Praxisprobleme bei der Planfeststellung von Energiefreileitungen
Von Rechtsanwalt Dr. Gernot Schiller, Berlin
I. Einleitung
In den nächsten Jahren wird ein steigender Bedarf für den Neubau von Energieleitungen der Hoch- und Höchstspannungsebene (220 kV- und 380 kV-Verbindungen) prognostiziert. So geht die EU-Kommission davon aus, dass die derzeitigen Transportkapazitäten im europäischen Stromnetz für die geplante Intensivierung des Stromhandels und der stärkeren Nutzung erneuerbarer Energien nicht ausreichend sind. Die Bundesregierung hat sich dem in ihrem Integrierten Klimaprogramm vom August 2007 angeschlossen. In der sog. dena-Netzstudie I – einer von den privaten Energieunternehmen finanzierten Studie zur Netzintegration von Windenergie bis zum Jahr 2020 – wird davon ausgegangen, dass wegen der geplanten Erhöhung des Anteils der Erneuerbaren Energien an der Stromerzeugung in Deutschland bis zum Jahr 2020 auf 20% sechs neue Höchstspannungsübertragungsverbindungen bis zum Jahr 2015 gebaut werden müssen, um Engpässe in den bestehenden vier Regelzonen insbesondere beim Nord-Süd-Transport zu beheben bzw. zu vermeiden. Allein die bis zum Jahr 2020 zu erwartende zusätzliche offshore-Leistung der Windparks in der Nord- und Ostsee wird mit ca. 18 000 MW angegeben. In der laufenden und 2010 erscheinenden dena-Netzstudie II soll dann der Ausbaubedarf ab dem Jahr 2015 prognostiziert werden. Der Gesetzgeber hat hierauf bereits auf verschiedene Weise reagiert: Mit dem Gesetz zur Beschleunigung von Planungsverfahren für Infrastrukturvorhaben vom 9.12.2006 (sog. Infrastrukturbeschleunigungsgesetz) hat er den rechtlichen Rahmen für die Errichtung und den Betrieb von Energieleitungen z.T. grundlegend neu geregelt. Bislang bedurfte die Errichtung von Freileitungen lediglich einer Baugenehmigung, in deren Rahmen die energiewirtschaftliche Notwendigkeit der geplanten Leitung keine Rolle spielte. Sie wurde regelmäßig nur im Rahmen des Enteignungsverfahrens, das zur Erlangung der erforderlichen Grundstücksflächen durchgeführt werden musste (§ 12 EnWG 1998, § 11 EnWG 1935), geprüft, da die Enteignung nur zum Wohl der Allgemeinheit zulässig ist (Art. 14 Abs. 3 Satz 1 GG). §43 Satz 1 Nr.1 EnWG sieht nunmehr die Durchführung eines Planfeststellungsverfahrens vor, wenn die Freileitungen eine Nennspannung von 110 kV oder mehr haben. Für das Planfeststellungsverfahren gelten die §§ 72 bis 78 VwVfG mit in den §§ 43a bis 43e EnWG näher geregelten Maßgaben. Mit dem Gesetz zur Beschleunigung des Ausbaus der Höchstspannungsnetze vom 7.5.2009 (sog. Energieleitungsausbaugesetz – EnLAG) hat der Gesetzgeber ferner auf Anraten der Kommission weitere Straffungen in den Planungs- und Genehmigungsverfahren für Leitungsbauvorhaben eingeführt. Wichtigstes Detail ist die Festlegung eines gesetzlichen Bedarfsplans für vordringliche Leitungsbauvorhaben vergleichbar der Rechtslage bei Bundesfernstraßen und Schienenwegen. Für bestimmte Pilotvorhaben ist die Option einer Erdverkabelung vorgesehen, für die dann gleichfalls ein Planfeststellungsverfahren durchgeführt werden muss. Für Klagen gegen den ein vordringliches Leitungsbauvorhaben betreffenden Planfeststellungsbeschluss ist das Bundesverwaltungsgericht nunmehr erst- und letztinstanzlich zuständig (§ 50 Abs. 1 Nr. 6 VwGO).
II. Fragen des materiellen Rechts
Hinsichtlich des materiellen Prüfrahmens ergeben sich aus den Vorschriften des Energiewirtschaftsgesetzes keine näheren Vorgaben. Gemäß § 43 Satz 2 EnWG sind bei der Planfeststellung die von dem Vorhaben berührten öffentlichen und privaten Belange im Rahmen der Abwägung zu berücksichtigen. Insoweit unterscheidet sich die energiewirtschaftliche Planfeststellung nicht von der in anderen Fachgesetzen geregelten Planfeststellung (s. etwa §17 FStrG, §8 LuftVG, §14 WaStrG, §18 AEG). Es gelten daher auch hier die allgemeinen Grundsätze, wie sie für Fachplanungen von der Rechtsprechung entwickelt worden sind.
1. Planrechtfertigung
a) Allgemeines
Nach der ständigen fachplanungsrechtlichen Rechtsprechung bedarf die Durchführung eines planfeststellungspflichtigen Vorhabens der Planrechtfertigung. Dieses ungeschriebene Erfordernis leitet die Rechtsprechung aus dem Prinzip der Verhältnismäßigkeit und aus der Tatsache her, dass der Planfeststellungsbeschluss enteignungsgleiche Vorwirkung entfaltet (s. § 45 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Satz 1 EnWG) und demnach die Anforderungen des Art. 14 Abs. 3 Satz 1 GG bereits bei Erlass des Planfeststellungsbeschlusses vorliegen müssen. Allerdings sind die Anforderungen der Rechtsprechung an das Vorliegen der Planrechtfertigung relativ gering. Sie fehlt nur dann, wenn das Planvorhaben vernünftigerweise nicht geboten ist. Dabei handelt es sich um einen in der Rechtsprechung nur selten bejahten Ausnahmefall. Insbesondere ist dies dann der Fall, wenn das Planvorhaben nicht mit den Zielen des Fachplanungsgesetzes, hier des Energiewirtschaftsgesetzes, übereinstimmt.
Für die Errichtung und den Betrieb speziell von Hochspannungsleitungen hat die Rechtsprechung zur alten Rechtslage die energiewirtschaftliche Erforderlichkeit bejaht, wenn die Leitungen entweder eine vorhandene Versorgungslücke schließen sollen oder wenn sie der Versorgungssicherheit dienen. Eine Versorgungslücke besteht, wenn der Energiebedarf in einem Versorgungsraum gegenwärtig oder in absehbarer Zeit nicht ausreichend gedeckt werden kann. Besteht ein Energiebedarf, ist zu fragen, ob technische Alternativen der Bedarfsdeckung existieren, die das Leitungsvorhaben erübrigen. Die Versorgungssicherheit ist etwa gefährdet, wenn der Ausfall einer Stromleitung im Versorgungsraum nicht sicher beherrscht werden kann. Auch hier stellt sich die Frage, ob technische Alternativen zur Herstellung der Versorgungssicherheit ein Leitungsvorhaben überflüssig machen . Diese Rechtsprechung kann auch für die neue Rechtslage Geltung beanspruchen. §1 Abs.1 EnWG definiert als Zweck des Gesetzes eine möglichst sichere, preisgünstige, verbraucherfreundliche, effiziente und umweltverträgliche leitungsgebundene Versorgung der Allgemeinheit mit Elektrizität und Gas. Gemäß §11 Abs.1 Satz 1 EnWG sind die Betreiber von Energieversorgungsnetzen zudem verpflichtet, ein sicheres, zuverlässiges und leistungsfähiges Energieversorgungsnetz diskriminierungsfrei zu betreiben, zu warten und bedarfsgerecht auszubauen, soweit es wirtschaftlich zumutbar ist. Das Schließen einer Versorgungslücke oder die Gewährleistung der Versorgungssicherheit entsprechen demnach weiterhin den Zielen des Energiewirtschaftsgesetzes.
b) Vorhaben von gemeinsamem Interesse i. S. der Entscheidung Nr. 1364/2006/EG
Von Bedeutung für die Planrechtfertigung von Leitungsbauvorhaben können auch ihre Ausweisungen auf europäischer Ebene als Vorhaben von gemeinsamem Interesse bzw. als vorrangiges Vorhaben sein. In den TEN-E-Leitlinien werden für Deutschland neben Einzeltrassen auch allgemein etwa Verbindungen zu Offshore- und Onshore-Windkraftanlagen und der Ausbau des 380-kV-Netzes für die Anbindung von Offshore-Windkraftanlagen genannt. Gemäß Art. 6 Abs. 5 der Entscheidung Nr. 1364/ 2006/EG sind die deutschen Stellen verpflichtet, alle erforderlichen Maßnahmen zu treffen, um die Verwirklichung der Vorhaben von gemeinsamem Interesse zu erleichtern und zu beschleunigen. Für vorrangige Vorhaben bestimmt Art. 7 Abs. 2 der Entscheidung Nr. 1364/2006/EG, dass im Planfeststellungsverfahren der Umstand Berücksichtigung finden muss, dass durch die Vorhabensverwirklichung die europaweite Versorgungssicherheit gestärkt wird. Der Gesetzgeber hat mit der Schaffung des beschleunigten Verfahrens in § 43b EnWG ein besonderes öffentliches Interesse an der Realisierung dieser Vorhaben ausdrücklich anerkannt (s. noch unter III., 2). Vor diesem Hintergrund sprechen gute Gründe dafür, dass ein Gericht im Rahmen der Planrechtfertigung an die auf europäischer Ebene vorgenommene Beurteilung der Erforderlichkeit des Planvorhabens gebunden ist. Die Situation ist etwa vergleichbar mit der Lage bei gesetzlichen Bedarfsfestlegungen im Bereich der straßenrechtlichen und schienenwegerechtlichen Planfeststellungen (§ 1 Bundesschienenwegeausbaugesetz; § 1 FStrAbG). Hier betont die gefestigte Rechtsprechung des BVerwG die Verbindlichkeit der Festschreibung als verkehrspolitische Leitentscheidung. Leitlinien auf gemeinschaftsrechtlicher Ebene entfalten zwar grundsätzlich keine rechtliche Bindungswirkung für deutsche Stellen. Vorliegend ist allerdings eine Entscheidung ergangen, die für die Adressaten, hier die Mitgliedstaaten (Art. 18 der Entscheidung Nr. 1364/ 2006/EG), verbindlich ist (Art. 249 Abs. 4 EGV). Die Entscheidung über die energiewirtschaftliche Erforderlichkeit der erfassten Leitungsvorhaben ist demnach bereits auf gemeinschaftsrechtlicher Ebene entschieden worden. Sowohl die Planfeststellungsbehörde als auch die nationalen Gerichte sind hieran gebunden. Die notwendige Planrechtfertigung ergibt sich demnach bereits aus dieser Festlegung. Das BVerwG hat dies in diesem Sinne für die transeuropäischen Straßennetze entschieden, wenn gleich sich dort die Erforderlichkeit auch aus der Projektausweisung im Bundesverkehrswegeplan ergibt.
c) Vorhaben mit vordringlichem Bedarf i. S. der Anlage zum Energieleitungsausbaugesetz
Mit dem Erlass des Leitungsausbaugesetzes und dem dort festgelegten Bedarfsplan wird die energiewirtschaftliche Notwendigkeit für die dort genannten Leitungsbauvorhaben unwiderleglich vermutet. Gemäß § 1 Abs. 2 EnLAG entsprechen diese Vorhaben den Zielsetzungen des § 1 EnWG, ihre energiewirtschaftliche Notwendigkeit und ihr Bedarf stehen für die Planfeststellungsbehörde verbindlich fest. Insoweit gilt die o.g. Rechtsprechung des BVerwG zum Straßen- und Schienenrecht ohne Abstriche entsprechend. Allerdings hat der Gesetzgeber nicht alle Vorhaben von gemeinsamem Interesse i. S. der TEN-E-Leitlinien in den Bedarfsplan aufgenommen. Die Bedeutung der gemeinschaftsrechtlichen Ausweisung ist damit für die Mehrzahl der Vorhaben weiterhin aktuell.
d) Tragfähigkeit der Bedarfsprognose aa)
Für sonstige Leitungsvorhaben wird der Vorhabenträger regelmäßig eine Bedarfsprognose vorlegen müssen, um die energiewirtschaftliche Notwendigkeit nachweisen zu können. Insoweit ist zu beachten, dass es grundsätzlich Aufgabe des Vorhabenträgers ist, den Bedarf für das Planvorhaben im Einzelnen darzulegen. Nach der Rechtsprechung können Prognosen, die der Vorhabenträger im Rahmen der Planunterlagen vorlegt, gerichtlich nur eingeschränkt überprüft werden. Die Kontrolle erstreckt sich darauf, ob die Prognose auf der Grundlage fachwissenschaftlicher Maßstäbe methodengerecht erstellt wurde. Die Prognose ist nur dann fehlerhaft, wenn sie auf willkürlichen Annahmen oder offensichtlichen Unsicherheiten beruht, in sich widersprüchlich oder aus sonstigen Gründen nicht nachvollziehbar ist. Beruft sich der Vorhabenträger darauf, dass der Bedarf an Transportkapazität in den kommenden Jahren aufgrund steigender Einspeisemengen von Windenergie steigen wird, ist von der Planfeststellungsbehörde diese Prognose auf ihre Vertretbarkeit hin zu überprüfen. Hierbei wird sich regelmäßig die Frage stellen, welche Spitzenlast der insgesamt installierten Windleistung in das Netz anzulegen ist. Dies ist in erster Linie eine technische Frage und muss durch entsprechende Nachweise und Prognosen unterlegt werden. Der Vorhabenträger kann hierbei eine worst-case- Betrachtung zugrunde legen, solange die angenommene Spitzenlast nicht unrealistisch hoch ist.
Entgegen in der Literatur zum Teil vertretener Auffassungen ergeben sich nähere Vorgaben für die Annahme einer bestimmten Spitzenlast bei einem Ausbau der Transportkapazität zur Netzaufnahme von Windenergie nicht aus dem Gesetz für den Vorrang Erneuerbarer Energien (Erneuerbare-Energien-Gesetz – EEG) vom 21.7.2004. Gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 EEG sind Netzbetreiber verpflichtet, den gesamten aus Anlagen zur Erzeugung von erneuerbaren Energien angebotenen Strom vorrangig abzunehmen und zu übertragen. §4 Abs.2 Satz 1 EEG stellt diese Abnahmepflicht unter den Vorbehalt der technischen Eignung des Stromnetzes. Ein Netz gilt auch dann als technisch geeignet, wenn die Abnahme des Stroms erst durch einen wirtschaftlich zumutbaren Ausbau des Netzes möglich wird; in diesem Fall ist der Netzbetreiber auf Verlangen des Einspeisewilligen zum unverzüglichen Ausbau verpflichtet (§ 4 Abs. 2 Satz 2 EEG). Die Vorschrift enthält demnach eine Pflicht des Netzbetreibers zu einem Netzausbau, sofern ihm dieser wirtschaftlich zumutbar ist. Auf welche Weise der Ausbau erfolgt, regelt die Vorschrift nicht. So kann der Netzbetreiber sowohl das bestehende Stromnetz erneuern als auch das Netz durch neue Stromleitungen erweitern, um im Ergebnis die Aufnahme- und Transportkapazität des Stromnetzes zu erhöhen. Der Vorbehalt der wirtschaftlichen Zumutbarkeit regelt mit anderenWorten nicht, ob eine Ertüchtigung oder aber ein Neubau von Leitungen geboten ist. Dies steht allein im Ermessen des Netzbetreibers. Der Vorbehalt hat demnach allein die Funktion, die Ausbaupflicht des Netzbetreibers im Sinne einer Mindestverpflichtung zu begrenzen. Diese Begrenzung ist bereits aufgrund des verfassungsrechtlich verankerten Verhältnismäßigkeitsprinzips geboten. Für die Erforderlichkeit eines Leitungsneubaus und eine zwingende diesbezügliche Begrenzung durch den Gesetzgeber lassen sich dem Vorbehalt keine Anhaltspunkte entnehmen.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Vorschrift des § 13 Abs. 2 Satz 3 EEG. Danach kann der Netzbetreiber die auf ihn entfallenen notwendigen Kosten für den Ausbau des Stromnetzes bei der Ermittlung des Netznutzungsentgeltes in Ansatz bringen. Die für die Regulierung zuständige Bundesnetzagentur hat hierbei zu prüfen, ob die vom Netzbetreiber in Rechnung gestellten Kosten tatsächlich notwendig waren. Insoweit kann auch die Frage relevant werden, ob kostengünstigere Alternativen bestanden. Ist dies nach Auffassung der Bundesnetzagentur der Fall, sind diese Kosten nicht ausgleichspflichtig und müssen daher allein vom Netzbetreiber getragen werden. Es handelt sich demnach um eine Regelung, die allein die Kostenabwägung betrifft. Schon aus diesem Grunde enthält sie keine gesetzliche Begrenzung für Leitungsneubauten als solche und deren Planrechtfertigung.
Die Auslegung des Vorbehalts der wirtschaftlichen Zumutbarkeit als starre Beschränkung der Einspeisemenge würde im Übrigen auch den §§ 1 Abs. 2, 4 Abs. 1 EEG widersprechen. Die Auslegung führt nicht nur zu einer Relativierung der vorrangigen Abnahme- und Übertragungspflicht der Netzbetreiber in § 4 Abs. 1 Satz 1 EEG. Sie lässt sich auch nicht mit § 1 Abs. 2 EEG vereinbaren, nach dem der Anteil erneuerbarer Energien an der Stromversorgung auf mind. 12,5% bzw. 20% erhöht werden soll. Ein faktisches Wahlrecht für den Netzbetreiber zwischen Netzausbau und Leistung von Schadensersatz würde den Anteil gerade nicht erhöhen.
bb) Denkbare Unwägbarkeiten und Verzögerungen bei dem Ausbau der offshore-Windenergieanlagen dürften die Erforderlichkeit des Netzausbaus nicht durchgreifend in Frage stellen. Die Notwendigkeit eines Netzkapazitätsausbaus bleibt hiervon unberührt, sondern würde sich allenfalls zeitlich verzögern. Die Planrechtfertigung für das Planvorhaben würde nur dann entfallen, wenn es sich um eine verfrühte bzw. unzulässige Vorratsplanung handelte. Die Rechtsprechung prüft dies regelmäßig an den 10- Jahresfristen, die in den Fachplanungsgesetzen (hier § 43c Nr. 1 EnWG) für das Außerkrafttreten des Planfeststellungsbeschlusses vorgesehen sind. Eine Vorratsplanung liegt nur vor, wenn mit dem Beginn der Durchführung des Vorhabens nicht innerhalb der Frist begonnen werden soll. Angesichts der langen Dauer der Planverfahren und ggf. von Gerichtsverfahren wird eine solche Vorratsplanung regelmäßig nicht nachzuweisen sein.
cc) Ähnlich sind aus rechtlicher Sicht bestehende Überlegungen zur Einführung eines vollständig neuen Höchstleitungsnetzes (sog. offshore-Overlaynetz) zu bewerten. Dies wäre für die Planrechtfertigung nur dann beachtlich, wenn sich der Aufbau großer Windenergie-Erzeugungsleistungen vor den Küsten derart verzögern würde, dass selbst für eine Übergangszeit die Erhöhung der Transportkapazität des 380 kV-Leitungsnetzes nicht erforderlich wäre, sondern vielmehr sofort ein europäisches offshore-Overlaynetz installiert werden müsste. Solche Überlegungen stehen aber erst ganz am Anfang und sind Zukunftsperspektiven, die die Erforderlichkeit einer – zumindest – zwischenzeitlichen Erhöhung der Transportkapazität durch die geplanten Maßnahmen nicht durchgreifend in Frage stellen.
dd) Mögliche Abstriche an die Versorgungssicherheit beim Abtransport von Windenergie durch sog. vermaschte Systeme (Verlegung zusätzlicher Leitungen in ein Ringnetz zur Absicherung gegen Leitungsausfälle) stellen die Planrechtfertigung ebenfalls nicht in Frage. Gemäß § 1 Abs. 1 EnWG ist der Zweck des Energiewirtschaftsgesetzes u. a. eine möglichst sichere Versorgung der Allgemeinheit mit Elektrizität. Das Gesetz differenziert nicht zwischen verschiedenen Stromarten und den hierfür erforderlichen Energieleitungen und Netzen. Reduzierungen des Sicherheitsstandards sind daher von vornherein nur dann möglich, wenn die Versorgungssicherheit technisch weiterhin gewährleistet ist. In der Praxis wird als anerkannter Stand der Technik das sog. (n-1)-Sicherheitskriterium angewandt, das auch durch die Gerichte anerkannt ist. Ein Abgehen von dem (n-1)-Kriterium dürfte schon wegen § 49 Abs. 1 EnWG nicht möglich sein.
ee) Die Erforderlichkeit der geplanten Dimensionierung eines Leitungsbauvorhabens (2- oder 4-Systeme) betrifft nicht die Erforderlichkeit des Planvorhabens, sondern die konkrete Dimensionierung und damit eine Frage der planerischen Abwägung. Die Dimensionierung des Leitungsvorhabens muss grundsätzlich dem prognostizierten Bedarf entsprechen. Dabei hat der Vorhabenträger auch im Sinne des Vorsorgeprinzips zu berücksichtigen, dass ein weiterer Ausbau in wenigen Jahren, evtl. auf weiteren Trassen, vermieden werden sollte. Sofern daher absehbar ist, dass die bei der Planung zugrunde gelegte Kapazität in Zukunft zur Verfügung stehen muss, begegnet die Dimensionierung keinen durchgreifenden Bedenken. Hierbei können auch zusätzliche Übertragungskapazitäten durch die Schaffung neuer Umspannwerke etc. berücksichtigt werden. Grundlage hierfür ist die Bedarfsprognose des Übertragungsnetzbetreibers. Dies muss in den Planunterlagen hinreichend technisch erläutert werden.
2. Schutz vor unzumutbaren Immissionen
Der Schutz vor unzumutbaren Immissionen für die in der näheren Umgebung der Leitungstrasse wohnenden Menschen wird bei Leitungsbauvorhaben regelmäßig in zweifacher Weise relevant:
a) Zum einen können bei Energiefreileitungen – insbesondere bei nasser Witterung – Entladungsgeräusche (sog. Coronageräusche) auftreten. Insbesondere in Kombination mit ungünstigen Windverhältnissen dürften solche Geräusche nicht mehr als geringfügig anzusehen sein, so dass sie grundsätzlich abwägungserheblich sind . Für die Bewertung solcher Geräusche findet grundsätzlich das Regelwerk der TA Lärm Anwendung. Regelmäßig werden allerdings die in Ziffer 6.1 TA Lärm genannten Immissionsrichtwerte – auch unter Berücksichtigung der Ausnahmen für seltene Ereignisse (Ziffern 6.3 und 7.2 TA Lärm) – nicht überschritten werden. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass schon bei der Festlegung der Grobtrassierung im Raumordnungsverfahren Berücksichtigung findet, dass ein ausreichend großer Mindestabstand zur nächstgelegenen Wohnbevölkerung (meist mehr als 100 m) besteht. Ferner verlaufen Energiefreileitungen überwiegend im Außenbereich (§ 35 BauGB), so dass nach der Rechtsprechung die Schutzwürdigkeit relevanter Immissionsorte ohnehin gemindert ist. Für Wohngebäude im Außenbereich hält die gefestigte Rechtsprechung die Lärmimmissionen dann für zumutbar, wenn der Immissionsrichtwert für Dorf- und Mischgebiete (tags 60 dB[A]/nachts 45 dB[A]) eingehalten ist. Befinden sich die Wohngebäude in einem im Zusammenhang bebauten Ortsteil und damit im bauplanungsrechtlichen Innenbereich (§§ 30, 34 BauGB), ist nach der Rechtsprechung die Zumutbarkeitsschwelle ebenfalls reduziert, so dass die Betroffenen nicht die Einhaltung der Immissionsrichtwerte eines reinen oder allgemeinen Wohngebiets verlangen können. Vielmehr sind dann Zwischenwerte zu bilden, deren äußerste Grenze wiederum die Immissionsrichtwerte für Dorf- und Mischgebiete darstellen.
b) Aus immissionsschutzrechtlicher Sicht relevant sind weiter die von Energiefreileitungen ausgehenden elektromagnetischen Felder. Anders als bei den vielfach umstrittenen Mobilfunkanlagen handelt es sich bei Hochspannungsnetzen um Niederfrequenzanlagen. Der Verordnungsgeber hat mit der Verordnung über elektromagnetische Felder vom 16.12.1996 (26. BImSchV) hierfür ein verbindliches Regelwerk geschaffen, bei dessen Beachtung und Einhaltung der dort geregelten Grenzwerte für die elektrische Feldstärkung und die magnetische Flussdichte schädliche Umweltauswirkungen i. S. von § 3 Abs. 1 BImSchG nicht zu befürchten sind. Regelmäßig werden die in Anhang 2 zur 26. BImSchV für Niederfrequenzanlagen festgelegten Grenzwerte bei Weitem nicht erreicht. Von Einwenderseite wird daher häufig vorgetragen, dass die in der 26. BImSchV festgelegten Grenzwerte überholt seien. In der fachplanungsrechtlichen Rechtsprechung hat dieser Einwand bislang keinen Widerhall gefunden. Das BVerfG hat die Grenzwerte verfassungsrechtlich nicht beanstandet, da nicht erkennbar sei, dass sie die menschliche Gesundheit völlig unzureichend schützten. Es sei vielmehr Sache des Verordnungsgebers, den Erkenntnisfortschritt der Wissenschaft mit geeigneten Mitteln nach allen Seiten zu beobachten und zu bewerten. Eine Verletzung der Nachbesserungspflicht könne derzeit nicht festgestellt werden, da nicht evident sei, dass eine ursprünglich rechtmäßige Regelung zum Schutz der Gesundheit auf Grund neuer Kenntnisse oder einer veränderten Situation verfassungsrechtlich untragbar sei . Die Strahlenschutzkommission ist erst jüngst zu der Erkenntnis gekommen, dass auch nach Auswertung der neueren wissenschaftlichen Literatur keine wissenschaftlichen Erkenntnisse im Hinblick auf mögliche Beeinträchtigungen der Gesundheit durch niederfrequente elektrische und magnetische Felder vorliegen, die ausreichend belastungsfähig wären, um eine Veränderung der bestehenden Grenzwertregelung der 26. BImSchV zu rechtfertigen. Entsprechendes gelte für verringerte Vorsorgewerte.
3. Eingriffsregelung (§ 18 ff. BNatSchG)
a) Die Errichtung von Energiefreileitungen ist regelmäßig mit einem Eingriff in Natur und Landschaft i. S. von § 18 Abs. 1 BNatSchG verbunden. Dies gilt sowohl im Hinblick auf die Errichtung der notwendigen Trägermasten als auch im Hinblick auf die Beeinträchtigung des Landschaftsbildes durch die Masten sowie die Trägerseile. Teilweise haben die Länder dies auch ausdrücklich gesetzlich bestimmt (s. etwa § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 NatSchG BW, § 9 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 lit. e) HmbNatSchG, § 14 Abs. 2 Nr. 13 LNatG M-V). Solche unvermeidbaren Eingriffe sind vorrangig durch geeignete Ausgleichs- oder Ersatzmaßnahmen im Naturraum zu kompensieren. Für den unwahrscheinlichen Fall, dass dies nicht möglich ist, bedarf es einer Abwägung zwischen den Interessen, die mit der Verwirklichung des Freileitungsvorhabens verbunden sind, und den Naturschutzinteressen. Die meisten Länder sehen ferner die Möglichkeit der Zahlung eines Ersatzgeldes vor. Das Bundesnaturschutzgesetz und die Naturschutzgesetze der Länder enthalten für das von der Planfeststellungsbehörde zugrunde gelegte Kompensationskonzept keine näheren Vorgaben. Die Rechtsprechung verlangt insoweit lediglich ein fachlich vertretbares und insbesondere nachvollziehbares Modell . Für den bei Freileitungen regelmäßig im Vordergrund stehenden Ausgleich für Beeinträchtigungen des Landschaftsbildes hat etwa Nohl einModell entwickelt, das speziell die Eigenart mastenartiger Eingriffe und deren Fernwirkungen bewertet. Hierzu werden zwei bzw. drei visuelle Wirkzonen um die Maststandorte gebildet, sodann für die gebildeten ästhetischen Raumeinheiten die erheblichen Beeinträchtigungen und der Kompensationsumfang mit Hilfe eines Kompensationsflächenfaktors ermittelt.
b) Relevant wird beim Freileitungsbau regelmäßig auch die Frage, ob nach dem Bundeswaldgesetz bzw. den Forstgesetzen der Länder daneben eine Waldumwandlungsgenehmigung mit der Folge einer forstwirtschaftlichen Kompensation erforderlich ist. Die Umwandlungsgenehmigung wird von der Konzentrationswirkung des Planfeststellungsbeschlusses (§ 43 Satz 5 VwVfG i.V. m. §75 Abs.1 Satz 1 2. Halbs. VwVfG) umfasst, so dass die Planfeststellungsbehörde lediglich zu prüfen hat, ob die materiellen Voraussetzungen für die Waldumwandlung gegeben sind. Gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 BWaldG und den entsprechenden Landesvorschriften darf Wald nur mit der Genehmigung der nach Landesrecht zuständigen Behörde gerodet und in eine andere Nutzungsart umgewandelt werden. Die Genehmigung soll versagt werden, wenn die Erhaltung des Waldes überwiegend im öffentlichen Interesse liegt (§ 9 Abs. 1 Satz 3 BWaldG). Die Forstgesetze der Länder sehen zumeist ergänzend vor, dass die nachteiligen Wirkungen der Umwandlung durch Erstaufforstungen anderer Grundstücke oder durch Zahlung einer Walderhaltungsabgabe auszugleichen sind. Oftmals im Streit steht hier die Frage, in welchem Umfang eine Waldumwandlung erfolgt. Dass eine solche Umwandlung für die Maststandorte gegeben ist, dürfte unstreitig sein. Schwieriger zu beurteilen ist die Frage, ob dies auch für den Bereich gilt, in dem nach den einschlägigen technischen Regelwerken Wuchshöhenbeschränkungen für Gehölzpflanzen (sog. Sicherungsstreifen) bestehen. Dieser Bereich muss zumeist nicht zwingend gerodet werden, sondern die vorhandenen Stockpflanzen dürfen lediglich eine bestimmte Mindesthöhe nicht überschreiten und müssen daher regelmäßig gestutzt werden. Die Frage ist in der Rechtsprechung bislang noch nicht hinreichend geklärt. Die besseren Gründe sprechen dafür, eine Waldumwandlung für den Sicherungsstreifen zu verneinen. Die Nutzungsart Wald bleibt trotz der Wuchshöhenbeschränkungen aufrechterhalten. Gemäß § 2 Abs. 1 BWaldG ist Wald jede mit Forstpflanzung bestockte Grundfläche. Dass die Bäume bzw. Sträucher im Bereich des Sicherungsstreifens nicht den gleichen forstwirtschaftlichen Ertrag bringen wie sonstige Forstpflanzen, ist unbeachtlich, solange die Funktion des Waldes erhalten bleibt. Zur Vermeidung der schwierigen Abgrenzungsfragen haben die Länder teilweise in ihren Forstgesetzen geregelt, dass die Errichtung von Freileitungen keiner Waldumwandlung bedarf (so etwa § 9 Abs. 7 Satz 1 LWaldG BW, §8 Abs.8 Satz 1 SächsWaldG).
c) Unabhängig davon ist das Verhältnis der naturschutzrechtlichen Regelung zur forstwirtschaftlichen Kompensation in Folge einerWaldumwandlung zumeist in den Ländern ungeregelt. Soweit die Länder nicht ausdrücklich eine Anrechnung der einen Kompensationsverpflichtung auf die andere geregelt haben (s. etwa § 4a Abs.8 LG NRW, §9 Abs.2 Satz 1 LWaldG SH), wird sich dieses Ergebnis im Wege der Auslegung ergeben. Im Ergebnis dürfte unbestritten sein, dass für die Verwirklichung des Freileitungsvorhabens kein doppelter Kompensationsaufwand zu veranschlagen ist. Vielmehr findet eine wechselseitige Verrechnung statt. Die Rechtsprechung neigt insoweit zu einem Vorrang der forstwirtschaftlichen Kompensation und greift auf die naturschutzrechtliche Eingriffsregelung nur bei weitergehenden Regelungen (z. B. bei Eingriffen in im Wald gelegene Biotope) zurück.
4. Beeinträchtigung von Natura-2000-Gebieten
Auf Grund der Errichtung von Energiefreileitungen im Außenbereich ist es oftmals vermeidbar, dass die Trasse in der Nähe von Natura-2000-Gebieten verläuft bzw. diese durchkreuzt. Hier stellt sich dann die Frage, unter welchen Voraussetzungen eine erhebliche Beeinträchtigung i. S. von § 34 Abs. 1 BNatSchG vorliegt. In aller Regel wird es zu vermeiden sein, dass Maststandorte unmittelbar in den Natura-2000-Gebieten errichtet werden. Ein direkter Flächenverlust ist daher nicht zu befürchten. Allerdings können auch mittelbare Beeinträchtigungen erheblich sein mit der Folge, dass eine Abweichungsprüfung i. S. von § 34 Abs. 3 BNatSchG erforderlich wird. Dies kommt etwa dann in Betracht, wenn ein geschütztes Vogelschutzgebiet vorliegt und nicht ausgeschlossen werden kann, dass die Vögel etwa durch Kollisionen mit den Trägerseilen sterben. Entsprechendes kann für charakteristische Arten eines Lebensraumtypus im FFH-Gebiet gelten. Diese Folgewirkungen eines Freileitungsvorhabens müssen im Rahmen der Verträglichkeitsprüfung sorgfältig unter Berücksichtigung der besten wissenschaftlichen Erkenntnisse untersucht werden. Solange nicht ausgeschlossen werden kann, dass geschützte Vögel in hoher Anzahl mit der Freileitung kollidieren, wird man das vom BVerwG geforderte Fehlen vernünftiger Zweifel an der Wirksamkeit des Schutzkonzepts verneinen und erhebliche Beeinträchtigungen bejahen müssen. Dies bedeutet allerdings nicht, dass das Freileitungsvorhaben unzulässig ist. Gemäß § 34 Abs. 3 BNatSchG kann die Planfeststellungsbehörde durch eine Abweichungsentscheidung das Vorhaben gleichwohl zulassen. Hierfür ist erforderlich, dass zwingende Gründe des überwiegenden öffentlichen Interesses für das Vorhaben sprechen und keine zumutbaren Alternativen vorliegen. Die Errichtung einer Freileitung zur Schließung einer Versorgungslücke oder zur Sicherung der Energieversorgung dient der Daseinsvorsorge und damit zugleich sozialen und wirtschaftlichen Interessen. In der notwendigen Abwägung mit dem Integritätsinteresse des FFH-Gebiets ist auch zu berücksichtigen, dass es sich bei dem Freileitungsvorhaben um ein vorrangiges Vorhaben von gemeinsamem Interesse i. S. der Entscheidung Nr. 1364/2006/EG handelt. Als zumutbare Variante scheiden die sog. Nullvariante und die Erdverkabelung aufgrund ihrer zumeist weitergehenden Belastungen für das FFH-Gebiet und den deutlichen finanziellen Mehrkosten (s. näher unter e), bb)) aus.
5. Artenschutz
Der Bau von Energiefreileitungen wirft in aller Regel auch die Frage auf, ob artenschutzrechtliche Verbote gemäß § 42 BNatSchG erfüllt werden. Hier wird etwa die Frage relevant, ob ein Kollisionsrisiko von Vögeln (z. B. Kraniche, Störche, Wildgänse, Greifvögel, Eulen) besteht und damit das Tötungsverbot des § 42 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG erfüllt wird. Für Fledermäuse wird ein Kollisionsrisiko regelmäßig schon aufgrund deren Ultraschallortung ausgeschlossen sein. Das BVerwG hat jüngst für den Straßenbau entschieden, dass eine Verletzung des Tötungsverbots nur dann gegeben ist, wenn das Kollisionsrisiko im Straßenverkehr für die geschützten Tiere unter Berücksichtigung der vorgesehenen Schadensvermeidungsmaßnahmen signifikant erhöht wird. Andernfalls würde das Tötungsverbot zu einem unverhältnismäßigen Planungshindernis führen. Eine solche Risikoerhöhung wird etwa bei einer bereits bestehenden Freileitung ausgeschlossen sein, da hier ein zusätzlicher Barriereeffekt durch die Masten und die Leitungsseile nicht auftritt. Für Freileitungen kommt im Übrigen als Schadensvermeidungsmaßnahme die Anbringung sog. Vogelmarker an den Erdseilen in sensiblen Abschnitten (z. B. Rastgebiete, Gewässer; Vogelzuggebiete) in Betracht, die nach gesicherten naturschutzfachlichen Erkenntnissen zu einer deutlichen Reduzierung des Anflugrisikos für gefähr dete Vogelarten (bis zu 90%) führt und damit dem Bereich des allgemeinen Lebensrisikos zuzuordnen ist. Für die Errichtung von Mittelspannungsleitungen (10–60 kV-Leitungen) bestimmt § 53 Satz 1 BNatSchG ferner, dass die Masten und technischen Bauteile so konstruktiv ausgeführt werden müssen, dass Vögel gegen Stromschlag geschützt sind. Die technischen Einzelheiten ergeben sich aus der DIN-EN 50 341. Für Hoch- und Höchstspannungsmasten gilt die Norm nicht unmittelbar. Aufgrund einer abweichenden Konstruktion (größere Abstände zwischen stromführenden Leitungen und geerdeten Bauteilen; Länge der Isolatoren) ist die Gefahr eines Stromschlags für die Vögel hier gering. Die Kollisionsgefahr geht hier allein vom Erdseil aus. In der Bauphase (Errichtung der Trägermasten und Einrichtung des Schutzstreifens) kann es je nach Einzelfall zu einem Verlust von Fortpflanzungs- und Ruhestätten bzw. zu einer Störung von besonders geschützten Arten kommen (§ 42 Abs. 1 Nr. 2 und 3 BNatSchG). Eine erhebliche Störung i. S. einer Verschlechterung der lokalen Population kann etwa durch Bauzeitbeschränkungen während der Brutzeit und eine ökologische Baubegleitung vermieden werden. Ein Verlust von Fortpflanzungs- und Ruhestätten ist überdies nur relevant, wenn die ökologische Funktion im räumlichen Zusammenhang nicht mehr gewährleistet wäre (§ 42 Abs. 5 Satz 2 BNatSchG). Oftmals wird die Möglichkeit bestehen, etwa geeignete Höhlenbäume im Schutzstreifen oberhalb der Höhlen zu stutzen. Hierbei handelt es sich um eine vorgezogene Ausgleichsmaßnahme i. S. von §42 Abs. 5 Satz 3 BNatSchG.
6. Alternativenprüfung
a) Allgemeines
Die Alternativenprüfung ist Bestandteil der planerischen Abwägung. Nach der Rechtsprechung müssen alle ernsthaft in Betracht kommenden Alternativen ermittelt, bewertet und untereinander abgewogen werden. Die Alternativenwahl ist jedoch erst dann rechtswidrig, wenn sich die verworfene Alternative entweder als die eindeutig vorzugswürdige Lösung hätte aufdrängen müssen oder wenn der Planfeststellungsbehörde infolge einer fehlerhaften Ermittlung, Bewertung oder Gewichtung einzelner Belange ein rechtserheblicher Fehler unterlaufen ist. Die Bewertung der privaten und öffentlichen Belange und ihre Gewichtung im Verhältnis untereinander macht das Wesen der Planung als eine im Kern politische Entscheidung aus, die gerichtlich nur auf die Einhaltung rechtlicher Schranken überprüfbar ist. Fälle, in denen eine Planfeststellung wegen einer unzureichenden Alternativenprüfung gerichtlicherseits aufgehoben wurde, sind selten. Die Rechtsprechung betont stets, hierfür reiche es nicht aus, wenn man über die planfestgestellte Lösung so oder anders denken könne oder wenn auch eine andere Lösung in Betracht gekommen und gleichfalls planfeststellungsfähig gewesen wäre. Der planerische Gestaltungsspielraum ist nach der Rechtsprechung vielmehr erst dann überschritten, wenn die planfestgestellte Lösung bei objektiver Betrachtung im Vergleich zu anderen planfeststellungsfähigen Lösungsmöglichkeiten schlicht unvertretbar ist.
b) Alternative Erdkabel
Als vorzugswürdige Alternative zu Freileitungen wird in Planfeststellungsverfahren von Einwenderseite immer wieder eine Erdkabellösung genannt. Die Vorteile scheinen auf der Hand zu liegen, da ein solches Erdkabel unter der Erdoberfläche verläuft und damit das Landschaftsbild nicht beeinträchtigt wird. Zudem wird die von einem Erdkabel ausgehende Strahlung von der Bevölkerung offenkundig nicht als vergleichbar bedrohlich empfunden wie bei einer Freileitung. Gegen eine Erdkabellösung sprechen gleichwohl aus heutiger Sicht mehrere Gründe: Die Verlegung eines Erdkabels führt zunächst zu deutlich höheren Kosten als die Errichtung einer Freileitung. Dies ergibt sich daraus, dass die Verlegung des Erdkabels deutlich aufwendiger ist. Zudem sind die Unterhaltungskosten deutlich höher. Nach Auffassung der Bundesnetzagentur können diese Mehrkosten vom Netzbetreiber auch nicht auf die Nutzer umgelegt werden, so dass die Mehrkosten vom Vorhabenträger zu tragen sind. Im Falle von Leitungsausfällen, die aufgrund einer höheren Störanfälligkeit durchaus relevant sind, fällt das Erdkabel über einen deutlich längeren Zeitraum aus. Die Lebensdauer von Erdkabeln ist mit 20 Jahren zudem geringer als bei Freileitungen. Auch aus umweltrechtlicher Sicht fällt die Bilanz nicht eindeutig für das Erdkabel aus. Den unbestritten geringeren Beeinträchtigungen des Landschaftsbildes steht ein deutlich weitergehender Eingriff in die Natur während der Bauphase gegenüber. Die Trasse ist mit bis zu 30 m deutlich größer, da für Wartungsarbeiten ein separater Schacht errichtet werden muss. Zudem erwärmt sich über dem verlegten Erdkabel der Boden stark an, so dass die Bodenfeuchtigkeit abnimmt und sich die Vegetation vollständig verändert (z. B. Austrocknung von Mooren). Die Durchquerung von FFH-Gebieten ist aufgrund des Flächenverlustes als regelmäßig erheblich anzusehen mit der Folge der zwingenden Notwendigkeit einer Abweichungsentscheidung nach § 34 Abs. 3 BNatSchG (wobei dann zu prüfen wäre, ob die Freileitung nicht aus FFH-rechtlicher Sicht die zumutbare und damit zwingend vorzuziehende Alternative ist). Aus technischer Sicht ist die Errichtung von sog. Muffenbauwerken in Abständen von 500 bis 700 m notwendig, die gleichsam das Landschaftsbild zu beeinträchtigen vermögen. Hinzu kommt, dass ein Erdkabel über lange Strecken jedenfalls für die Hochspannungsebene nicht dem derzeitigen anerkannten Stand der Technik entspricht. Ein solches Erdkabel existiert derzeit nur in Berlin; belastbare Langzeiterfahrungen hierzu fehlen bislang. Das Erdkabel kommt als Alternative – wenn überhaupt – demnach von vornherein allenfalls in besonderen Situationen in Betracht (z. B. aus naturschutzfachlicher Sicht besonders schutzwürdige Gegenden, die durch eine Freileitung unwiderbringlich zerstört würden). Dann sind auch die z.T. bestehenden technischen Schwierigkeiten zu beachten, die bei einem Wechsel zwischen Freileitung und Erdkabel auftreten (z. B. erhöhte Spannungsverluste). Das Erdkabel wird sich daher in den seltensten Fällen als eindeutig vorzugswürdige Lösung der Planfeststellungsbehörde aufdrängen müssen. In der Rechtsprechung ist die Entscheidung des Vorhabenträgers für eine Freileitung und gegen ein Erdkabel bislang allein schon wegen der deutlich höheren Kosten nicht beanstandet worden.
Von Betroffenenseite wird gegen Energiefreileitungen oftmals eingewandt, die vom Vorhabenträger vorgenommene Alternativenprüfung sei unzureichend, da keine Kosten-Nutzen-Analyse unter Einbeziehung der sozialen bzw. externen Kosten erfolgt sei. Als solche sozialen Kosten werden namentlich die Verzögerungskosten angesehen, die aufgrund des Widerstands in der Bevölkerung und der zumeist angestrengten Klageverfahren gegen Freileitungen gegenüber einem Erdkabel entständen. Eine solche Pflicht ergibt sich weder aus nationalem Recht noch aus Gemeinschaftsrecht.
§ 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 UVPG begründet in diesem Zusammenhang nach der Rechtsprechung keine Pflichten zur Prüfung von Vorhabenalternativen oder anderweitigen Lösungsmöglichkeiten. Maßgeblich ist insoweit allein das Fachrecht. Daneben enthalten die Vorschriften des UVPG auch keine Verpflichtung, soziale Vermeidungskosten in einen etwaigen Kostenvergleich einzubeziehen. Ein solches Erfordernis ergibt sich auch nicht aus dem Fachplanungsrecht. Es ist nicht abwägungsfehlerhaft, wenn eine Planfeststellungsbehörde ihre Entscheidung auf der Grundlage eines Kostenvergleichs trifft, der „soziale Vermeidungskosten“ (Dauer von Rechtschutzverfahren etc.) unberücksichtigt lässt. Die wirtschaftliche Tragfähigkeit des Planvorhabens ist vielmehr in erster Linie eine Frage, die der Vorhabenträger zu beantworten hat und die sich einer Einschätzung durch die Planfeststellungsbehörde entzieht. Es ist im Übrigen auch nicht ersichtlich, wie etwa Widerstände der Bevölkerung gegen eine bestimmte Trassenalternative monetarisiert werden können, um sie so den tatsächlichen Kosten des Vorhabens gegenüberzustellen. Auch das Gemeinschaftsrecht erfordert nicht zwingend eine solche Kosten-Nutzen-Analyse. Art. 6 Abs. 1 der Entscheidung Nr. 1364/2006/EG fordert für die Prüfung der wirtschaftlichen Tragfähigkeit zwar eine umfassende Kosten-Nutzen- Analyse, die alle Kosten und Nutzeffekte, insbesondere die mittelund/ oder langfristigen und solche, die mit Umweltaspekten, der Versorgungssicherheit und dem Beitrag zum wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalt zusammenhängen, erfasst. Hieraus folgt aber nicht die Notwendigkeit einer solch umfassenden Kosten- Nutzen-Analyse im Fachplanungsrecht. Die Entscheidung Nr. 1364/2006/EG regelt lediglich die Voraussetzungen, unter denen bestimmte Projekte der Energieinfrastruktur zu einem Vorhaben von gemeinsamem Interesse bestimmt werden können, die dann vorrangig durch die Mitgliedstaaten zu verwirklichen sind.
Mit § 2 Abs. 1 und 2 EnLAG hat der Gesetzgeber die Einwände in der Öffentlichkeit aufgegriffen und den Einsatz von Erdkabel für vier Pilotprojekte zugelassen, um die Technik zu testen. Voraussetzung ist, dass ein Mindestabstand zu Wohngebäuden (400m im Innenbereich/200m im Außenbereich) eingehalten wird. Die Mehrkosten werden auf alle Übertragungsnetzbetreiber umgelegt (§ 2 Abs. 4 Satz 3 EnLAG). §2 EnLAG enthält damit eine Option für den Vorhabenträger, anstelle einer Freileitung ein Erdkabel zu errichten; verpflichtet ist er hierzu nicht. Auswirkungen auf die Alternativenprüfung hat die Regelung ebenfalls nicht. Die Planfeststellungsbehörde kann eine beantragte Freileitung auf den Pilotprojekten nicht mit dem Argument ablehnen, der Gesetzgeber habe hier eine Entscheidung zugunsten der Errichtung eines Erdkabels getroffen. Vielmehr muss sie weiterhin ergebnisoffen und ohne gesetzliche Gewichtungsvorgaben prüfen, ob das Erdkabel gegenüber der beantragten Freileitung die eindeutig vorzugswürdige Lösung ist.
c) Maßnahmen zur Netzoptimierung und Netzverstärkung
Der Vorhabenträger muss stets prüfen, ob anstelle des Leitungsneubaus nicht die Ertüchtigung bestehender Leitungen durch Maßnahmen der Netzoptimierung und Netzverstärkung (z. B. Freileitungsmonitoring, Hochtemperaturseile) möglich ist. Sofern dies der Fall ist, ist der geplante Ausbau nicht erforderlich (Verwirklichung der sog. „Null-Variante“). Allerdings wird sich hierbei vorrangig die Frage stellen, ob solche Maßnahmen überhaupt dem Stand der Technik entsprechen. Gemäß § 49 Abs. 1 EnWG sind Energieanlagen so zu errichten und zu betreiben, dass die technische Sicherheit gewährleistet ist; dabei sind vorbehaltlich sonstiger Rechtsvorschriften die allgemein anerkannten Regeln der Technik zu beachten. Soweit sich solche Maßnahmen nicht als die anerkannten Regeln der Technik entsprechend erweisen, dürfen und müssen sie von vornherein vom Vorhabenträger unberücksichtigt gelassen werden. Erfahrungen mit einem Freileitungsmonitoring bestehen in Deutschland erst sehr begrenzt. Es ist bislang nur in Feldversuchen für 110 kV-Freileitungen erprobt worden. Für andere Hochspannungsebenen laufen lediglich Vorbereitungsarbeiten. Die Frage, ob die gefundenen Ergebnisse ohne weiteres auf andere Spannungsebenen – etwa auf 220 kV- oder 380 kV-Freileitungen – übertragbar sind, kann derzeit wissenschaftlich noch nicht verlässlich bejaht werden. Das Freileitungsmonitoring ist daher keine sich aufdrängende Vorzugslösung.
Weiter ist stets zu fragen, ob sich die vom Vorhabenträger mit dem Planvorhaben verfolgten Ziele ohne Abstriche mit den Maßnahmen der Netzoptimierung und Netzverstärkung verwirklichen lassen. Sofern etwa die Maßnahmen nicht zu einer vergleichbaren Kapazitätserhöhung führen, macht dies das Planvorhaben nicht entbehrlich und kommt die „Null-Variante“ von vornherein nicht in Betracht. Sofern als Maßnahme der Netzverstärkung ein Parallelneubau zu einer bereits vorhandenen Freileitung denkbar ist, ist zu prüfen, ob sich die vorgeschlagene Alternative tatsächlich als eindeutig vorzugswürdig aufdrängt. Einem Parallelbau kann etwa die eventuell dann erforderliche Trassenverbreitung um mind. 60 m und ein damit steigendes Konfliktpotential mit vorhandenen Siedlungen entgegenstehen.
Theoretisch denkbar zur Deckung des nachgewiesenen Bedarfs ist auch die Beeinflussung vorhandener Energieanlagen. So kann auch durch eine geänderte Nutzung von Pumpspeicherwerken grundsätzlich versucht werden, die Transportkapazität des vorhandenen Leitungsnetzes zu erhöhen. Allerdings setzt das Energiewirtschaftsgesetz solchen marktbezogenen Maßnahmen des Netzbetreibers enge Grenzen: Gemäß § 12 Abs. 3 EnWG hat der Netzbetreiber die Verpflichtung, durch Bereitstellung einer entsprechenden Übertragungskapazität zur Versorgungssicherheit beizutragen. § 13 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EnWG sieht das Ergreifen marktbezogener Maßnahmen durch den Netzbetreiber nur dann als zulässig an, wenn die Sicherheit oder Zuverlässigkeit des Elektrizitätsversorgungssystems in der jeweiligen Regelzone gefährdet oder gestört ist. Solche marktbezogenen Maßnahmen sind zudem gegenüber netzbezogenen Maßnahmen nachrangig und müssen stets erforderlich sein. Dies lässt marktbezogene Maßnahmen zur dauerhaften Erhöhung der Transportkapazität regelmäßig als ausgeschlossen erscheinen.
III. Verfahrensfragen
1. Raumordnungsverfahren
Für die Errichtung von Energiefreileitungen bedarf es vor dem Planfeststellungsverfahren regelmäßig der Durchführung eines Raumordnungsverfahrens. Aufgabe des Raumordnungsverfahrens ist die Feststellung der Raumverträglichkeit der gewählten Energietrasse. Dabei findet unter raumordnerischen Gesichtspunkten eine umfassende Prüfung von Trassenalternativen statt. Maßstab sind die Grundsätze der Raumordnung wie etwa die Sicherung der Funktionsfähigkeit des Naturhaushalts in unbesiedelten Gebieten (§ 2 Abs. 2 Nr. 1 ROG), die Vereinbarkeit der Infrastruktur mit der Siedlungs- und Freiraumstruktur (§ 2 Abs. 2 Nr. 4 ROG), der Erhalt der Freiraumstruktur (§2 Abs.2 Nr.3 ROG), der Schutz von Natur und Landschaft (§ 2 Abs. 2 Nr. 8 ROG) etc. Für Freileitungen im Freiraum ergibt sich hieraus zumeist ein Mindestabstand zu vorhandenen Siedlungsbereichen und ein Bündelungsgebot mit bereits vorhandenen linienförmigen Infrastrukturen (Autobahnen, Schienenwege). Ergebnis des Raumordnungsverfahrens wird regelmäßig nicht eine bestimmte Trasse, sondern ein raumgeordneter Trassenkorridor sein, innerhalb dessen der Vorhabenträger die Feintrassierung für die Erarbeitung der Planfeststellungsunterlagen vornimmt. Der Vorhabenträger ist an den Trassenkorridor nicht gebunden. Verlässt er ihn, geht er allerdings die Gefahr ein, dass die Planfeststellungsbehörde den beantragten Trassenverlauf nicht als vereinbar mit den Erfordernissen der Raumordnung ansieht und das Planvorhaben ohne eine Änderung durch den Vorhabenträger ablehnt. Die Raumordnungsbehörde kann in seiner Stellungnahme auch empfehlen, dass weitere Alternativen, etwa die Errichtung eines Erdkabels anstelle der beantragten Freileitung für bestimmte etwa aus Gründen der Akzeptanz in der Bevölkerung oder aus naturschutzfachlichen Gründen besonders sensiblen Trassenabschnitte, geprüft werden. Teilweise sehen die Raumordnungspläne der Länder entsprechende Festlegungen – zumeist in Form von Grundsätzen der Raumordnung – vor. Solche Grundsätze oder Empfehlung sind mangels bodenrechtlichen Durchgriffs der Raumordnung weder für den Vorhabenträger noch für die Planfeststellungsbehörde verbindlich. In der Rechtsprechung ist geklärt, dass das Ergebnis eines Raumordnungsverfahrens und die daraus resultierende landesplanerische Stellungnahme als bloße gutachterliche Äußerung zu qualifizieren ist, die keine unmittelbare Rechtswirkung nach außen entfaltet. Die Funktion des Raumordnungsverfahrens liegt mithin zum einen darin, auf ohnehin zu beachtende Ziele der Raumordnung aufmerksam zu machen. Zum anderen liegt sie darin, die einschlägigen sonstigen Erfordernisse der Raumordnung als Bestandteil des planerischen Abwägungsmaterials zusammenzustellen. Zugunsten betroffener Privatpersonen entfalten solche Empfehlungen keine Drittwirkung.
2. Beschleunigtes Planfeststellungsverfahren
§ 43b Nr. 1 EnWG sieht zur Beschleunigung des Planfeststellungsverfahrens die Möglichkeit vor, dass bei bis zum Stichtag des 31.12.2010 beantragten Freileitungsvorhaben ein vereinfachtes Öffentlichkeitsbeteiligungsverfahren durchgeführt wird, sofern das Planvorhaben der dringlichen Verhinderung oder Beseitigung längerfristiger Übertragungs-, Transport- oder Verteilungsengpässen dient. Die Öffentlichkeit erhält lediglich die Möglichkeit zur Äußerung; auf die Durchführung eines förmlichen Erörterungstermins wird verzichtet. In der Praxis hat die Vorschrift bislang zu Unrecht keine größere Bedeutung erlangt. Die Anhörungs- bzw. Planfeststellungsbehörden lehnen die Anwendung dieser zwingenden Verfahrensvorschrift oftmals mit der Begründung ab, sie sei im Lichte gemeinschaftsrechtlicher Vorschriften über die Beteiligung bei umweltrelevanten Vorhaben eng auszulegen. Eine Beseitigung oder Verhinderung längerfristiger Übertragungs-, Transport- oder Verteilungsengpässe sei nicht erforderlich, solange bereits aufgetretene Belastungsfälle mit betrieblichen Maßnahmen nach § 13 EnWG (Netzschaltungen etc.) beherrscht werden könnten. Diese enge Auslegung ist weder gemeinschaftsrechtlich geboten noch wird sie dem gesetzgeberischen Beschleunigungsgedanken des Gesetzgebers gerecht. Aus der Richtlinie 85/337/ EWG vom 27.6.1985 (sog. UVP-Richtlinie) in der Fassung des Art. 3 der Richtlinie 2003/35/EG vom 26.5.2003 (sog. Öffentlichkeitsbeteiligungsrichtlinie) ergeben sich Vorgaben, die zwingend auf die Durchführung eines Erörterungstermins hindeuten. §6 Abs.4 und 5 der UVP-Richtlinie sehen lediglich vor, dass die sog. betroffene Öffentlichkeit frühzeitig und in effektiver Weise die Möglichkeit erhält, sich an den umweltbezogenen Genehmigungsverfahren zu beteiligen. Als betroffene Öffentlichkeit i. S. von Art. 1 Abs. 2 der UVP-Richtlinie sind auch die von einer Planfeststellung betroffenen Privatpersonen zu verstehen. § 6 Abs. 4 der UVP-Richtlinie gibt den Betroffenen das Recht, gegenüber der zuständigen Behörde Stellung zu nehmen und ihre Meinung zu einem Zeitpunkt zu äußern, wenn noch alle Optionen offen stehen und bevor die Entscheidung über den Planfeststellungsantrag getroffen wird. Die nähere Ausgestaltung des Anhörungsrechts steht im Ermessen der Mitgliedstaaten. Insbesondere können die Mitgliedstaaten entscheiden, ob sie im Rahmen der gebotenen Anhörung den Betroffenen lediglich die Möglichkeit zu schriftlichen Stellungnahmen geben oder aber eine öffentliche Anhörung durchführen (§ 6 Abs. 5 der UVP-Richtlinie). Soweit Art. 6 Abs. 4 der UVP-Richtlinie verlangt, das Anhörungsverfahren müsse in effektiver Weise erfolgen, steht dies einem prinzipiellen Verzicht auf den Erörterungstermin im Planfeststellungsverfahren nicht entgegen. Privatpersonen haben auch im Rahmen des beschleunigten Verfahrens nach § 43b Nr. 1 EnWG die Möglichkeit zur rechtzeitigen Stellungnahme.
Weitergehende Vorgaben für die Durchführung eines Erörterungstermins ergeben sich auch nicht aus dem Übereinkommen über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten vom 25.6.1998 (sog. Aarhus-Konvention). Art.6 der Aarhus-Konvention regelt die Öffentlichkeitsbeteiligung im Hinblick auf Genehmigungsverfahren für bestimmte Vorhaben. Aus dem Bereich der Verkehrsinfrastruktur nennt Absatz 17 des Anhangs I der Aarhus-Konvention den Bau von Hochspannungsfreileitungen für eine Stromstärke von 220 kV oder mehr und mit einer Länge von mehr als 15 km. Art. 6 Abs. 7 der Aarhus-Konvention bestimmt ausdrücklich, dass die Vertragsstaaten der Öffentlichkeit die Möglichkeit einräumen müssen, alle von ihr für das geplante Vorhaben als relevant erachteten Stellungnahmen, Informationen, Analysen oder Meinungen in Schriftform vorzulegen oder ggf. während einer öffentlichen Anhörung oder Untersuchung mit dem Vorhabenträger vorzutragen. Demnach sieht auch die Aarhus- Konvention ein Wahlrecht vor, entweder ein Auslegungsverfahren mit der Möglichkeit schriftlicher Stellungnahmen oder aber ein öffentliches Anhörungsverfahren durchzuführen.
IV. Fazit
Der Überblick hat gezeigt, dass die Errichtung von Energiefreileitungen in vielfacher Weise Rechtsprobleme aufwirft, die sich allerdings mit dem Instrumentarium der Fachplanung angemes sen lösen lassen. Das Gesetz belässt dem Vorhabenträger die notwendige Flexibilität und einen ausreichenden Gestaltungsspielraum, um den notwendigen Ausbau des Hochspannungsnetzes in den nächsten Jahren voranzutreiben. Das Planfeststellungsverfahren mag zwar auf dem ersten Blick als komplexes und aufgrund seiner Förmlichkeiten schwerfälliges Verfahren erscheinen. Für den Infrastrukturneubau hat es sich in der Vergangenheit bewährt. Es liegt nun an den Planfeststellungsbehörden, die Verfahren zügig durchzuführen und so einen Beitrag zur Versorgungssicherheit im Energiesektor zu leisten.