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Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz: Auswirkungen auf die bAV

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Das Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz (BilMoG) ist am 29.5.2009 in Kraft getreten. Die Neuregelungen sind verpflichtend erstmals für das in 2010 beginnende Geschäftsjahr anzuwenden. Eine frühere Anwendung ist möglich. Bei der Umstellung auf das neue Recht ist durch die realistischere Bewertung der Pensionsverpflichtungen mit einer deutlichen Erhöhung des Rückstellungsausweises in den handelsrechtlichen Jahresabschlüssen der Unternehmen zu rechnen. Nachfolgend werden der sich daraus ergebende Handlungsbedarf und die wesentlichen Gestaltungsoptionen der Unternehmen dargestellt.

Realistische Bewertung der Pensionsverpflichtungen

Die Jahresabschlüsse der Unternehmen bieten den Abschlusslesern (bspw. Unternehmensinvestoren oder Kredit gebenden Banken) künftig einen deutlich höheren Informationsgehalt und eine bessere internationale Vergleichbarkeit. Dies betrifft insbesondere auch den Ausweis der bestehenden Pensionsverpflichtungen und der vergleichbaren langfristigen Personalverpflichtungen (bspw. Vorruhestands-/Altersteilzeitverpflichtungen, Jubiläumszahlungen). Die im deutschen Mittelstand bisher praxisübliche steuerliche Bewertung der Verpflichtungen ist fiskalpolitisch motiviert und entspricht keiner vernünftigen kaufmännischen Beurteilung. Sie wird nach den neuen HGB-Regelungen nicht mehr anerkannt.

 

Pensionsverpflichtungen sind nach § 253 HGB mit ihrem „notwendigen Erfüllungsbetrag“, d. h. inklusive künftiger Preis- und Kostensteigerungen, anzusetzen. Bei Endgehaltsplänen, Karrieredurchschnittsplänen, ggf. auch bei „angepassten“ Festbetragssystemen ist ein verpflichtungserhöhender Anwartschaftstrend zu berücksichtigen. Auch die aus der Zusage resultierende, zu erwartende Rentendynamik muss bei der Verpflichtungsbewertung mit erfasst werden. Bei der Ermittlung des Rententrends ist danach zu differenzieren, ob nach § 16 BetrAVG eine Regelanpassungsprüfung unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Lage des Unternehmens durchgeführt wird, oder ob eine Anpassungsgarantie erteilt wurde.

 

Marktgerechte Abzinsung

Die Pensionsrückstellungen sind nunmehr generell marktgerecht, d. h. nicht mehr mit dem „optimistischen“ steuerlichen Rechnungszins, abzuzinsen. Auch hieraus ergibt sich zum Umstellungszeitpunkt eine Höherbewertung der Verpflichtung. Der Diskontierungszinssatz wird von der Bundesbank veröffentlicht. Er wird sich in Anlehnung an internationale Maßstäbe an laufzeitadäquaten Marktrenditen von hochklassigen Unternehmensanleihen orientieren. Dabei gilt eine siebenjährige Durchschnittsbildung, um den Verpflichtungsumfang im Zeitablauf zu glätten. Diese Lösung ist sachgerecht, da die zu bewertenden Verpflichtungen langfristigen Charakter haben. Es soll verhindert werden, dass sich stichtagsbedingte Kapitalmarktschwankungen ungebremst in den Unternehmensbilanzen niederschlagen.

 

Festlegung von Bewertungsprämissen

Das anzuwendende Bewertungsverfahren wird im BilMoG nicht explizit vorgegeben. Je nach Zusagetyp muss das „passende“ Verfahren vom Unternehmen in Abstimmung mit dem verantwortlichen Versicherungsmathematiker ausgewählt werden. Festzulegen sind darüber hinaus die wesentlichen biometrischen und ökonomischen Bewertungsprämissen (anzuwendende Rechengrundlagen, Inflationsannahme, Fluktuationswahrscheinlichkeiten).

 

Dabei bestehen ggf. verpflichtungsdämpfende Ermessens- und Gestaltungsspielräume, die rechtzeitig vor dem geplanten Umstellungszeitpunkt ausgelotet werden sollten. Die Umstellung auf das neue Recht wird i. d. R. bereits zum 1.1.2010 erfolgen, damit der Aufwand des Jahres 2010 nach BilMoG-Maßstäben ermittelt werden kann. Allerdings ist im Einzelfall auch eine spätere Umstellung nicht ausgeschlossen.

 

Bewertungsvereinfachung möglich

Der Arbeitgeber benötigt im Regelfall für den nationalen HGB-Jahresabschluss ein eigenständiges versicherungsmathematisches Pensionsgutachten. Dabei wurde für den Spezialfall wertpapiergebundener Pensionszusagen mit Mindestgarantie (Cash-Balance-Pensionspläne) eine vereinfachte Regelung getroffen. Hier können die Versorgungsverpflichtungen grundsätzlich mit dem beizulegenden Zeitwert der Wertpapiere angesetzt werden. Eine Bewertungsvereinfachung dürfte in analoger Anwendung auch für Zusagen mit kongruenter Versicherungsrückdeckung gelten.

Für Unternehmen, die bisher den steuerlichen Wertansatz nach § 6a EStG auch für die Handelsbilanz genutzt haben, werden die Auswirkungen des BilMoG am größten sein. Die Mehrbelastung kann bei gemischten größeren Beständen etwa 40 % bis 60 % ausmachen. Bei Kapitalzusagen ist der Effekt geringer, er beträgt aber dennoch etwa 10 % bis 25 %. Für beitragsorientierte Zusagen entfällt in der Regel der Einkommenstrend, so dass die Auswirkungen geringer sind.

 

Passivierungswahlrecht für bestimmte Versorgungsverpflichtungen bleibt

Grundsätzlich sind für alle unmittelbaren Pensionsverpflichtungen – insbesondere aus Direktzusagen – in der Handelsbilanz des Arbeitgebers Rückstellungen zu bilden. Eine Ausnahme gilt nur für Altzusagen, die vor 1987 begründet sind. Hier gilt wie bisher ein Passivierungswahlrecht.

Für aus Arbeitgebersicht „mittelbare Pensionsverpflichtungen“ bleibt es ebenfalls beim generellen Passivierungswahlrecht. Mittelbare Verpflichtungen können entstehen, wenn der Arbeitgeber für die Versorgung einen externen Versorgungsträger (bspw. eine Unterstützungskasse oder einen Pensionsfonds) einschaltet. Kapitalgesellschaften und GmbH & Co. KG sind allerdings verpflichtet, eine etwaige nicht in der Bilanz passivierte Unterdeckung der Versorgungseinrichtung bzw. einen Fehlbetrag im Anhang des Jahresabschlusses anzugeben.

 

Verbesserung von Bilanzkennziffern durch Saldierung und Aufwandsspaltung

Nach den BilMoG-Regelungen kann – ähnlich wie unter IFRS – die Schaffung eines speziell der Versorgung gewidmeten Sondervermögens („BilMoG-Planvermögen“) zur Verbesserung wesentlicher Bilanz- und Erfolgskennziffern des Unternehmens führen.

 

· Vermögensgegenstände dürfen künftig nicht mehr als Aktivposten in der Bilanz ausgewiesen werden, wenn sie als zweckgebundenes Rückdeckungsvermögen der Verfügung durch den Kaufmann und dem Zugriff aller übrigen Gläubiger entzogen sind und wenn sie auch bei Insolvenz ausschließlich der Erfüllung von Versorgungs- oder vergleichbar langfristigen Verpflichtungen dienen (Saldierungsgebot von Planvermögen und Pensionsverpflichtung). Dies betrifft bspw. CTA-Konstruktionen und verpfändete Rückdeckungsversicherungen.

 

· Ein Planvermögen, das die Verpflichtung übersteigt, ist als Aktivposten gesondert auszuweisen. Hier gilt eine Ausschüttungssperre.

 

· Die vorgeschriebene Bewertung des Sicherungsvermögens zum Zeitwert (Fair Value) kann bei CTA-Konstruktionen aus Arbeitgebersicht eine unerwünschte Volatilität in der Bilanz sowie der Gewinn- und Verlustrechnung verursachen. Für dieses Problem bestehen aber Lösungsmöglichkeiten.

 

Zu beachten ist, dass sich die Saldierungsregelungen nach BilMoG im Detail von den IFRS-Regelungen unterscheiden.

Generell vorgeschrieben wird für Pensionsrückstellungen künftig eine Art „Aufwandsspaltung“ in der Gewinn- und Verlustrechnung. Zinsaufwendungen, die in der Rückstellungszuführung enthalten sind, stellen keinen Personalaufwand dar und sind gesondert im Finanzergebnis auszuweisen. Erträge aus einem ggf. vorhandenen Sicherungsvermögen sind mit den Zinsaufwendungen zu saldieren. Damit besteht die Möglichkeit der Verbesserung wichtiger Erfolgskennziffern, wie bspw. des EBIT (Earnings before Interest and Taxes).

 

Übergangsvorschriften eröffnen Gestaltungsmöglichkeiten

Das BilMoG lässt einen großzügig bemessenen gleitenden Übergang auf die im Regelfall erhöhten Pensionsrückstellungen bis spätestens zum 31.12.2024 zu (pro Geschäftsjahr mindestens 1/15 des zuzuführenden Betrages). Bei kalendergleichem Geschäftsjahr muss daher zum 31.12.2010 mit der Verteilung begonnen werden. Willkürliche Methoden zur Ansammlung eines aus der Neubewertung resultierenden Mehraufwands sind ausgeschlossen. Im Rahmen des eingeräumten Gestaltungsspielraums kann – z. B. vor dem Hintergrund einer geplanten Dividendenausschüttung – ein plötzlicher Rückstellungsschub in der Bilanz und ein damit einhergehender sofortiger Einmalaufwandseffekt in der Gewinn- und Verlustrechnung verhindert bzw. zeitlich gestreckt werden. Um die Differenz zu ermitteln, ist zum 31.12.2009 eine Vergleichsberechnung vorzunehmen. Zur Erleichterung des notwendigen Aufbaus der Pensionsrückstellungen kann ggf. auch die Schaffung eines reservierten Sicherungsvermögens beitragen. Für den Ausnahmefall, dass Rückstellungen vermindert bzw. aufgelöst werden, bestehen besondere Verteilungsvorschriften.

 

Entstehung latenter Steueransprüche

Die für die Steuerbilanz maßgebliche Bewertungsregelung des § 6a EStG wird durch das BilMoG nicht geändert. Wegen der Unterschiede zwischen den handelsrechtlichen und den steuerlichen Wertansätzen kann es in der Handelsbilanz des Arbeitgebers künftig zur gewinnerhöhenden Aktivierung latenter Ertragsteueransprüche gegen das Finanzamt kommen.

 

Fazit: Ermessensspielräume ermöglichen Dämpfung der Pensionsverpflichtung

Das BilMoG geht mit der notwendigen handelsrechtlichen Bewertung von Pensionsverpflichtungen einen eigenen Weg, der neben der Bewertung für steuerliche - ggf. auch für internationale - Zwecke i. d. R. zu einer Mehrfachbewertung führt. Allerdings lassen viele Bewertungsparameter, z. B. die verpflichtungserhöhende Festlegung von Trends, Ermessens- und Gestaltungsspielräume zu.

 

Praxistipp

Es empfiehlt sich, die unternehmensspezifischen Auswirkungen der Neuregelungen anhand von Alternativbewertungen im Voraus zu ermitteln, um mögliche Handlungsalternativen zu eruieren. Änderungen an einmal festgelegten Bewertungsgrundsätzen sind im Grundsatz ausgeschlossen, da der im HGB festgelegte Stetigkeitsgrundsatz verfestigt worden ist. Ebenso wie der Diskontierungszinssatz (BilMoG-Durchschnittszins) sind auch die anderen Bewertungsparameter, z. B. Fluktuation und Biometrik, den jeweils aktuellen Gegebenheiten anzupassen. Notwendig ist eine zeitnahe Aktualisierung der Bewertungsparameter.

 

Neue Entscheidung über interne oder externe Finanzierung der bAV

Die neuen Bewertungsregeln für Pensionsverpflichtungen und die Saldierbarkeit von Planvermögen mit den Verpflichtungen werfen die Frage neu auf, ob die Unternehmen ihre Pensionsverpflichtungen weiterhin intern oder extern am Kapitalmarkt finanzieren wollen. Im Falle der Auslagerung des Versorgungsvermögens kommen zu den biometrischen Risiken aus der Versorgungszusage noch Risiken und Chancen des Kapitalmarkts hinzu. Die aktuelle Finanzmarktkrise zeigt sehr deutlich, dass eine ausgewogene Mischung zwischen unternehmensinterner Mittelanlage und externer Vermögensanlage durchaus sinnvoll ist.

Die Direktzusage ist weiterhin grundsätzlich bilanzrelevant. Sie bietet jedoch bei vorhandenem Planvermögen erstmals und insbesondere auch für den Mittelstand die Möglichkeit des „virtuellen Outsourcings“ der Pensionsverpflichtung aus dem handelsrechtlichen Einzelabschluss. Während CTA-Gestaltungen häufig erst ab einem bestimmten Verpflichtungsvolumen sinnvoll erscheinen, bieten sich bei kleineren Beständen bspw. auch verpfändete Rückdeckungsversicherungen als verwaltungsschlanke Lösung an.

Thomas Weppler, Diplom-Kaufmann

Watson Wyatt Heissmann GmbH, Wiesbaden

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