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Reisekosten bei Auswärtstätigkeiten I: Aktuelle Entwicklungen zur „regelmäßigen Arbeitsstätte“

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Nach der neueren Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs kann der Arbeitnehmer nur eine regelmäßige Arbeitsstätte haben, die sich in der betrieblichen Einrichtung des Arbeitgebers befindet, wenn er dort – nach qualitativen Merkmalen – seine geschuldete Arbeitsleistung schwerpunktmäßig zu erbringen hat

Nach der neueren Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs kann der Arbeitnehmer nur eine regelmäßige Arbeitsstätte haben, die sich in der betrieblichen Einrichtung des Arbeitgebers befindet, wenn er dort – nach qualitativen Merkmalen – seine geschuldete Arbeitsleistung schwerpunktmäßig zu erbringen hat. Die Finanzverwaltung geht von einer regelmäßigen Arbeitsstätte aus, wenn der Arbeitnehmer aufgrund der arbeitsvertraglichen Festlegungen

 

  • einer betrieblichen Einrichtung des Arbeitgebers dauerhaft zugeordnet ist oder
  • in einer betrieblichen Einrichtung des Arbeitgebers arbeitstäglich, je Arbeitswoche einen vollen Arbeitstag oder mindestens 20% seiner vereinbarten regelmäßigen Arbeitszeit tätig werden soll.


Ungeachtet dieser Prognoseentscheidung lässt es die Finanzverwaltung zu, dass im Einzelfall geltend gemacht wird, dass an einer anderen betrieblichen Einrichtung des Arbeitgebers eine regelmäßige Arbeitsstätte vorliegt oder gar keine regelmäßige Arbeitsstätte vorhanden ist, sofern dies anhand des inhaltlichen qualitativen Schwerpunkt der beruflichen Tätigkeit nachgewiesen oder glaubhaft gemacht wird (sog. Escape-Klausel; vgl. zur regelmäßigen Arbeitsstätte die ausführlichen Erläuterungen und Beispiele im Lexikon für das Lohnbüro, Ausgabe 2012, beim Stichwort „Reisekosten bei Auswärtstätigkeiten“ unter Nr. 3).

 

Zu dieser Escape-Klausel vertreten die Oberfinanzdirektionen Münster und Rheinland durchaus überraschend, aber erfreulicherweise zugunsten von Arbeitgeber und Arbeitnehmer folgende großzügige Auffassung: Werden qualitativ bedeutende Teile der beruflichen Tätigkeit im gleichen Umfang sowohl in der ortsfesten betrieblichen Einrichtung des Arbeitgebers als auch im Außendienst erbracht, hat der Arbeitnehmer keine regelmäßige Arbeitsstätte.

 

Beispiel A
Arbeitnehmer A erbringt qualitativ bedeutende und gleichwertige Tätigkeiten seiner Arbeit zu jeweils 50% in der betrieblichen Einrichtung des Arbeitgebers und zu jeweils 50% im Außendienst.
A hat keine regelmäßige Arbeitsstätte.

 

Entsprechendes gilt, wenn der Arbeitnehmer mehrere betriebliche Einrichtungen seines Arbeitgebers gleichmäßig aufsucht und dort jeweils gleichwertige Arbeiten ausführt.

 

Beispiel B
Zum Aufgabenbereich des Filialleiters B gehört die Betreuung der Filialen in Köln und Düsseldorf. Montags und mittwochs sucht er die Filiale Köln auf, dienstags und donnerstags die Filiale Düsseldorf. Freitags erledigt er Büroarbeiten von zu Hause aus in seinem häuslichen Arbeitszimmer.
B hat keine regelmäßige Arbeitsstätte, da ein qualitativer Mittelpunkt seiner Tätigkeit nicht festgemacht werden kann, da die Arbeiten in den Filialen gleichwertig sind. Es erlangt auch keine der beiden Filialen gegenüber der anderen eine hinreichend zentrale Bedeutung. Das häusliche Arbeitszimmer ist bereits deshalb keine regelmäßige Arbeitsstätte, weil es sich nicht um eine betriebliche Einrichtung des Arbeitgebers handelt.

Werden qualitativ gleichwertige Tätigkeiten an mehreren betrieblichen Einrichtungen des Arbeitgebers durchgeführt, liegt eine regelmäßige Arbeitsstätte aber an der betrieblichen Einrichtung vor, an der der Arbeitnehmer quantitativ (also zeitlich) überwiegend tätig wird.

 

Beispiel C
Zum Aufgabenbereich des Filialleiters C gehört die Betreuung der Filialen in Köln und Düsseldorf. Montags bis mittwochs sucht er die Filiale Köln auf, donnerstags und freitags die Filiale Düsseldorf.
C hat in der Filiale Köln eine regelmäßige Arbeitsstätte. Er erbringt gleichartige und damit in qualitati-ver Hinsicht gleichwertige Arbeitsleistungen in beiden Filialen. Die Arbeiten in der Filiale Köln überwiegen zeitlich, sodass diese eine hinreichend zentrale Bedeutung gewinnt.

 

Außerdem hat der Bundesfinanzhof in Änderung seiner bisherigen Rechtsprechung entschieden, dass eine Bildungseinrichtung auch dann nicht als einer regelmäßige Arbeitsstätte anzusehen ist, wenn sie über einen längeren Zeitraum häufig zum Zwecke eines Voll-zeitunterrichts/-studiums aufgesucht wird. Zur Begründung führt der Bundesfinanzhof aus, dass Bildungsmaßnahmen – auch wenn sie sich über einen längeren Zeitraum erstrecken – vergleichbar einer Auswärtstätigkeit vorübergehend und nicht auf Dauer angelegt sind. Außerdem komme eine regelmäßige Arbeitsstätte nur im Rahmen von bezahlter Arbeit in Betracht, da sie eine ortsfeste dauerhafte betriebliche Einrichtung des Arbeitgebers voraussetze; die Ausführungen im Lexikon für das Lohnbüro, Ausgabe 2012, beim Stichwort „Reisekosten bei Auswärtstätigkeiten“ unter Nr. 3 Buchstabe g sind somit teilweise überholt. Dies hat u.a. zur Folge, dass die Fahrtkosten zur Bildungseinrichtung in tatsächlicher Höhe (z.B. 0,30 € je gefahrenen Kilometer) und nicht nur in Höhe der Entfernungspauschale steuerlich berücksichtigt werden können. Hinzu kommt der Ansatz der Pauschbeträge für Ver-pflegungsmehraufwendungen für mindestens drei Monate.

 

Schließlich hat der Bundesfinanzhof aufbauend auf seine neue Rechtsprechung entschieden, dass auch ein Rettungsassistent nicht mehrere regelmäßige Arbeitsstätten, sondern allenfalls eine regelmäßige Arbeitsstätte haben kann. Liegt der Schwerpunkt der beruflichen Tätigkeit in keiner der Tätigkeitsstätten, handelt es sich insgesamt um eine reiskosten-rechtlich begünstigte Auswärtstätigkeit. Eine solche Auswärtstätigkeit liegt nach Meinung des Bundesfinanzhofs auch vor, wenn ein städtischer Feuerwehrmann verpflichtet ist, Bereitschaftsdienste als Fahrer eines Noteinsatzfahrzeugs eines nicht städtischen Krankenhauses zu leisten. Die Bereitschaftsdienste gehörten zu den dienstlichen Aufgaben des Feuerwehrmannes. Hierfür stand ihm ein separates Dienstzimmer im Krankenhaus zur Verfügung. Dabei handelte es sich bereits deshalb nicht um seine regelmäßige Arbeitsstätte, weil es keine betriebliche Einrichtung seines Arbeitgebers war.

 

(Verfügung der Oberfinanzdirektionen Münster und Rheinland vom 29.3.2012 S 2338 – 1015 – St 215 Rhld und S 2353 – 20 – St 22 – 31 Ms; BFH-Urteile vom 9.2.2012 VI R 44/10 und VI R 42/11; BFH-Urteile vom 19.1.2012  VI R 36/11 und VI R 23/11)

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