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EQUAL PAY: Mit welchen Instrumenten kann Entgeltungleichheit ernstzunehmend gemessen werden?

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Nach wie vor erhalten Frauen auch für gleiche oder gleichwertige Arbeit oft nicht das gleiche Gehalt wie Männer. Ein neues Prüfinstrument deckt die Mechanismen auf, die zu unterschiedlicher Bezahlung führen.

Dateianhänge:

    Deutschland schneidet schlecht ab

    Kurz vor dem Equal-Pay-Day am 26. März hat die Europäische Kommission ihre Zahlen zum Lohnabstand zwischen den Geschlechtern aktualisiert: Gut 23 Prozent Lohnabstand zwischen den Geschlechtern attestiert sie Deutschland - der fünft schlechteste Wert unter den 27 EU-Ländern. Wie viel dieser Lücke ist jedoch tatsächlich auf Diskriminierung zurückzuführen?

     

    Die Höhe des Lohns wird von einer Vielzahl an Faktoren beeinflusst, die sich nicht alle auf den ersten Blick identifizieren lassen:

     

    • Frauen konzentrieren sich auf Branchen und Berufe mit niedrigem Verdienstniveau,
    • sie machen seltener Karriere,
    • steigen häufiger aus dem Erwerbsleben aus, weil sie sich um die Familie kümmern.

     

    All das kann einen Teil des starken Lohngefälles erklären. Statistisch lässt sich aber so nur ein Drittel der Einkommenslücke herausrechnen. Beim Rest besteht Diskriminierungsverdacht.

     


     

    Mehr zu diesen Zusammenhängen finden Sie im Kurzdossier im Dateianhang.

    Neues Prüfinstrument gegen Entgeltdiskriminierung

    Mit eg-check.de können Unternehmen, Betriebs- und Personalräte und auch einzelne Beschäftigte prüfen, ob in ihrem Betrieb beide Geschlechter diskriminierungsfrei bezahlt werden, oder nicht.

     

    Praktikable Prüfverfahren sind wichtig, um für mehr Entgeltgerechtigkeit zu sorgen, betont Prof. Dr. Heide Pfarr, Wissenschaftliche Direktorin des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) in der Hans-Böckler-Stiftung. Ein durchgreifender Fortschritt sei aber nur zu erwarten, wenn auch der rechtliche Rahmen modernisiert werde und Verbindlichkeit schaffe.

     

    Ein Gleichstellungsgesetz für die Privatwirtschaft sei deshalb dingend erforderlich, sagt die Arbeitsrechtlerin: "Zehn Jahre freiwillige Selbstverpflichtung haben die Entgeltdiskriminierung nicht beseitigt".

    Verdeckter Entgeltdiskriminierung auf der Spur

    Das Prüfinstrument eg-check klopft auf Basis der geltenden Rechtslage wichtige Vergütungsbestandteile - wie Grundgehalt, Leistungsvergütungen oder Erschwerniszuschläge - einzeln auf mögliche Diskriminierung ab. Alle Bestandteile können einen dreistufigen Test durchlaufen. Er zeigt die Ursachen der Ungleichbehandlung und ihr finanzielles Ausmaß. "Unsere Prüfinstrumente sollen nachvollziehbar sein und müssen der Logik der einzelnen Entgeltbestandteile folgen", so Tondorf. Denn Diskriminierung geschieht häufig verdeckt und lässt sich nur schwer aufspüren.

     

    Tondorf und Jochmann-Döll haben eg-check.de als Alternative zu einem Angebot des Bundesfrauenministeriums entwickelt: dem Software-Programm "Lohngleichheit im Betrieb - Deutschland" (Logib-D). Damit sollen Unternehmen freiwillig überprüfen können, ob sie Männer und Frauen bei gleicher Tätigkeit auch gleich entlohnen. Forscherinnen des WSI haben jedoch erhebliche Zweifel daran, dass Logib-D geeignet ist, dem Problem der Lohnungleichheit beizukommen.

    Die Freiwilligkeit ist ein Problem

    Ein Knackpunkt bei Logib-D ist die Freiwilligkeit: In der Schweiz, aus der das Vorbild für Logib-D stammt, gelten andere Rahmenbedingungen. Dort müssen zumindest Firmen, die sich um öffentliche Aufträge bewerben, Entgeltgleichheit zwischen Frauen und Männern nachweisen. In Deutschland bleibt es der Eigeninitiative der Privatwirtschaft überlassen, in wieweit sie sich um Gleichstellung kümmert. Wenn sich ein Unternehmen aus eigenem Antrieb einem Selbsttest unterzieht, muss es bei einer negativen Bewertung nicht handeln, so das WSI.

     

    Das Software-Programm selbst weist nach Analyse des WSI zudem einige Schwächen auf: So lässt Logib-D etwa die Ergebnisse der bestehenden Arbeitsbewertung, die in Tarifverträgen oder betrieblichen Entgeltsystemen festgelegt ist, in die Statistik einfließen.

     

    Die Diskriminierungsforschung stellt jedoch immer wieder fest, dass die tatsächlichen Anforderungen an frauendominierte Tätigkeiten in diesen Bewertungen häufig nicht hinreichend berücksichtigt sind - wie zum Beispiel die Verantwortung, die die Leiterin einer Großküche für Gesundheit und Sicherheit von Personen trägt. Dies blende mögliche Diskriminierungen in der Arbeitsbewertung von vornherein aus, so die WSI-Expertinnen.

     

    Dagegen würden bei eg-check.de die bestehenden Bewertungen der Tätigkeiten kritisch hinterfragt und deren Defizite aufgezeigt.

     


     

    Beispiele dazu sehen Sie in der Kurzpräsentation im Dateianhang.

    Was wird überprüft?

    Ein weiterer Kritikpunkt: Die für Logib-D verwendeten Daten sind an die deutsche Verdienststrukturerhebung angepasst. Diese seien mit fünf \"Anforderungsniveaus\" zu grob kategorisiert, da Ungleichbehandlung häufig innerhalb eines Niveaus passiert. Auch orientieren sich die Zuordnungen an den bestehenden Bewertungen. Ob diese Diskriminierung bergen, lässt sich so nicht messen. Das Angebot eg-check.de begegne dem Problem unter anderem dadurch, dass es auch eine Überprüfung der Arbeitsbewertung vorsieht, wie sie zum Beispiel in Tarifverträgen  üblich ist.

    Stellungnahme des djb zu Logib-D

    Der Deutsche Juristinnenbund (djb) bewertet Logib-D wie folgt:

     

    "Logib-D ist eine Software, um verdeckte Entgeltunterschiede zwischen Frauen und Männern in Unternehmen zu identifizieren und ihre Ursachen herauszufinden. Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend bietet diese Software den Unternehmen zum Selbsttest an. Misst man Logib-D allerdings an diesen Zielen, so zeigt sich, dass es keine brauchbaren Informationen liefert und das vorgegebene Ziel sogar konterkariert. Seine Testergebnisse können bestehende Entgeltungleichheiten sogar verschleiern.

     

    Die Kriterien, die Logib-D für "objektive" Erklärungen von Entgeltdifferenzen ausgibt, sind selbst nicht diskriminierungsfrei. Beispielsweise sind die Kriterien "berufliche Stellung im Betrieb" und "Anforderungsniveau des Arbeitsplatzes", nach denen Männer- und Frauenentgelte verglichen werden sollen, in Definition und Anwendung häufig selbst von mittelbarer Diskriminierung geprägt. Logib D klammert damit die geschlechtsdiskriminierende  Bewertung von Tätigkeiten aus, die eine der Hauptursachen für Entgeltdiskriminierung darstellt. Der Test ist daher nicht zuverlässig und kann die betroffenen Unternehmen sogar in falscher (Rechts-)Sicherheit wiegen. Denn bei Entgeltgleichheitsklagen einzelner Arbeitnehmer(innen) sind später ganz andere Maßstäbe anzulegen.

     

    Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass ein solcher Test allein Entgeltgleichheit ohnehin nicht garantieren kann. Dazu müssen auch die  Beschäftigten und die Betriebs- und Tarifvertragsparteien eingebunden werden. Gefordert sind hier nicht nur die  Unternehmen, sondern auch der  Gesetzgeber. Freiwilliges Handeln einzelner Unternehmen kann zwar als Vorbild dienen, reicht aber nicht aus, um Entgeltgleichheit für alle zu bewirken. Der Staat darf sich bei seiner unionsrechtlich (Art. 157 Abs. 1 AEUV) und verfassungsrechtlich (Art. 3 Abs. 2 GG) verankerten Verpflichtung, die bestehende Entgeltungleichheit zwischen Männern und Frauen zu beseitigen, nicht auf freiwilliges Handeln einzelner Unternehmen verlassen."

     

    Quelle: Pressemitteilung des djb vom 24.3.2010


     

    Anlässlich des Equal Pay Day 2010 hat der djb ausführlich zu Logib-D Stellung genommen:

    "Verfehlte Hoffnungen auf Anzeige diskriminierungsverdächtiger Entgeltdifferenzen"

    http://www.djb.de/Kom/K1/st10-3/

     

    Die Vorteile von eg-check im Vergleich

    Im Vergleich leisten die neuen Prüfinstrumente, die eg-check bietet, weitaus mehr als Logib-D: "Es ist notwendig, die Entgeltbestandteile einzeln zu prüfen, denn sie haben jeweils eine eigene Bewertungslogik", so die Forscherinnen des WSI.

     

    Die wichtigsten Bestandteile, die mithilfe von eg-check überprüft werden können:

     

    • Anforderungsbezogenes Grundentgelt
    • Stufensteigerungen beim Grundentgelt
    • Leistungsvergütungen
    • Überstundenvergütungen
    • Erschwerniszuschläge

     

    Das Angebot eg-check.de bietet verschiedene Instrumente:

     

    1. Statistiken. Sie enthalten anonymisierte Entgeltdaten des zu prüfenden Unternehmens, differenziert nach Geschlecht und weiteren, für die Prüfung relevanten Kriterien.
    2. Regelungs-Checks. Diese machen diskriminierende Bestimmungen in entgeltrelevanten Regelungen sichtbar, also in Betriebs- oder Dienstvereinbarungen, aber auch in Tarifverträgen.
    3. Paarvergleiche. Hier wird die individuelle Bezahlung einer weiblichen Beschäftigten mit der eines männlichen Beschäftigten verglichen - zum Beispiel die einer Küchenleiterin mit der eines Werkstattleiters.

     

    Damit lassen sich mit eg-check.de für jede einzelne Beschäftigte die Ursachen einer Benachteiligung identifizieren und der finanzielle Anspruch berechnen. Das macht die Prüfinstrumente nicht nur für Arbeitgeber interessant, sondern auch für individuell Betroffene, deren Rechtsbeistände, Arbeitsgerichte, Betriebs- und Personalräte sowie die Tarifparteien.

     

    Allerdings: "Auch gute Prüfverfahren nützen nichts, wenn es keinen Druck gibt, die festgestellte Diskriminierung zu beseitigen", betont WSI-Direktorin Pfarr. Sie befürwortet deshalb zusätzlich ein Gleichstellungsgesetz für die Privatwirtschaft. 

    Vorreiter gesucht!

    Am Vorabend des Equal Pay Day stellte Frau Dr. Tondorf in einer Veranstaltung des Heidelberger Amtes für Chancengleichheit das neue Prüfinstrument eg-check vor. Das Interesse der Firmen ist bislang verhalten, was Bürgermeister Erichson in seinen einführenden Worten als Ausdruck dessen wertete, wie dringend sich etwas ändern muss. Der öffentliche Dienst nimmt hier eine Vorreiter-Rolle ein, denn dort ist die Lohnlücke zwischen Frauen und Männern erheblich geringer als in der Privatwirtschaft.

     

    Die Stadt Heidelberg ist in der komfortablen Situation, dass sie bereits seit 1995 eine sehr differenzierte Bestandsaufnahme und Bewertung ihrer Zahlen durchführt und so auch Fortschritte messen kann. Und die können sich sehen lassen: Der Verdienstabstand beträgt hier nur 11 Prozent, Tendenz fallend.

     

    Grund dafür ist ein Umdenken und der gezielte Einsatz von Maßnahmen wie der Ausbau der Kinderbetreuung, flexible Arbeitsmodelle und geschlechtergerechte Personalentwicklung. Die konsequente tatsächliche Umsetzung von Konzepten, die Gleichstellung fördern, wirkt auch der Ungleichheit beim Entgelt entgegen.

     

    Alle diese Maßnahmen greifen ineinander und stärken den Wirtschaftsstandort Heidelberg - darin sind sich die Verantwortlichen Roland Haag, Leiter des Personal- und Organisationsamts, Nadine Klasen, Vertreterin des Amts für Wirtschaftsförderung und Beschäftigung, und Dörthe Domzig, Leiterin des Amts für Chancengleichheit, einig.

     


    Lesen Sie einen ausführlichen Bericht über die Veranstaltung auf der Homepage der Stadt Heidelberg.

    Wie soll und kann es nun weitergehen?

    Ganz wichtig ist es, dass die Tarifparteien das Thema Entgeltgleichheit endlich auf ihre Tagesordnung setzen, gerade auch, wenn es jetzt um die neue Entgeltordnung geht. Die Bewertungskriterien von Arbeit müssen genau unter die Lupe genommen werden, vor allem auch die, die bislang ausgeklammert wurden: die psycho-sozialen Kompetenzen. Denn die betreffen vorwiegend die Arbeit mit Menschen in fürsorgenden und dienstleistenden Berufen - und diese werden vorwiegend von Frauen ausgeübt.

     

    Firmen/Behörden, die prüfen möchten, ob in ihrer Organisation Entgeltungleichheit besteht und die ggf. Maßnahmen dagegen ergreifen wollen, brauchen Unterstützung und Beratung. Dazu wäre der Aufbau eines Berater/innen-Netzes sinnvoll. Wünschenwert ist auch die Möglichkeit einer Zertifizierung, damit Firmen, die sich um Entgeltgleichheit bemühen, dann auch gezielt damit werben können und sich qualifizierte Nachwuchskräfte sichern können - was in Zeiten des demografischen Wandels zunehmend an Bedeutung gewinnen wird!

     

    Es muss Pilotprojekte geben, die wissenschaftlich begleitet werden und die aufzeigen, wie eg-check umgesetzt werden kann. Die Ergebnisse können im Internet als Best Practice Beispiele allen anderen Interessierten zugänglich gemacht werden.

     

    Im öffentlichen Dienst ist die Lohnlücke erheblich geringer als in der Privatwirtschaft. Dies ist auf die Vorgaben der Gleichstellungsgesetze und den unermüdlichen Einsatz der Gleichstellungsbeauftragten zurückzuführen. Was wir brauchen, ist ein Gleichstellungsgesetz für die Privatwirtschaft. Hier ist der Gesetzgeber gefordert.

     

    Schließlich ist es wie so oft bei Veränderungen: Sie beginnen im Kopf. Ein Wandel im Bewusstsein von Führungskräften wäre eine erste Maßnahme, die jede/r Führende bei sich selbst beginnen kann.

     

    Es gibt also noch viel zu tun und zu prüfen - genügend Stoff für weitere Equal Pay Days, deren Datum hoffentlich immer weiter nach vorne rückt als sichtbares Zeichen dafür, dass Entgeltungleichheit in Deutschland nicht länger tatenlos hingenommen wird.

     

    Claudia Luz

    Mehr Informationen
    • Kurzdossier mit Informationen zur Entgeltungleichheit (fünf Seiten; Download im Dateianhang)
    • Kurzpräsentation zu eg-check.de (Download im Dateianhang)
    • Grafik zur Entgeltgleichheit (im Dateianhang)

     

    Quelle:

    Pressemitteilung der Hans-Böckler-Stiftung vom 19.3.2010 und

    Böckler-Impuls, http://www.boeckler.de/1143_1161.htm

     


     

    Hinweis:

    In der GiP 2/2010 (April-Ausgabe) wird das neue Prüfinstrument von Dr. Karin Tondorf ausführlich vorgestellt.

    In Deutschland verdienen Frauen im Durchschnitt rund 23 Prozent weniger als ihre männlichen Kollegen. 

     

    Wer diese Entgeltdiskriminierung erkennen und beseitigen will, braucht effektive Prüfinstrumente. Deshalb haben die beiden Expertinnen für Entgelt- und Gleichstellungspolitik Karin Tondorf und Andrea Jochmann-Döll mit finanzieller Unterstützung der Hans-Böckler-Stiftung den Entgeltgleichheits-Check entwickelt. Er steht nun in einer Testversion zur Verfügung. Sie finden ihn unter www.eg-check.de/

     

    Lesen Sie auf den folgenden Seiten Hintergrundinformationen zu Equal Pay und zu eg-check.de.

     

    Quelle: Pressemitteilung der Hans-Böckler-Stiftung vom 19.3.2010

     


    Hinweis: In der GiP 2/2010 (April-Ausgabe) wird das neue Prüfinstrument von Dr. Karin Tondorf ausführlich vorgestellt.

    Deutschland schneidet schlecht ab

    Kurz vor dem Equal-Pay-Day am 26. März hat die Europäische Kommission ihre Zahlen zum Lohnabstand zwischen den Geschlechtern aktualisiert: Gut 23 Prozent Lohnabstand zwischen den Geschlechtern attestiert sie Deutschland - der fünft schlechteste Wert unter den 27 EU-Ländern. Wie viel dieser Lücke ist jedoch tatsächlich auf Diskriminierung zurückzuführen?

     

    Die Höhe des Lohns wird von einer Vielzahl an Faktoren beeinflusst, die sich nicht alle auf den ersten Blick identifizieren lassen:

     

    • Frauen konzentrieren sich auf Branchen und Berufe mit niedrigem Verdienstniveau,
    • sie machen seltener Karriere,
    • steigen häufiger aus dem Erwerbsleben aus, weil sie sich um die Familie kümmern.

     

    All das kann einen Teil des starken Lohngefälles erklären. Statistisch lässt sich aber so nur ein Drittel der Einkommenslücke herausrechnen. Beim Rest besteht Diskriminierungsverdacht.

     


     

    Mehr zu diesen Zusammenhängen finden Sie im Kurzdossier im Dateianhang.

    Neues Prüfinstrument gegen Entgeltdiskriminierung

    Mit eg-check.de können Unternehmen, Betriebs- und Personalräte und auch einzelne Beschäftigte prüfen, ob in ihrem Betrieb beide Geschlechter diskriminierungsfrei bezahlt werden, oder nicht.

     

    Praktikable Prüfverfahren sind wichtig, um für mehr Entgeltgerechtigkeit zu sorgen, betont Prof. Dr. Heide Pfarr, Wissenschaftliche Direktorin des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) in der Hans-Böckler-Stiftung. Ein durchgreifender Fortschritt sei aber nur zu erwarten, wenn auch der rechtliche Rahmen modernisiert werde und Verbindlichkeit schaffe.

     

    Ein Gleichstellungsgesetz für die Privatwirtschaft sei deshalb dingend erforderlich, sagt die Arbeitsrechtlerin: "Zehn Jahre freiwillige Selbstverpflichtung haben die Entgeltdiskriminierung nicht beseitigt".

    Verdeckter Entgeltdiskriminierung auf der Spur

    Das Prüfinstrument eg-check klopft auf Basis der geltenden Rechtslage wichtige Vergütungsbestandteile - wie Grundgehalt, Leistungsvergütungen oder Erschwerniszuschläge - einzeln auf mögliche Diskriminierung ab. Alle Bestandteile können einen dreistufigen Test durchlaufen. Er zeigt die Ursachen der Ungleichbehandlung und ihr finanzielles Ausmaß. "Unsere Prüfinstrumente sollen nachvollziehbar sein und müssen der Logik der einzelnen Entgeltbestandteile folgen", so Tondorf. Denn Diskriminierung geschieht häufig verdeckt und lässt sich nur schwer aufspüren.

     

    Tondorf und Jochmann-Döll haben eg-check.de als Alternative zu einem Angebot des Bundesfrauenministeriums entwickelt: dem Software-Programm "Lohngleichheit im Betrieb - Deutschland" (Logib-D). Damit sollen Unternehmen freiwillig überprüfen können, ob sie Männer und Frauen bei gleicher Tätigkeit auch gleich entlohnen. Forscherinnen des WSI haben jedoch erhebliche Zweifel daran, dass Logib-D geeignet ist, dem Problem der Lohnungleichheit beizukommen.

    Die Freiwilligkeit ist ein Problem

    Ein Knackpunkt bei Logib-D ist die Freiwilligkeit: In der Schweiz, aus der das Vorbild für Logib-D stammt, gelten andere Rahmenbedingungen. Dort müssen zumindest Firmen, die sich um öffentliche Aufträge bewerben, Entgeltgleichheit zwischen Frauen und Männern nachweisen. In Deutschland bleibt es der Eigeninitiative der Privatwirtschaft überlassen, in wieweit sie sich um Gleichstellung kümmert. Wenn sich ein Unternehmen aus eigenem Antrieb einem Selbsttest unterzieht, muss es bei einer negativen Bewertung nicht handeln, so das WSI.

     

    Das Software-Programm selbst weist nach Analyse des WSI zudem einige Schwächen auf: So lässt Logib-D etwa die Ergebnisse der bestehenden Arbeitsbewertung, die in Tarifverträgen oder betrieblichen Entgeltsystemen festgelegt ist, in die Statistik einfließen.

     

    Die Diskriminierungsforschung stellt jedoch immer wieder fest, dass die tatsächlichen Anforderungen an frauendominierte Tätigkeiten in diesen Bewertungen häufig nicht hinreichend berücksichtigt sind - wie zum Beispiel die Verantwortung, die die Leiterin einer Großküche für Gesundheit und Sicherheit von Personen trägt. Dies blende mögliche Diskriminierungen in der Arbeitsbewertung von vornherein aus, so die WSI-Expertinnen.

     

    Dagegen würden bei eg-check.de die bestehenden Bewertungen der Tätigkeiten kritisch hinterfragt und deren Defizite aufgezeigt.

     


     

    Beispiele dazu sehen Sie in der Kurzpräsentation im Dateianhang.

    Was wird überprüft?

    Ein weiterer Kritikpunkt: Die für Logib-D verwendeten Daten sind an die deutsche Verdienststrukturerhebung angepasst. Diese seien mit fünf \"Anforderungsniveaus\" zu grob kategorisiert, da Ungleichbehandlung häufig innerhalb eines Niveaus passiert. Auch orientieren sich die Zuordnungen an den bestehenden Bewertungen. Ob diese Diskriminierung bergen, lässt sich so nicht messen. Das Angebot eg-check.de begegne dem Problem unter anderem dadurch, dass es auch eine Überprüfung der Arbeitsbewertung vorsieht, wie sie zum Beispiel in Tarifverträgen  üblich ist.

    Stellungnahme des djb zu Logib-D

    Der Deutsche Juristinnenbund (djb) bewertet Logib-D wie folgt:

     

    "Logib-D ist eine Software, um verdeckte Entgeltunterschiede zwischen Frauen und Männern in Unternehmen zu identifizieren und ihre Ursachen herauszufinden. Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend bietet diese Software den Unternehmen zum Selbsttest an. Misst man Logib-D allerdings an diesen Zielen, so zeigt sich, dass es keine brauchbaren Informationen liefert und das vorgegebene Ziel sogar konterkariert. Seine Testergebnisse können bestehende Entgeltungleichheiten sogar verschleiern.

     

    Die Kriterien, die Logib-D für "objektive" Erklärungen von Entgeltdifferenzen ausgibt, sind selbst nicht diskriminierungsfrei. Beispielsweise sind die Kriterien "berufliche Stellung im Betrieb" und "Anforderungsniveau des Arbeitsplatzes", nach denen Männer- und Frauenentgelte verglichen werden sollen, in Definition und Anwendung häufig selbst von mittelbarer Diskriminierung geprägt. Logib D klammert damit die geschlechtsdiskriminierende  Bewertung von Tätigkeiten aus, die eine der Hauptursachen für Entgeltdiskriminierung darstellt. Der Test ist daher nicht zuverlässig und kann die betroffenen Unternehmen sogar in falscher (Rechts-)Sicherheit wiegen. Denn bei Entgeltgleichheitsklagen einzelner Arbeitnehmer(innen) sind später ganz andere Maßstäbe anzulegen.

     

    Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass ein solcher Test allein Entgeltgleichheit ohnehin nicht garantieren kann. Dazu müssen auch die  Beschäftigten und die Betriebs- und Tarifvertragsparteien eingebunden werden. Gefordert sind hier nicht nur die  Unternehmen, sondern auch der  Gesetzgeber. Freiwilliges Handeln einzelner Unternehmen kann zwar als Vorbild dienen, reicht aber nicht aus, um Entgeltgleichheit für alle zu bewirken. Der Staat darf sich bei seiner unionsrechtlich (Art. 157 Abs. 1 AEUV) und verfassungsrechtlich (Art. 3 Abs. 2 GG) verankerten Verpflichtung, die bestehende Entgeltungleichheit zwischen Männern und Frauen zu beseitigen, nicht auf freiwilliges Handeln einzelner Unternehmen verlassen."

     

    Quelle: Pressemitteilung des djb vom 24.3.2010


     

    Anlässlich des Equal Pay Day 2010 hat der djb ausführlich zu Logib-D Stellung genommen:

    "Verfehlte Hoffnungen auf Anzeige diskriminierungsverdächtiger Entgeltdifferenzen"

    http://www.djb.de/Kom/K1/st10-3/

     

    Die Vorteile von eg-check im Vergleich

    Im Vergleich leisten die neuen Prüfinstrumente, die eg-check bietet, weitaus mehr als Logib-D: "Es ist notwendig, die Entgeltbestandteile einzeln zu prüfen, denn sie haben jeweils eine eigene Bewertungslogik", so die Forscherinnen des WSI.

     

    Die wichtigsten Bestandteile, die mithilfe von eg-check überprüft werden können:

     

    • Anforderungsbezogenes Grundentgelt
    • Stufensteigerungen beim Grundentgelt
    • Leistungsvergütungen
    • Überstundenvergütungen
    • Erschwerniszuschläge

     

    Das Angebot eg-check.de bietet verschiedene Instrumente:

     

    1. Statistiken. Sie enthalten anonymisierte Entgeltdaten des zu prüfenden Unternehmens, differenziert nach Geschlecht und weiteren, für die Prüfung relevanten Kriterien.
    2. Regelungs-Checks. Diese machen diskriminierende Bestimmungen in entgeltrelevanten Regelungen sichtbar, also in Betriebs- oder Dienstvereinbarungen, aber auch in Tarifverträgen.
    3. Paarvergleiche. Hier wird die individuelle Bezahlung einer weiblichen Beschäftigten mit der eines männlichen Beschäftigten verglichen - zum Beispiel die einer Küchenleiterin mit der eines Werkstattleiters.

     

    Damit lassen sich mit eg-check.de für jede einzelne Beschäftigte die Ursachen einer Benachteiligung identifizieren und der finanzielle Anspruch berechnen. Das macht die Prüfinstrumente nicht nur für Arbeitgeber interessant, sondern auch für individuell Betroffene, deren Rechtsbeistände, Arbeitsgerichte, Betriebs- und Personalräte sowie die Tarifparteien.

     

    Allerdings: "Auch gute Prüfverfahren nützen nichts, wenn es keinen Druck gibt, die festgestellte Diskriminierung zu beseitigen", betont WSI-Direktorin Pfarr. Sie befürwortet deshalb zusätzlich ein Gleichstellungsgesetz für die Privatwirtschaft. 

    Vorreiter gesucht!

    Am Vorabend des Equal Pay Day stellte Frau Dr. Tondorf in einer Veranstaltung des Heidelberger Amtes für Chancengleichheit das neue Prüfinstrument eg-check vor. Das Interesse der Firmen ist bislang verhalten, was Bürgermeister Erichson in seinen einführenden Worten als Ausdruck dessen wertete, wie dringend sich etwas ändern muss. Der öffentliche Dienst nimmt hier eine Vorreiter-Rolle ein, denn dort ist die Lohnlücke zwischen Frauen und Männern erheblich geringer als in der Privatwirtschaft.

     

    Die Stadt Heidelberg ist in der komfortablen Situation, dass sie bereits seit 1995 eine sehr differenzierte Bestandsaufnahme und Bewertung ihrer Zahlen durchführt und so auch Fortschritte messen kann. Und die können sich sehen lassen: Der Verdienstabstand beträgt hier nur 11 Prozent, Tendenz fallend.

     

    Grund dafür ist ein Umdenken und der gezielte Einsatz von Maßnahmen wie der Ausbau der Kinderbetreuung, flexible Arbeitsmodelle und geschlechtergerechte Personalentwicklung. Die konsequente tatsächliche Umsetzung von Konzepten, die Gleichstellung fördern, wirkt auch der Ungleichheit beim Entgelt entgegen.

     

    Alle diese Maßnahmen greifen ineinander und stärken den Wirtschaftsstandort Heidelberg - darin sind sich die Verantwortlichen Roland Haag, Leiter des Personal- und Organisationsamts, Nadine Klasen, Vertreterin des Amts für Wirtschaftsförderung und Beschäftigung, und Dörthe Domzig, Leiterin des Amts für Chancengleichheit, einig.

     


    Lesen Sie einen ausführlichen Bericht über die Veranstaltung auf der Homepage der Stadt Heidelberg.

    Wie soll und kann es nun weitergehen?

    Ganz wichtig ist es, dass die Tarifparteien das Thema Entgeltgleichheit endlich auf ihre Tagesordnung setzen, gerade auch, wenn es jetzt um die neue Entgeltordnung geht. Die Bewertungskriterien von Arbeit müssen genau unter die Lupe genommen werden, vor allem auch die, die bislang ausgeklammert wurden: die psycho-sozialen Kompetenzen. Denn die betreffen vorwiegend die Arbeit mit Menschen in fürsorgenden und dienstleistenden Berufen - und diese werden vorwiegend von Frauen ausgeübt.

     

    Firmen/Behörden, die prüfen möchten, ob in ihrer Organisation Entgeltungleichheit besteht und die ggf. Maßnahmen dagegen ergreifen wollen, brauchen Unterstützung und Beratung. Dazu wäre der Aufbau eines Berater/innen-Netzes sinnvoll. Wünschenwert ist auch die Möglichkeit einer Zertifizierung, damit Firmen, die sich um Entgeltgleichheit bemühen, dann auch gezielt damit werben können und sich qualifizierte Nachwuchskräfte sichern können - was in Zeiten des demografischen Wandels zunehmend an Bedeutung gewinnen wird!

     

    Es muss Pilotprojekte geben, die wissenschaftlich begleitet werden und die aufzeigen, wie eg-check umgesetzt werden kann. Die Ergebnisse können im Internet als Best Practice Beispiele allen anderen Interessierten zugänglich gemacht werden.

     

    Im öffentlichen Dienst ist die Lohnlücke erheblich geringer als in der Privatwirtschaft. Dies ist auf die Vorgaben der Gleichstellungsgesetze und den unermüdlichen Einsatz der Gleichstellungsbeauftragten zurückzuführen. Was wir brauchen, ist ein Gleichstellungsgesetz für die Privatwirtschaft. Hier ist der Gesetzgeber gefordert.

     

    Schließlich ist es wie so oft bei Veränderungen: Sie beginnen im Kopf. Ein Wandel im Bewusstsein von Führungskräften wäre eine erste Maßnahme, die jede/r Führende bei sich selbst beginnen kann.

     

    Es gibt also noch viel zu tun und zu prüfen - genügend Stoff für weitere Equal Pay Days, deren Datum hoffentlich immer weiter nach vorne rückt als sichtbares Zeichen dafür, dass Entgeltungleichheit in Deutschland nicht länger tatenlos hingenommen wird.

     

    Claudia Luz

    Mehr Informationen
    • Kurzdossier mit Informationen zur Entgeltungleichheit (fünf Seiten; Download im Dateianhang)
    • Kurzpräsentation zu eg-check.de (Download im Dateianhang)
    • Grafik zur Entgeltgleichheit (im Dateianhang)

     

    Quelle:

    Pressemitteilung der Hans-Böckler-Stiftung vom 19.3.2010 und

    Böckler-Impuls, http://www.boeckler.de/1143_1161.htm

     


     

    Hinweis:

    In der GiP 2/2010 (April-Ausgabe) wird das neue Prüfinstrument von Dr. Karin Tondorf ausführlich vorgestellt.

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