verbote mit Befreiungsmöglichkeit seien in Naturschutzgebiets-Verordnungen regelmäßig unverhältnismäßig, weil präventive Verbote mit Erlaubnisvorbehalt ausreichten. Dies trifft nicht zu. In Naturschutzgebieten sind unter anderem alle Handlungen, die zu einer Beschädigung oder Veränderung des Naturschutzgebietes oder seiner Bestandteile führen können, nach Maßgabe der einzelnen Bestimmungen der Naturschutzgebietsverordnung verboten (§ 23 Abs. 2 Satz 1 BNatSchG). Erfordert der Schutzzweck danach ein Verbot, ist es regelmäßig sachgerecht, dieses als repressives Verbot auszugestalten und lediglich – wie hier geschehen – die Möglichkeit einer Befreiung von dem Verbot vorzusehen.
(38) Durch die angegriffenen Bestimmungen der Verordnung über das Naturschutzgebiet „St“ werden bisher ausgeübte Nutzungen nicht unterbunden, sondern nur beschränkt. Die ordnungsgemäße forstwirtschaftliche Bodennutzung (vgl. § 6 Abs. 1 Nr. 2 NSG-VO) und die rechtmäßige Ausübung der Jagd (vgl. § 6 Abs. 1 Nr. 5 NSG-VO) bleiben grundsätzlich zulässig. Deren Beschränkungen sind – wie das OVG für die einzelnen angegriffenen Bestimmungen rechtsfehlerfrei begründet hat – vom Naturschutzrecht gedeckt und verhältnismäßig:
(39) Im Rahmen der tatrichterlichen Sachverhalts- und Beweiswürdigung ist das Gericht zu dem Ergebnis gelangt, dass das Verbot, naturraumfremde oder nicht standortgerechte Baumarten einzubringen (§ 6 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a NSG-VO), zur Erreichung des Schutzzwecks, naturferne Forsten zu an der potentiell natürlichen Vegetation ausgerichteten Mischwäldern zu entwickeln (§ 3 Abs. 1 Nr. 6 NSG-VO), geeignet und erforderlich ist. Selbst wenn das Verbot auch den Anbau von Douglasien ausschließt, was das OVG ausdrücklich offen lässt, wird – wie es zutreffend ausführt – die forstwirtschaftliche Bodennutzung nicht unverhältnismäßig beschränkt. Vielmehr ist das Verbot auch im Hinblick auf den von den Ast. beim Anbau von Douglasien erhofften Ertragsgewinn nicht unzumutbar.
(40) Weiter hat das OVG die Rechtmäßigkeit des Verbots, Waldbestände auf sonstigen Moorflächen zu bewirtschaften (§ 6 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. d NSG-VO) rechtsfehlerfrei bejaht.Wie das Gericht im Einzelnen dargelegt hat, ist auch dieses Verbot zur Erreichung der Schutzzwecke der Verordnung geeignet und erforderlich und beschränkt schon deshalb die wirtschaftlichen Nutzungsmöglichkeiten der Eigentümer nicht unverhältnismäßig, weil auf Moorflächen ohnehin allenfalls geringe volkswirtschaftliche Erträge erwirtschaftet werden können. Das Verbot ist auch hinreichend bestimmt. In Auslegung des Landesrechts ist das OVG insoweit zu dem Ergebnis gelangt, dass sonstige Moorflächen alle Moorflächen mit Ausnahme der in § 6 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c NSG-VO genannten Erlenbruchwälder sind.
(41) Auch das Gebot der Belassung eines Totholzanteils (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. h der Verordnung) ist nach Überzeugung des OVG rechtmäßig. Dessen Urteil ist auch insoweit mit Bundesrecht vereinbar. Im Rahmen seiner tatrichterlichen Sachverhaltsund Beweiswürdigung ist das Gericht zum Ergebnis gelangt, dass dieses Gebot zur Erreichung der Schutzzwecke der Verordnung erforderlich ist. Auch hat es festgestellt, dass diese Bestimmung nur zu einem geringen Ernteverzicht führt. Davon ausgehend hat es deren Verhältnismäßigkeit zu Recht bejaht.
(42) Der Einwand der Revision, diese Regelung sei unbestimmt, weil nicht ersichtlich sei, ob sie sich nur auf Räume oder auch auf sonstige Gewächse beziehe, geht fehl. In Auslegung der landesrechtlichen Bestimmungen ist das OVG zu dem Ergebnis gelangt, dass sich die Regelung nur auf Bäume bezieht. Dies stimmt mit dem allgemeinen Sprachgebrauch überein. Im Biotop- und Artenschutz wird „Totholz“ allgemein als Sammelbegriff für abgestorbene Bäume oder deren Teile verwendet.
(43) Auf der Grundlage seiner tatsächlichen Feststellungen ist das OVG zu dem Ergebnis gelangt, dass auch das Verbot des Einsatzes von Pflanzenschutzmitteln jeder Art mit Ausnahme mechanischer Pflanzenschutzmaßnahmen (§ 6 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. i i. V.m. § 4 Abs. 2 Nr. 23 NSG-VO) zur Erreichung der Schutzzwecke der Verordnung erforderlich ist. Unverhältnismäßige Schäden für die Grundstückseigentümer sind aufgrund dieser Regelung nicht zu befürchten, weil – nach der Auslegung der landesrechtlichen Vorschriften durch das NKG – solche Schäden durch Erteilung einer Befreiung gemäß § 8 NSG-VO vermieden werden können.
(44) Schließlich hält das NKG die Untersagung der Jagd auf Wasservögel mit Ausnahme der Jagd auf Stockenten auf den Fließgewässern Döllnitz und Kleiner Rhin (§ 6 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a Doppelbuchst. cc der Verordnung) für rechtmäßig. Ein Verstoß gegen materielles Bundesrecht ist insoweit nicht in Betracht zu ziehen. Die Revision macht dies auch nicht geltend.