Antidiskriminierung - Teil I: Ethnische Herkunft und Religion
Zum Thema Antidiskriminierung in Deutschland erläutert Uta Klein, Professorin an der Universität Kiel, in einem auf vier Teile angelegten Aufsatz (in der GiP 2/2007 bis 1/2008) die einzelnen Diskriminierungsmerkmale sowie die Ursachen und Mechanismen von Diskriminierung.
Dateianhänge:
Einen Schutz vor Diskriminierung in Beschäftigung, Beruf und Ausbildung aus Gründen der Kategorien bzw. Zuschreibungen Rasse/ethnische Herkunft und Religion bzw. Weltanschauung,
um die es in diesem Beitrag geht, bietet die so genannte „Rahmenrichtlinie" 2000/78/EG. Die häufig „Antirassismusrichtlinie" genannte Richtlinie 2000/43/EG zur Anwendung des Gleichbehandlungs-
grundsatzes ohne Unterschied der Rasse oder der ethnischen Herkunft geht darüber hinaus und deckt auch andere Bereiche ab wie Bildung, Soziale Sicherheit, Gesundheitsversorgung, Zugang zu Gütern und Dienstleistungen einschließlich Wohnraum.
Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) kommt dem Bereich der Arbeitsverhältnisse nach und formuliert darüber hinaus ein Benachteiligungsverbot im zivilrechtlichen Bereich auch für die in der Rahmen-richtlinie erfassten Gruppen. Dabei sind als Reaktion auf Kritik u.a. vom Bundesrat Einschränkungen vorgenommen worden, auf die später eingegangen wird.
Der Begriff „Rasse" war bei der Formulierung der entsprechenden Texte kontrovers diskutiert worden.1 Er wird als politische Kategorie verwendet, nicht als biologische, worauf im Richtlinientext hingewiesen wird: Es gebe keine menschlichen Rassen und die Verwendung des Begriffes sei nicht gleichzusetzen mit der Akzeptanz von Rassentheorien. Rassistische Diskriminierungen beziehen sich auf Benachteiligungen aufgrund physiognomischer Merkmale (z.B. der Hautfarbe), der ethnischen Herkunft (Zugehörigkeit zu einer gemeinsamen sprachlichen und kulturellen Gruppe), des nationalen Ursprungs oder kultureller Merkmale (z.B. Sprache, Name).
Dabei können Diskriminierungen aufgrund der religiösen Zugehörigkeit und aufgrund der ethnischen Herkunft ineinander übergehen. Die Richtlinien treffen hier eine Unterscheidung, denn der materielle Geltungsbereich der Antirassismusrichtlinie ist wesentlich größer als der der Rahmenrichtlinie. Das AGG nimmt diese Trennung nicht vor, ähnlich wie andere nationale Rechtsvorschriften. Im Vereinigten Königreich beispielsweise wurden Diskriminierungen von Sikhs oder Juden ausdrücklich als Diskriminierungen aufgrund der ethnischen Herkunft eingestuft.2 Die Begriffe Religion bzw. Weltanschauung lassen verschiedene Interpretationen zu. Setzt Religion beispielsweise die Mitgliedschaft in einer religiösen Gemeinschaft voraus, wie Österreich in den Beilagen zum Bundes-Gleichbehandlungsgesetz definiert?
Tatsächlich geht es bei rassistischer Diskriminierung meist um Migranten und Migrantinnen oder um Antisemitismus. Mit Diskriminierungen sind konkrete Ungleichbehandlungen, Verletzungen Menschenrechtlicher Übereinkünfte gemeint, die zu Benachteiligungen führen. Rassendiskriminierung hat als Ziel oder/und zur Folge, dass ein „gleichberechtigtes Anerkennen, Genießen oder Ausüben von Menschenrechten und Grundfreiheiten im politischen, wirtschaftlichen, sozialen, kulturellen oder jedem sonstigen Bereich des öffentlichen Lebens vereitelt oder beeinträchtigt wird"3.
Dabei kann Diskriminierung ein absichtsvolles Handeln sein, sie kann aber auch in einem unbeabsichtigten Ergebnis institutioneller Mechanismen bestehen. Indirekte Diskriminierung kann genau genommen in drei Formen vorkommen: Erstens, wenn dem Anschein nach neutrale Verfahren oder Vorschriften Mitglieder einer bestimmten Kategorie benachteiligen und die Vorschrift weder sachlich noch vernünftig begründet ist. Zweitens, wo eine dem Anschein nach neutrale Maßnahme angewendet wird, die diese Folgen hat. Und drittens, wo ein Urheber einer allgemeinen Maßnahme unterlassen hat, durch Vorsehung einer Ausnahme bei der Anwendung der allgemeinen Regel eine Person oder Gruppe unterschiedlich zu behandeln.4
Gemeint ist mit Letzterem, dass z .B. das Nichttreffen effektiver Vorkehrungen für eine Person mit spezifischen Bedürfnissen aufgrund religiöser Verbote als Unterkategorie von Diskriminierung betrachtet werden kann, sofern die Ursache der Diskriminierung darin liegt, dass bei der Anwendung der allgemeinen Maßnahme die spezifische Situation einer der Gruppen nicht berücksichtigt wird. Beispiele sind verschiedene Urteile des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte, die feststellten, dass Flächennutzungsverordnungen die speziellen Bedürfnisse von nicht-sesshaften Fahrenden, die in Wohnwagen leben, nicht berücksichtigt hatten.5
Die Soziologie spricht darüber hinaus von institutionalisierter Diskriminierung im Falle von gesetzlichen Ungleichbehandlungen. So werden über Ausländer-bzw. Zuwanderungsgesetze - rechtskonform- mittels der Regeln der Staatsbürgerschaft Personengruppen hinsichtlich des Zugangs zu wohlfahrtsstaatlichen Leistungen und politischen Rechten unterschiedlich behandelt. Die Übersicht (S. 31) gibt einen Überblick über Definitionen und Beispiele rassistischer Diskriminierung, wie sie in den EU-Richtlinien und im AGG umfasst werden.
Wichtig ist eine Unterscheidung zwischen Vorurteil und Diskriminierung: Vorurteile sind Einstellungen, Haltungen; Diskriminierung hingegen ist eine Verhaltensweise, eine Handlung. So muss sich ein Mensch mit Vorurteilen nicht unbedingt diskriminierend verhalten. Allerdings bereiten Stigmatisierungen von Minderheiten in der öffentlichen Debatte den Boden für feindselige Handlungen und Benachteiligungen. Besonders in der Einwanderungsgesellschaft gefährdet Diskriminierung das Zusammenleben, das auf Demokratie und Toleranz beruht. Gesellschaftspolitisch sind daher die Teilhabeförderung benachteiligter Gruppen und Maßnahmen zur Stärkung der Zivilgesellschaft wichtige Ziele.
Wenn von Diskriminierung einer sozialen Gruppe gesprochen wird, ist die gesellschaftliche
Benachteiligung statistisch signifikant belegbar. Nicht für alle Bereiche der Gesellschaft liegen jedoch Kenntnisse und Forschungen über Diskriminierungen vor. Besonders in den Bereichen Erwerbsarbeit und Beschäftigung, Bildung und Wohnungsversorgung sind Benachteiligungen aufgrund der ethnischen Herkunft gravierend, weshalb die Umsetzung der Richtlinien und des AGG hier bedeutsam ist. Auch der Bericht der ECRI6 über Deutschland weist auf notwendige Maßnahmen besonders in diesen Bereichen hin, die freilich über Gesetzgebung hinausgehen müssen. Dabei zeigen Untersuchungen, dass Asylsuchende und Flüchtlinge sowie Angehörige der Gemeinschaften der Roma, Muslime und Juden europaweit zu den besonders gefährdeten Gruppen gehören. So liegt die Arbeitslosenquote der Muslime - die zweitgrößte Religionsgruppe in der EU - europaweit über dem Durchschnitt, ihr Bildungsniveau unter dem Durchschnitt und sie wohnen überproportional häufig in Gebieten mit schlechten Wohnverhältnissen.7 In Großbritannien wurde ein Test durchgeführt, bei dem 50 Unternehmen von sechs fiktiven Personen eine Bewerbung erhielten, deren Namen auf einen britischen, afrikanischen bzw. muslimischen Hintergrund schließen ließen. Die „weißen" Bewerber/innen erhielten zu 25 Prozent eine Einladung zu einem Vorstellungsgespräch, die „schwarzen" nur zu 13 Prozent. Bewerber/ innen mit einem muslimischen Namen hatten den geringsten Erfolg mit 9 Prozent. In Frankreich wurde ein ähnlicher Test vorgenommen. Die Universität Paris verschickte auf 258 Stellenangebote Lebensläufe, die standardisiert und erkennbar von Personen unterschiedlicher ethnischer Herkunft waren. Für Personen aus Nordafrika war die Wahrscheinlichkeit, eine positive Antwort zu erhalten, fünf Mal geringer als bei den anderen Personen. Die Tests belegen unmittelbare Benachteiligungen, da die Betroffenen in einer vergleichbaren Situation schlechter behandelt wurden als andere.
In Folge des 11. September 2001 hat sich nicht nur in Deutschland die öffentliche Meinung zum Islam generell und zur Integration muslimischer Personen speziell verändert. Viele Organisationen berichten von einer Zunahme islamophober Vorfälle. Dies bekommen nicht zuletzt Frauen zu spüren, die ein Kopftuch tragen und Beschimpfungen und Beleidigungen ausgesetzt sind. Auch spricht der ECRI-Bericht von einer Zunahme antisemitischer Einstellungen und Bekundungen in Zusammenhang mit der politischen Situation im Nahen Osten. Der Extremfall ist die offene so genannte fremdenfeindliche Gewalt. Rechtsextrem motivierte Straftaten sind in Deutschland laut Verfassungsschutzbericht im Jahre 2005 sprunghaft angestiegen.
Eine Fokussierung auf die Gewalttaten versperrt aber den Blick auf subtile Formen alltäglicher Diskriminierungen und Abgrenzungen, die in allen gesellschaftlichen Bereichen aufzufinden sind, angefangen von Zutrittsverweigerungen in Diskotheken oder Bars für junge Leute erkennbar nicht-deutscher Herkunft, über Belästigungen und Beleidigungen in öffentlichen Verkehrsmitteln bis hin zu schlechten Erfahrungen mit Polizeibeamten.
Dabei zeigt sich, dass die Erfahrungen von Migranten und Migrantinnen nicht homogen sind. Von Diskriminierung betroffen sind in erster Linie solche Personengruppen, die als „ethnisch fremd" und
„nicht erwünscht" etikettiert werden. Dazu gehören beispielsweise Schweden oder weiße US-Amerikaner/innen nicht. In einer Befragung des European Monitoring Centre of Racism and Xenophobia (EUMC) in Wien berichten für Deutschland 35 Prozent der schwarzen Befragten, 13 Prozent der türkischen Befragten und 12 Prozent der jugoslawischen Befragten, dass sie in verschiedensten Lebenssituationen wegen ihrer ethnischen Herkunft in den letzten fünf Jahren diskriminiert worden seien.8
In einer Studie des EUMC geben ein Viertel der Befragten in Deutschland an, in den letzten fünf Jahren auf dem Arbeitsplatz oder aber bei der Suche nach einem Arbeitsplatz diskriminiert worden zu sein.9 Eine der Hauptgruppen, die in Deutschland von Benachteiligung im Sinne von Ausgrenzung bedroht sind, sind die türkischen Migranten und Migrantinnen der zweiten Generation.
Diskriminierung auf dem Arbeitsmarkt tritt auf in Form von versperrtem Zugang zu Ausbildungs- plätzen, in Form von Arbeitslosigkeit, d.h. als versperrter Zugang zum Arbeitsmarkt, als Benachteiligung in der Arbeitsmarktkarriere wie z.B. mangelnde Aufstiegsmöglichkeiten, mangelnde Weiterbildungsmöglichkeiten, Mobbing oder Entlassungen. Eine offene Diskriminierung ist die ordentliche Kündigung einer Verkäuferin in einem Kaufhaus wegen des Tragens eines - islamischen - Kopftuchs.10 Nach dem AGG muss der Arbeitgeber unterbinden, dass zum Beispiel Vorgesetzte Beschäftigte, die unter das AGG fallen, benachteiligen. Auch muss es im Betrieb Ansprechpartner/innen für Beschwerden geben.
Jugendarbeitslosigkeit und Lehrstellenmangel trifft Jugendliche nicht-deutscher Herkunft am stärksten. Eine Befragung unter erwachsenen türkeistämmigen Migranten und Migrantinnen in NRW zeigte 2005, dass 43 Prozent der unter 30-Jährigen keinen berufsqualifizierenden Abschluss besitzen.11 Während dies nicht nur auf Diskriminierung zurückzuführen ist, wird Diskriminierung aber bei Benachteiligung trotz gleicher Abschlüsse deutlich: So ist der Anteil der Arbeitslosen unter Fachhochschul- und Hochschulabsolventen ebenso hoch wie unter Migranten und Migrantinnen ohne Ausbildung.12 Besonders junge Frauen mit Migrationshintergrund haben beim Übergang von Schule in den Beruf schlechtere Chancen, zum Teil wegen familiärer Vorbehalte, zum Teil aber auch wegen Vorbehalten in den Betrieben.
Eine unterschiedliche Behandlung wegen beruflicher Anforderungen kann zulässig sein, wenn sie eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung darstellt. So ist es beispielsweise zulässig, von einem Texter, der für Kampagnen im deutschsprachigen Raum eingesetzt werden soll, „fließende Deutschkenntnisse in Wort und Schrift" zu verlangen. Eine mittelbare Diskriminierung liegt aber vor, wenn beispielsweise alle Bewerber/innen auf eine Stelle einenSprachtest absolvieren müssen, obwohl diese Sprache für die Ausübung der Tätigkeit nicht notwendig ist.
Das AGG lässt Ausnahmereglungen des Verbotes von Ungleichbehandlung aufgrund von Religion/Weltanschauung zu. Sofern die Religion oder Weltanschauung eine gerechtfertigte berufliche Anforderung darstellt (§ 9), können Religionsgemeinschaften bzw. ihre Einrichtungen differenzieren. Das ist aber bei einer Reinigungskraft z.B. mit einer anderen Religionszugehörigkeit als ihr Arbeitgeber nicht der Fall.
Für den Bildungsbereich liegen u.a. nach der PISAStudie genaue Ergebnisse zur strukturellen Diskriminierung für Menschen nicht-deutscher Herkunft vor. Kinder nicht-deutscher Herkunft sind überproportional in der Hauptschule vertreten und unterproportional in Gymnasium und Realschule (selbst bei gleicher Schichtzugehörigkeit). Sie verlassen die Hauptschule zudem häufiger ohne Abschluss als Kinder deutscher Herkunft. Hier sind durchaus Diskriminierungen erkennbar.
Eine institutionelle Diskriminierung besteht beispielsweise darin, dass nicht selten geringe Deutschkenntnisse als allgemeine kognitive Defizite interpretiert werden. Auch ist es auffallend, dass die schulische Lesekompetenz von Kindern von Miganten/ innen in Deutschland geringer ist als in anderen Ländern mit vergleichbaren Zuwandergruppen.13 Der Kinderrechtsausschuss der Vereinten Nationen kritisiert in seinem zweiten Staatenbericht in Deutschland eine „De-facto-Diskriminierung von ausländischen oder Minderheiten angehörenden Kindern" und empfiehlt administrative und juristische Maßnahmen". 14
Das AGG verbietet Benachteiligung auch beim Zugang zu und der Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen, einschließlich Wohnraum. Allerdings wird bei Wohnraum eine Ausnahme getroffen, die nach Einschätzung verschiedener Seiten die Richtlinie der EU nicht ordnungsgemäß umsetzt: Die Vorschrift findet keine Anwendung, sofern ein Vermieter oder eine Vermieterin nicht mehr als 50 Wohnungen vermietet. Damit darf der Besitzer eines Mehrfamilienhauses mit 15 Wohnungen ohne Begründung Menschen mit Migrationshintergrund das Mietverhältnis verwehren. Eine ungleiche Behandlung ist auch gerechtfertigt, wenn „sozial stabile" Bewohnerstrukturen geschaffen oder erhalten werden sollen.
Dabei ist gerade hinsichtlich der Wohnverhältnisse eine strukturelle Diskriminierung nachweisbar. So zahlen Personen nicht-deutscher Herkunft trotz schlechterer Wohnbedingungen höhere Quadratmeterpreise, viele werden auf dem Wohnungsmarkt diskriminiert.15 28,4 Prozent der Haushalte von Migranten/ Migrantinnen bezahlen mehr als 35 Prozent ihres Einkommens für Miete, während dies bei deutschen Haushalten bei 23,5 Prozent der Fall ist.16 Opferberatungsstellen berichten über ungerechtfertigte Kündigungen.
Besonders Frauen sind der Gefahr der Diskriminierung aus mehreren Gründen ausgesetzt. Für Deutschland stellt der CEDAW17-Ausschuss fest, dass Migrantinnen und Minderheiten angehörende Frauen unter verschiedenen Formen von Diskriminierungen aufgrund von Geschlecht, ethnischer (...) Zugehörigkeit und Rasse' leiden". Deutschland wird aufgefordert, Maßnahmen dagegen zu ergreifen, „sowohl in der Gesellschaft als Ganzes als auch innerhalb ihrer Gemeinschaften sowie zur Achtung und Förderung ihrer Menschenrechte".18
EU-weit ist festzustellen, dass Migrantinnen auf dem Arbeitsmarkt besonders eingeschränkt sind und besonders als Putz- oder Kochhilfen oder im Gesundheits- und Pflegebereich unsichere und schlecht bezahlte Stellen innehaben. In vielen Ländern müssen sie noch mehr als Migranten Beschäftigungen annehmen, die unter ihrer Qualifikation liegen. Dabei besteht in der wissenschaft-
lichen Diskussion Einigkeit darüber, dass unter Mehrfachdiskriminierung nicht einfach zwei Quellen der Diskriminierung zu addieren sind, sonders dass sie eine eigene Qualität hat.19
So können Frauen muslimischer Herkunft von ihrer eigenen Gemeinschaft aufgrund des Geschlechts und von der Gesellschaft insgesamt aufgrund ihrer ethnischen Herkunft oder Religion diskriminiert werden. Diskriminierungsstrukturen sind komplex. Das Problem ist, dass statistische Daten kaum vorliegen, die Mehrfachdiskriminierung aufzeigen könnten. Während die EU-Richtlinien durch die Aufteilung der Diskriminierungsmerkmale Hindernisse für die Verfolgung von Mehrfachdiskriminierung aufgebaut haben, erleichtert das AGG den Opfern mehrfacher Diskriminierung die Verfolgung.
Durch vier Richtlinien, die die EU seit dem Jahre 2000 verabschiedet hat, und durch das im August des letzten Jahres in Kraft getretene Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz sollen Benach-
teiligungen aufgrund der ethnischen Herkunft bzw. Rasse, aufgrund von Religion/ Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters, der sexuellen Identität oder des Geschlechts verhindert oder beseitigt werden.
Ursachen und Mechanismen von Diskriminierung sind dabei sehr komplex und die Folgen unterscheiden sich für die angesprochenen Gruppen. Insofern müssen auch Maßnahmen an unterschiedlichen Stellen ansetzen, die eine Teilhabeförderung von Minderheiten in einer Gesellschaft bewirken wollen.
Es ist daher nötig, die Lage der Gruppen der Betroffenen spezifisch zu betrachten. Dies wird in drei Folgen geschehen, in denen jeweils Ausmaß und Hintergründe von Diskriminierung behandelt und Möglichkeiten des Schutzes vor Diskriminierung durch die EU-Richtlinien und das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz ausgelotet werden. In diesem ersten Beitrag steht ethnische Herkunft/ Rasse und Religion/Weltanschauung im Vordergrund.
In den kommenden Heften wird es um Behinderung und Alter und Geschlecht und sexuelle Orientierung gehen.
Einen Schutz vor Diskriminierung in Beschäftigung, Beruf und Ausbildung aus Gründen der Kategorien bzw. Zuschreibungen Rasse/ethnische Herkunft und Religion bzw. Weltanschauung,
um die es in diesem Beitrag geht, bietet die so genannte „Rahmenrichtlinie" 2000/78/EG. Die häufig „Antirassismusrichtlinie" genannte Richtlinie 2000/43/EG zur Anwendung des Gleichbehandlungs-
grundsatzes ohne Unterschied der Rasse oder der ethnischen Herkunft geht darüber hinaus und deckt auch andere Bereiche ab wie Bildung, Soziale Sicherheit, Gesundheitsversorgung, Zugang zu Gütern und Dienstleistungen einschließlich Wohnraum.
Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) kommt dem Bereich der Arbeitsverhältnisse nach und formuliert darüber hinaus ein Benachteiligungsverbot im zivilrechtlichen Bereich auch für die in der Rahmen-richtlinie erfassten Gruppen. Dabei sind als Reaktion auf Kritik u.a. vom Bundesrat Einschränkungen vorgenommen worden, auf die später eingegangen wird.
Der Begriff „Rasse" war bei der Formulierung der entsprechenden Texte kontrovers diskutiert worden.1 Er wird als politische Kategorie verwendet, nicht als biologische, worauf im Richtlinientext hingewiesen wird: Es gebe keine menschlichen Rassen und die Verwendung des Begriffes sei nicht gleichzusetzen mit der Akzeptanz von Rassentheorien. Rassistische Diskriminierungen beziehen sich auf Benachteiligungen aufgrund physiognomischer Merkmale (z.B. der Hautfarbe), der ethnischen Herkunft (Zugehörigkeit zu einer gemeinsamen sprachlichen und kulturellen Gruppe), des nationalen Ursprungs oder kultureller Merkmale (z.B. Sprache, Name).
Dabei können Diskriminierungen aufgrund der religiösen Zugehörigkeit und aufgrund der ethnischen Herkunft ineinander übergehen. Die Richtlinien treffen hier eine Unterscheidung, denn der materielle Geltungsbereich der Antirassismusrichtlinie ist wesentlich größer als der der Rahmenrichtlinie. Das AGG nimmt diese Trennung nicht vor, ähnlich wie andere nationale Rechtsvorschriften. Im Vereinigten Königreich beispielsweise wurden Diskriminierungen von Sikhs oder Juden ausdrücklich als Diskriminierungen aufgrund der ethnischen Herkunft eingestuft.2 Die Begriffe Religion bzw. Weltanschauung lassen verschiedene Interpretationen zu. Setzt Religion beispielsweise die Mitgliedschaft in einer religiösen Gemeinschaft voraus, wie Österreich in den Beilagen zum Bundes-Gleichbehandlungsgesetz definiert?
Tatsächlich geht es bei rassistischer Diskriminierung meist um Migranten und Migrantinnen oder um Antisemitismus. Mit Diskriminierungen sind konkrete Ungleichbehandlungen, Verletzungen Menschenrechtlicher Übereinkünfte gemeint, die zu Benachteiligungen führen. Rassendiskriminierung hat als Ziel oder/und zur Folge, dass ein „gleichberechtigtes Anerkennen, Genießen oder Ausüben von Menschenrechten und Grundfreiheiten im politischen, wirtschaftlichen, sozialen, kulturellen oder jedem sonstigen Bereich des öffentlichen Lebens vereitelt oder beeinträchtigt wird"3.
Dabei kann Diskriminierung ein absichtsvolles Handeln sein, sie kann aber auch in einem unbeabsichtigten Ergebnis institutioneller Mechanismen bestehen. Indirekte Diskriminierung kann genau genommen in drei Formen vorkommen: Erstens, wenn dem Anschein nach neutrale Verfahren oder Vorschriften Mitglieder einer bestimmten Kategorie benachteiligen und die Vorschrift weder sachlich noch vernünftig begründet ist. Zweitens, wo eine dem Anschein nach neutrale Maßnahme angewendet wird, die diese Folgen hat. Und drittens, wo ein Urheber einer allgemeinen Maßnahme unterlassen hat, durch Vorsehung einer Ausnahme bei der Anwendung der allgemeinen Regel eine Person oder Gruppe unterschiedlich zu behandeln.4
Gemeint ist mit Letzterem, dass z .B. das Nichttreffen effektiver Vorkehrungen für eine Person mit spezifischen Bedürfnissen aufgrund religiöser Verbote als Unterkategorie von Diskriminierung betrachtet werden kann, sofern die Ursache der Diskriminierung darin liegt, dass bei der Anwendung der allgemeinen Maßnahme die spezifische Situation einer der Gruppen nicht berücksichtigt wird. Beispiele sind verschiedene Urteile des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte, die feststellten, dass Flächennutzungsverordnungen die speziellen Bedürfnisse von nicht-sesshaften Fahrenden, die in Wohnwagen leben, nicht berücksichtigt hatten.5
Die Soziologie spricht darüber hinaus von institutionalisierter Diskriminierung im Falle von gesetzlichen Ungleichbehandlungen. So werden über Ausländer-bzw. Zuwanderungsgesetze - rechtskonform- mittels der Regeln der Staatsbürgerschaft Personengruppen hinsichtlich des Zugangs zu wohlfahrtsstaatlichen Leistungen und politischen Rechten unterschiedlich behandelt. Die Übersicht (S. 31) gibt einen Überblick über Definitionen und Beispiele rassistischer Diskriminierung, wie sie in den EU-Richtlinien und im AGG umfasst werden.
Wichtig ist eine Unterscheidung zwischen Vorurteil und Diskriminierung: Vorurteile sind Einstellungen, Haltungen; Diskriminierung hingegen ist eine Verhaltensweise, eine Handlung. So muss sich ein Mensch mit Vorurteilen nicht unbedingt diskriminierend verhalten. Allerdings bereiten Stigmatisierungen von Minderheiten in der öffentlichen Debatte den Boden für feindselige Handlungen und Benachteiligungen. Besonders in der Einwanderungsgesellschaft gefährdet Diskriminierung das Zusammenleben, das auf Demokratie und Toleranz beruht. Gesellschaftspolitisch sind daher die Teilhabeförderung benachteiligter Gruppen und Maßnahmen zur Stärkung der Zivilgesellschaft wichtige Ziele.
Wenn von Diskriminierung einer sozialen Gruppe gesprochen wird, ist die gesellschaftliche
Benachteiligung statistisch signifikant belegbar. Nicht für alle Bereiche der Gesellschaft liegen jedoch Kenntnisse und Forschungen über Diskriminierungen vor. Besonders in den Bereichen Erwerbsarbeit und Beschäftigung, Bildung und Wohnungsversorgung sind Benachteiligungen aufgrund der ethnischen Herkunft gravierend, weshalb die Umsetzung der Richtlinien und des AGG hier bedeutsam ist. Auch der Bericht der ECRI6 über Deutschland weist auf notwendige Maßnahmen besonders in diesen Bereichen hin, die freilich über Gesetzgebung hinausgehen müssen. Dabei zeigen Untersuchungen, dass Asylsuchende und Flüchtlinge sowie Angehörige der Gemeinschaften der Roma, Muslime und Juden europaweit zu den besonders gefährdeten Gruppen gehören. So liegt die Arbeitslosenquote der Muslime - die zweitgrößte Religionsgruppe in der EU - europaweit über dem Durchschnitt, ihr Bildungsniveau unter dem Durchschnitt und sie wohnen überproportional häufig in Gebieten mit schlechten Wohnverhältnissen.7 In Großbritannien wurde ein Test durchgeführt, bei dem 50 Unternehmen von sechs fiktiven Personen eine Bewerbung erhielten, deren Namen auf einen britischen, afrikanischen bzw. muslimischen Hintergrund schließen ließen. Die „weißen" Bewerber/innen erhielten zu 25 Prozent eine Einladung zu einem Vorstellungsgespräch, die „schwarzen" nur zu 13 Prozent. Bewerber/ innen mit einem muslimischen Namen hatten den geringsten Erfolg mit 9 Prozent. In Frankreich wurde ein ähnlicher Test vorgenommen. Die Universität Paris verschickte auf 258 Stellenangebote Lebensläufe, die standardisiert und erkennbar von Personen unterschiedlicher ethnischer Herkunft waren. Für Personen aus Nordafrika war die Wahrscheinlichkeit, eine positive Antwort zu erhalten, fünf Mal geringer als bei den anderen Personen. Die Tests belegen unmittelbare Benachteiligungen, da die Betroffenen in einer vergleichbaren Situation schlechter behandelt wurden als andere.
In Folge des 11. September 2001 hat sich nicht nur in Deutschland die öffentliche Meinung zum Islam generell und zur Integration muslimischer Personen speziell verändert. Viele Organisationen berichten von einer Zunahme islamophober Vorfälle. Dies bekommen nicht zuletzt Frauen zu spüren, die ein Kopftuch tragen und Beschimpfungen und Beleidigungen ausgesetzt sind. Auch spricht der ECRI-Bericht von einer Zunahme antisemitischer Einstellungen und Bekundungen in Zusammenhang mit der politischen Situation im Nahen Osten. Der Extremfall ist die offene so genannte fremdenfeindliche Gewalt. Rechtsextrem motivierte Straftaten sind in Deutschland laut Verfassungsschutzbericht im Jahre 2005 sprunghaft angestiegen.
Eine Fokussierung auf die Gewalttaten versperrt aber den Blick auf subtile Formen alltäglicher Diskriminierungen und Abgrenzungen, die in allen gesellschaftlichen Bereichen aufzufinden sind, angefangen von Zutrittsverweigerungen in Diskotheken oder Bars für junge Leute erkennbar nicht-deutscher Herkunft, über Belästigungen und Beleidigungen in öffentlichen Verkehrsmitteln bis hin zu schlechten Erfahrungen mit Polizeibeamten.
Dabei zeigt sich, dass die Erfahrungen von Migranten und Migrantinnen nicht homogen sind. Von Diskriminierung betroffen sind in erster Linie solche Personengruppen, die als „ethnisch fremd" und
„nicht erwünscht" etikettiert werden. Dazu gehören beispielsweise Schweden oder weiße US-Amerikaner/innen nicht. In einer Befragung des European Monitoring Centre of Racism and Xenophobia (EUMC) in Wien berichten für Deutschland 35 Prozent der schwarzen Befragten, 13 Prozent der türkischen Befragten und 12 Prozent der jugoslawischen Befragten, dass sie in verschiedensten Lebenssituationen wegen ihrer ethnischen Herkunft in den letzten fünf Jahren diskriminiert worden seien.8
In einer Studie des EUMC geben ein Viertel der Befragten in Deutschland an, in den letzten fünf Jahren auf dem Arbeitsplatz oder aber bei der Suche nach einem Arbeitsplatz diskriminiert worden zu sein.9 Eine der Hauptgruppen, die in Deutschland von Benachteiligung im Sinne von Ausgrenzung bedroht sind, sind die türkischen Migranten und Migrantinnen der zweiten Generation.
Diskriminierung auf dem Arbeitsmarkt tritt auf in Form von versperrtem Zugang zu Ausbildungs- plätzen, in Form von Arbeitslosigkeit, d.h. als versperrter Zugang zum Arbeitsmarkt, als Benachteiligung in der Arbeitsmarktkarriere wie z.B. mangelnde Aufstiegsmöglichkeiten, mangelnde Weiterbildungsmöglichkeiten, Mobbing oder Entlassungen. Eine offene Diskriminierung ist die ordentliche Kündigung einer Verkäuferin in einem Kaufhaus wegen des Tragens eines - islamischen - Kopftuchs.10 Nach dem AGG muss der Arbeitgeber unterbinden, dass zum Beispiel Vorgesetzte Beschäftigte, die unter das AGG fallen, benachteiligen. Auch muss es im Betrieb Ansprechpartner/innen für Beschwerden geben.
Jugendarbeitslosigkeit und Lehrstellenmangel trifft Jugendliche nicht-deutscher Herkunft am stärksten. Eine Befragung unter erwachsenen türkeistämmigen Migranten und Migrantinnen in NRW zeigte 2005, dass 43 Prozent der unter 30-Jährigen keinen berufsqualifizierenden Abschluss besitzen.11 Während dies nicht nur auf Diskriminierung zurückzuführen ist, wird Diskriminierung aber bei Benachteiligung trotz gleicher Abschlüsse deutlich: So ist der Anteil der Arbeitslosen unter Fachhochschul- und Hochschulabsolventen ebenso hoch wie unter Migranten und Migrantinnen ohne Ausbildung.12 Besonders junge Frauen mit Migrationshintergrund haben beim Übergang von Schule in den Beruf schlechtere Chancen, zum Teil wegen familiärer Vorbehalte, zum Teil aber auch wegen Vorbehalten in den Betrieben.
Eine unterschiedliche Behandlung wegen beruflicher Anforderungen kann zulässig sein, wenn sie eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung darstellt. So ist es beispielsweise zulässig, von einem Texter, der für Kampagnen im deutschsprachigen Raum eingesetzt werden soll, „fließende Deutschkenntnisse in Wort und Schrift" zu verlangen. Eine mittelbare Diskriminierung liegt aber vor, wenn beispielsweise alle Bewerber/innen auf eine Stelle einenSprachtest absolvieren müssen, obwohl diese Sprache für die Ausübung der Tätigkeit nicht notwendig ist.
Das AGG lässt Ausnahmereglungen des Verbotes von Ungleichbehandlung aufgrund von Religion/Weltanschauung zu. Sofern die Religion oder Weltanschauung eine gerechtfertigte berufliche Anforderung darstellt (§ 9), können Religionsgemeinschaften bzw. ihre Einrichtungen differenzieren. Das ist aber bei einer Reinigungskraft z.B. mit einer anderen Religionszugehörigkeit als ihr Arbeitgeber nicht der Fall.
Für den Bildungsbereich liegen u.a. nach der PISAStudie genaue Ergebnisse zur strukturellen Diskriminierung für Menschen nicht-deutscher Herkunft vor. Kinder nicht-deutscher Herkunft sind überproportional in der Hauptschule vertreten und unterproportional in Gymnasium und Realschule (selbst bei gleicher Schichtzugehörigkeit). Sie verlassen die Hauptschule zudem häufiger ohne Abschluss als Kinder deutscher Herkunft. Hier sind durchaus Diskriminierungen erkennbar.
Eine institutionelle Diskriminierung besteht beispielsweise darin, dass nicht selten geringe Deutschkenntnisse als allgemeine kognitive Defizite interpretiert werden. Auch ist es auffallend, dass die schulische Lesekompetenz von Kindern von Miganten/ innen in Deutschland geringer ist als in anderen Ländern mit vergleichbaren Zuwandergruppen.13 Der Kinderrechtsausschuss der Vereinten Nationen kritisiert in seinem zweiten Staatenbericht in Deutschland eine „De-facto-Diskriminierung von ausländischen oder Minderheiten angehörenden Kindern" und empfiehlt administrative und juristische Maßnahmen". 14
Das AGG verbietet Benachteiligung auch beim Zugang zu und der Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen, einschließlich Wohnraum. Allerdings wird bei Wohnraum eine Ausnahme getroffen, die nach Einschätzung verschiedener Seiten die Richtlinie der EU nicht ordnungsgemäß umsetzt: Die Vorschrift findet keine Anwendung, sofern ein Vermieter oder eine Vermieterin nicht mehr als 50 Wohnungen vermietet. Damit darf der Besitzer eines Mehrfamilienhauses mit 15 Wohnungen ohne Begründung Menschen mit Migrationshintergrund das Mietverhältnis verwehren. Eine ungleiche Behandlung ist auch gerechtfertigt, wenn „sozial stabile" Bewohnerstrukturen geschaffen oder erhalten werden sollen.
Dabei ist gerade hinsichtlich der Wohnverhältnisse eine strukturelle Diskriminierung nachweisbar. So zahlen Personen nicht-deutscher Herkunft trotz schlechterer Wohnbedingungen höhere Quadratmeterpreise, viele werden auf dem Wohnungsmarkt diskriminiert.15 28,4 Prozent der Haushalte von Migranten/ Migrantinnen bezahlen mehr als 35 Prozent ihres Einkommens für Miete, während dies bei deutschen Haushalten bei 23,5 Prozent der Fall ist.16 Opferberatungsstellen berichten über ungerechtfertigte Kündigungen.
Besonders Frauen sind der Gefahr der Diskriminierung aus mehreren Gründen ausgesetzt. Für Deutschland stellt der CEDAW17-Ausschuss fest, dass Migrantinnen und Minderheiten angehörende Frauen unter verschiedenen Formen von Diskriminierungen aufgrund von Geschlecht, ethnischer (...) Zugehörigkeit und Rasse' leiden". Deutschland wird aufgefordert, Maßnahmen dagegen zu ergreifen, „sowohl in der Gesellschaft als Ganzes als auch innerhalb ihrer Gemeinschaften sowie zur Achtung und Förderung ihrer Menschenrechte".18
EU-weit ist festzustellen, dass Migrantinnen auf dem Arbeitsmarkt besonders eingeschränkt sind und besonders als Putz- oder Kochhilfen oder im Gesundheits- und Pflegebereich unsichere und schlecht bezahlte Stellen innehaben. In vielen Ländern müssen sie noch mehr als Migranten Beschäftigungen annehmen, die unter ihrer Qualifikation liegen. Dabei besteht in der wissenschaft-
lichen Diskussion Einigkeit darüber, dass unter Mehrfachdiskriminierung nicht einfach zwei Quellen der Diskriminierung zu addieren sind, sonders dass sie eine eigene Qualität hat.19
So können Frauen muslimischer Herkunft von ihrer eigenen Gemeinschaft aufgrund des Geschlechts und von der Gesellschaft insgesamt aufgrund ihrer ethnischen Herkunft oder Religion diskriminiert werden. Diskriminierungsstrukturen sind komplex. Das Problem ist, dass statistische Daten kaum vorliegen, die Mehrfachdiskriminierung aufzeigen könnten. Während die EU-Richtlinien durch die Aufteilung der Diskriminierungsmerkmale Hindernisse für die Verfolgung von Mehrfachdiskriminierung aufgebaut haben, erleichtert das AGG den Opfern mehrfacher Diskriminierung die Verfolgung.