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Dienstunfähigkeit von Polizeibeamten (Teil III)

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Verwendung in anderen Verwaltungsbereichen

Grundsatz:
Der Dienstherr hat für einen Polizeivollzugsbeamten mit nur eingeschränkter Polizeidienstfähigkeit zunächst nach einer anderen Verwendung innerhalb der Polizeiverwaltung zu suchen.

Die Polizeidienstunfähigkeit führt nach dem Grundsatz der „Weiterverwendung vor Versorgung“  also nicht automatisch zur vollen Dienstunfähigkeit des Beamten nach § 26 Abs. 1 BeamtStG.

Grundsatz:
Die Polizeidienstunfähigkeit schließt für Polizeivollzugsbeamte die Dienstleistungspflicht nicht aus. Hierzu bedarf es vielmehr der allgemeinen Dienstunfähigkeit.1

Ergibt sich keine Verwendungsmöglichkeit innerhalb des Polizeibereichs, so sind die Möglichkeiten der Verwendung in einer anderen Verwaltung und der damit verbundene Laufbahnwechsel zu prüfen. Dies geschieht dann im Rahmen einer Versetzung. Eine solche Versetzung ist wegen des damit verbundenen Laufbahnwechsels eine sog. „statusberührende Versetzung“.2

Es besteht dabei die Pflicht des Dienstherrn, nach einer anderweitigen Verwendung außerhalb der Polizeilaufbahn zu suchen. Die Suche ist dabei regelmäßig auf den gesamten Bereich des Dienstherrn zu erstrecken. Am Ende  ist es Sache des Dienstherrn, schlüssig darzulegen, dass er bei der Suche nach einer anderweitigen Verwendung für den dienstunfähigen Beamten alle Vorgaben beachtet hat, weil es um Vorgänge aus seinem Verantwortungsbereich geht, die dem Einblick des Antragstellers in aller Regel entzogen sind.

Grundsatz:
In einem Prozess über die Rechtmäßigkeit einer Ruhestandsversetzung oder einer Entlassung geht es zu Lasten des Dienstherrn, wenn nicht aufgeklärt werden kann, ob er bei der Suche den gesetzlichen Anforderungen entsprochen hat.

Bei einer Versetzung von Beamten in andere Laufbahnen ist aus Gründen der Fürsorge ein Einsatz in einer „sachnahen Laufbahn“ anzustreben.3

Grundsatz:
Eine Versetzung kann auch gegen den ausdrücklichen Willen des Beamten erfolgen.

Ein entsprechender (belastender) Verwaltungsakt nach § 26 Abs. 2 BeamtStG ist nur rechtmäßig, wenn

  • das neue Amt zum Bereich desselben Dienstherrn zählt,

  • es mit mindestens dem gleichen Endgrundgehalt verbunden ist wie sein bisheriges Amt und

  • wenn zu erwarten ist, dass der Beamte den gesundheitlichen Anforderungen des neuen Amtes genügt.

Über die Anerkennung der Laufbahnbefähigung entscheidet grundsätzlich die aufnehmende oberste Dienstbehörde.4

Rechtsschutz

Die betroffenen Polizeivollzugsbeamten sind verpflichtet, einer entsprechenden Versetzung Folge zu leisten.5 Ein Widerspruch oder eine Anfechtungsklage gegen den belastenden Verwaltungsakt der Versetzung hat wegen § 54 Abs. 4 BeamtStG keine aufschiebende Wirkung. Vorläufigen Rechtsschutz erhält der Beamte über einen Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO.

Befähigungserwerb

Eine Weiterverwendung von polizeidienstunfähigen Beamten ist grundsätzlich in allen Laufbahnen und Fachrichtungen möglich.

Beispiel:
In laufbahnrechtlicher Hinsicht ist allerdings zum Beispiel in Bayern Art. 9 Abs. 3 LlbG von besonderer Bedeutung.6 Diese Vorschrift ergänzt die Bestimmungen des Art. 128 BayBG und des § 26 BeamtStG über die Versetzung von Polizeivollzugsbeamten, die wegen fehlender Polizeidiensttauglichkeit nicht mehr in ihrem Verwaltungsbereich verwendet werden können. Nach Art. 9 Abs. 3 LlbG  erwerben Polizeivollzugsbeamte, die wegen fehlender Polizeidiensttauglichkeit nach Art. 48 Abs. 2, Art. 128 Abs. 3 BayBG in Verbindung mit § 26 Abs. 1 Satz 3, Abs. 2, 3 BeamtStG in die Fachlaufbahn „Verwaltung und Finanzen“ übernommen werden sollen, die Qualifikation für diese neue Fachlaufbahn bereits durch Unterweisung und eine mindestens einjährige Tätigkeit. Die Unterweisung und Erprobung orientieren sich dabei als „verkürzte Zusatzausbildung“7 an den Anforderungen der jeweiligen Qualifikationsebene (Laufbahngruppe) der Fachlaufbahn Verwaltung und Finanzen und zwar in dem Bereich und dem fachlichen Schwerpunkt, in dem der Beamte später eingesetzt werden soll.

Nach § 4 Abs. 3 BPolBG kann die Bundesregierung für den Bereich der Bundespolizei jährlich bestimmen, in welchem Umfang für die nach § 44 Abs. 2 bis 5 BBG anderweitig zu verwendenden Polizeivollzugsbeamten freie, frei werdende und neu geschaffene Planstellen für Beamte des mittleren, des gehobenen und des höheren Dienstes beim Bund und bei den bundesunmittelbaren Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts vorbehalten werden.

Ärztliche Feststellungen

Das Gesetz weist die Aufgabe der Begutachtung der Polizeidienstfähigkeit dem Amtsarzt bzw. Polizeiarzt zu. Auch die Aussage über die beschränkte Polizeidienstfähigkeit ist Sache des Amts- bzw. Polizeiarztes.8

Grundsatz:
Die Einholung eines amtsärztlichen Gutachtens ist eine zwingende Voraussetzung für die Feststellung der vollen oder eingeschränkten Polizeidienstunfähigkeit sowie Grundlage der sich daran anschließenden beamtenrechtlichen Maßnahmen.

Anforderungen an den Untersuchungsauftrag

Die Anforderungen an den Untersuchungsauftrag sind dabei von der jeweiligen Rechtsfolgerung abhängig, die mit Hilfe des Gutachtens getroffen werden soll. In aller Regel wird aber nicht nur die Frage der eingeschränkten oder vollen Polizeidienstunfähigkeit, sondern auch die Frage der generellen Dienstunfähigkeit sowie gegebenenfalls die Frage einer aus medizinischer Sicht in Frage kommenden Möglichkeit einer anderen Tätigkeit innerhalb bzw. außerhalb der Laufbahn zu klären sein. Besteht die Vermutung, dass ein Polizeibeamter wegen psychischer Veranlagungen für seinen Dienst nicht mehr geeignet ist, so bestehen für die Anordnung einer psychiatrischen Untersuchung zur Feststellung der vollen bzw. eingeschränkten Polizeivollzugsdienstunfähigkeit sehr strenge Anforderungen. So reicht das Vorliegen von bloßen Zweifeln nicht, es bedarf deutlicher Anhaltspunkte für gesundheitliche Mängel, die dem psychiatrischen Bereich zuzuordnen sind.9

Grundsatz:
Die Verantwortung zur Feststellung der vollen oder eingeschränkten Polizeidienstunfähigkeit trägt der Dienstherr, nicht der Amtsarzt.

Der Dienstherr muss die ärztlichen Befunde und Schlussfolgerungen im Gutachten inhaltlich nachvollziehen und sich auf ihrer Grundlage ein eigenes Urteil bilden. Das setzt voraus, dass er fachärztliche  Äußerungen, die der Stellungnahme des Amtsarztes zugrunde liegen, zur Kenntnis nimmt und würdigt.10 Ein amtsärztliches Gutachten muss den im Beschluss des BVerwG vom 20. Januar 201111 formulierten Anforderungen genügen.

Grundsatz:
Der Amts- oder Polizeiarzt darf dabei nicht nur das Untersuchungsergebnis mitteilen, es muss auch die das Ergebnis tragenden Feststellungen und Gründe nennen.

Dies gilt allerdings nur soweit deren Kenntnis für die Behörde unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes für die Entscheidung erforderlich ist. Danach muss das Gutachten sowohl die notwendigen

Feststellungen zum Sachverhalt, d.h. die in Bezug auf den Beamten erhobenen Befunde enthalten, als auch die aus medizinischer Sicht daraus abzuleitenden Schlussfolgerungen für die Fähigkeit des Beamten, künftig ein Amt auszuüben.12

Das Gutachten muss es dem Polizeibeamten ermöglichen, sich mit den Feststellungen und Schlussfolgerungen des Amts- oder Polizeiarztes bzw. mit der darauf beruhenden späteren Entscheidung des Dienstherrn auseinanderzusetzen, um sie ggf. später substantiiert anzugreifen.

Grundsatz:
Der Dienstherr kann die ihm zustehende Entscheidung nicht gegen oder ohne ein entsprechendes amtsärztliches Gutachten treffen.13

Zeitliche Grenze: Zwei Jahre

Nach den gesetzlichen Vorgaben müssen die funktionsbezogenen gesundheitlichen Einschränkungen bei Polizeivollzugsbeamten für einen Zeitraum von mehr als zwei Jahren bestehen.

Amts- oder Privatarzt?

Bei einem den amts- oder polizeiärztlichen Feststellungen widersprechenden privatärztlichen Gutachten kommt dem amts- oder polizeiärztlichen Gutachten grundsätzlich der größere Beweiswert zu, denn der Amts- bzw. Polizeiarzt befindet sich selbst in einem öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnis nach Art. 33 Abs. 4 GG. Folgt der Amts- oder Polizeiarzt einem privatärztlichen Gutachten nicht, so muss er sich mit diesem Gutachten substantiiert auseinandersetzen.14

Verpflichtung zur Untersuchung

Bestehen Zweifel über die volle oder eingeschränkte Polizeidienstfähigkeit, so ist der Beamte verpflichtet, sich nach Weisung des oder der Dienstvorgesetzten ärztlich untersuchen und, falls ein Amts- oder Polizeiarzt dies für erforderlich hält, beobachten zu lassen.

Grundsatz:
Wer sich trotz wiederholter schriftlicher Aufforderung ohne hinreichenden Grund der Verpflichtung, sich nach Weisung des oder der Dienstvorgesetzten untersuchen oder beobachten zu lassen, entzieht, kann so behandelt werden, wie wenn die Dienstunfähigkeit amtsärztlich festgestellt worden wäre.

Auch ohne eine ausdrückliche Bestimmung in den Vorschriften des jeweiligen Landesbeamtenrechts würde sich diese Rechtsfolge nach der Rechtsprechung des BVerwG bereits aus der entsprechenden Anwendung des § 444 ZPO ergeben.15

Übermittlung der Untersuchungsbefunde

Es besteht die Verpflichtung des  Arztes, den Beamten über das zu informieren, was er an die Behörde weiterreicht. Stehen jedoch aus ärztlicher Sicht bestimmte Gründe einer solchen Übermittlung an den Polizeibeamten selbst entgegen, so wird der Vertreter des Beamten durch eine Ablichtung der Mitteilung an den Dienstherrn (mittelbar) unterrichtet. Ob solche Gründe bestehen, hat der Amtsarzt in eigener Zuständigkeit festzustellen.

Wiederherstellung der vollen Dienstfähigkeit

Auch Polizeivollzugsbeamte sind nach § 29 Abs. 4 BeamtStG verpflichtet, sich aktiv um die Wiederherstellung der vollen Einsatzfähigkeit zu bemühen. Daraus ergibt sich,  dass ein Beamter mit nur eingeschränkter Polizei­dienstfähigkeit in entsprechender Anwendung der Regelung des § 29 Abs. 4 BeamtStG ebenfalls dazu verpflichtet ist, zur Wiederherstellung seiner vollen Polizei­dienst­fähigkeit beizutragen.

__________________________________

1 BayVGH v. 17.5.1983, BayVBl 1983, 660 ff. = ZBR 1983, 367 ff.
2 Summer in Weiß/Niedermaier/Summer/Zängl, Beamtenrecht in Bayern, Art. 48, Rn. 11 ff.
3 Nicht umsonst bestimmt in Bayern Art. 9 Abs. 3 LlbG, dass Polizeivollzugsbeamte, welche in die Fachlaufbahn „Verwaltung und Finanzen“ übernommen werden sollen, die volle Qualifikation für diese neue Fachlaufbahn durch Unterweisung und eine mindestens einjährige Tätigkeit erwerben können.
4 Vgl. für Bayern: Art. 9 Abs. 3 Satz 2 LlbG.
5 Zängl in Weiß/Niedermaier/Summer/Zängl, Beamtenrecht in Bayern, Art. 9 LlbG, Rn. 28.
6 Zängl in Weiß/Niedermaier/Summer/Zängl, Beamtenrecht in Bayern, Art. 9 LlbG, Rn. 27 ff.
7 Zängl in Weiß / Niedermaier / Summer / Zängl, Beamtenrecht in Bayern, Art. 9 LlbG, Rn. 30.
8 Ein polizeiärztliches Gutachten eines verbeamteten Polizeiarztes wird zum Beispiel in Bayern vom Gesetz als Basis einer Ruhestandsversetzung bzw. einer weiteren Verwendung im eingeschränkten Bereich – im Gegensatz zum hessischen Recht (§ 193 Abs. 1 Satz 2 HBG) - nicht erwähnt. Damit ist die (ausschließliche) Zuständigkeit des Amtsarztes begründet.
9 OVG Münster v. 2.5.2012 – Az.: 6 B 222/12 – juris.
10 BVerwG v. 6.3.2012,  IÖD 2012, 122 f.  = RiA 2012, 165 f. mit Anmerkung Braun.
11 BVerwG v. 20.1.2011 – Az.: 2 B 2.10 – juris Rn. 5.
12 Zu der Notwendigkeit der  Aussage über den Verwendungsbereich: Sächs OVG v. 30.5.2012 – Az.: 2 B 183/11 – juris.
13 OVG Lüneburg v. 27.1.2009 – Az.: 5 LA 377 / 08 – juris zur Entlassung einer Polizeibeamtin auf Widerruf.
14 BVerwG vom 9.3.2001, Az.: 1 DB 8 01- juris.
15 BVerwG vom 26.4.2012, NVwZ 2012, 1483ff.
16 Baßlsperger, Auskunftspflicht und Schweigepflicht des Amtsarztes, PersV 2011. 404ff.

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2 Kommentare zu diesem Beitrag
kommentiert am 26.01.2024 um 17:27:
Eine Frage zum Thema: Die Anordnung einer Amtsärztlichen Untersuchung ist kein Verwaltungsakt, jedoch nach neuer Vorgabe des BVerfG angreifbar. Welches Rechtsmittel in der Hauptsache wird dann erhoben? Ein Widerspruch im Rechtssinne kann es ja nicht sein. Im Sächsischen Beamtenrecht sind es Einwendungen. Wie lautet da der Tenor? Und ist die dazugehörige Klage dann die Leistungsklage auf Unterlassung?
kommentiert am 26.01.2024 um 17:11:
Eine Frage zum Thema: Die Anordnung einer Amtsärztlichen Untersuchung ist kein Verwaltungsakt, jedoch nach neuer Vorgabe des BVerfG angreifbar. Welches Rechtsmittel in der Hauptsache wird dann erhoben? Ein Widerspruch im Rechtssinne kann es ja nicht sein. Im Sächsischen Beamtenrecht sind es Einwendungen. Wie lautet da der Tenor? Und ist die dazugehörige Klage dann die Leistungsklage auf Unterlassung?
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