Stichwort "Abfindungen"
Das BMF (Schreiben vom 17.1.2011)hat diverse Urteile des BFH zum Anlass genommen, das Schreiben vom 24.5.2004 in zwei wesentlichen Punkte anzupassen:
Rz. 9 Satz 1 wird wie folgt gefasst:
Nach ständiger Rechtsprechung setzt die Anwendung der begünstigten Besteuerung nach § 34 Absatz 1 und 2 u.voraus, dass die Entschädigungsleistungen zusammengeballt in einem Veranlagungszeitraum zufließen; der Zufluss mehrerer Teilbeträge in unterschiedlichen Veranlagungszeiträumen ist deshalb grundsätzlich schädlich, soweit es sich dabei nicht um eine im Verhältnis zur Hauptleistung stehenden geringen Zahlung (maximal 5 % der Hauptleistung) handelt, die in einem anderen Veranlagungszeitraum zufließt (BFH vom 25. August 2009)
Rz. 12 Satz 6 wird wie folgt gefasst:
Bei Berechnung der Einkünfte, die der Steuerpflichtige beim Fortbestand des Vertragsverhältnisses im Veranlagungszeitraum bezogen hätte, ist grundsätzlich auf die Einkünfte des Vorjahres abzustellen, es sei denn, die Einnahmesituation ist in diesem Jahr durch außergewöhnliche Ereignisse geprägt (BFH vom 27. Januar 2010).
• Abfindung bei Arbeitszeitreduzierung
(Urteil vom 25.8.09 - IX R 3/09)
Zahlt der Arbeitgeber seinem Arbeitnehmer eine Abfindung, weil dieser seine Wochenarbeitszeit auf-grund eines Vertrags zur Änderung des Arbeitsverhältnisses unbefristet reduziert, so kann darin eine begünstigt zu besteuernde Entschädigung i.S. von § 24 Nr. 1 Buchst. a des Einkommensteuergeset-zes (EStG) liegen (Klarstellung der Rechtsprechung).
So entschied der Bundesfinanzhof (BFH) durch Urteil vom 25. August 2009 IX R 3/09 in einem Fall, in dem die (klagende) Arbeitnehmerin auf die halbe Wochenstundenzahl ging und dafür von ihrer Arbeitgeberin 17.000 € erhielt. Finanzamt und Finanzgericht (FG) hatten eine steuerbegünstigte Entschädigung vor allem deshalb abgelehnt, weil das Arbeitsverhältnis nicht beendet worden sei.
Diese Argumentation ließ der BFH nicht gelten. Eine Entschädigung nach § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG wird als Ersatz für entgangene oder entgehende Einnahmen gewährt. Das Gesetz verlangt nicht, das Arbeitsverhältnis müsse gänzlich beendet werden. Es setzt lediglich voraus, dass Einnahmen wegfallen und dass dafür Ersatz geleistet wird. So verhält es sich, wenn eine Vollzeitbeschäftigung in eine Teilzeitbeschäftigung überführt und die Arbeitnehmerin dafür abgefunden wird. Der BFH konnte noch nicht endgültig über die Klage entscheiden. Das FG muss in einer neuen Verhandlung und Entscheidung prüfen, ob die Arbeitnehmerin bei der Änderung ihres Arbeitsvertrags unter rechtlichem, wirtschaftlichem oder tatsächlichem Druck gehandelt hat.
• Abfindung – Abschlagzahlung
Urteil vom 25.8.09 - IX R 11/09
Der Bundesfinanzhof hat sich am 25.8.09 mit einem Fall befasst, bei dem es um die steuerbegünstig-te
Behandlung von geteilten Abfindungen geht. Normalerweise darf eine Abfindung nur dann nach der 5-tel Regelung besteuert werden, wenn der ausgezahlte Betrag größer ist als der Verlust, den der Arbeitnehmer im Jahr des Ausscheidens hat. Bei dem entschiedenen Fall hatten Arbeitgeber und Arbeitnehmer vereinbart, dass die Abfindung nicht Ausscheidungsjahr 2006 gezahlt wird, sondern aus steuerlichen Gründen erst im Januar 2007. Allerdings hatten beide eine kleine Abschlagszahlung von 1.000 Euro im September 2006 vereinbart. Das Finanzamt sah hierin eine Verletzung des Prinzips der Zusammenballung und versteuerte die Hauptzahlung im Januar 2007 nicht nach dem 5-tel-Prinzip. Der BFH hat diese Regelung als falsch erkannt und entschieden, dass auch die Hauptzahlung steuerbegünstigt berechnet werden kann.
Leitsatz des BFH:
Eine die Anwendung von § 34 EStG rechtfertigende Zusammenballung von Einkünften kommt auch dann in Betracht, wenn zu einer Hauptentschädigungsleistung eine in einem anderen Veranlagungs-zeitraum zufließende minimale Teilleistung hinzukommt.
• Fälligkeit einer Abfindungszahlung
Urteil vom 11.11.2009 - Az. IX R 1/09
In seinem Urteil hat der BFH entschieden, dass die Zahlung einer Abfindung aus steuerrechtlichen Gründen verschoben werden kann.
In dem zu entscheidenden Fall wurde mittels Betriebsvereinbarung die Zahlung der Abfindung zum Ende des Arbeitsverhältnis (November) festgelegt. Aus steuerlichen Gründen wurde zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer vereinbart, dass die Zahlung erst im Januar des Folgejahres vorgenommen.
Das Finanzamt war jedoch der Auffassung, das mit dem Sozialplan die Fälligkeit der Abfindungszah-lung zwingend auf den Zeitpunkt des Ausscheidens festgelegt worden sei. Dieser Auffassung ist der BFH nicht gefolgt. Zwar gelten Betriebsvereinbarungen nach § 77 Abs. 4 Satz 1 des Betriebsverfas-sungsgesetzes unmittelbar und zwingend. Jedoch gilt nach allgemeiner Meinung zwischen Betriebs-vereinbarung und einzelvertraglicher Regelung grundsätzlich das Günstigkeitsprinzip.
• Maßstäbe für die Zusammenballung von Einkünften nach § 34 EStG
Urteil vom 27.1.2010 - IX R 31/09
Leitsätze:
1. Eine Entschädigung führt zu außerordentlichen Einkünften nach § 34 Abs. 2 EStG, wenn sie zu-sammengeballt zufließen, weil der Steuerpflichtige infolge der Beendigung des Arbeitsverhältnisses einschließlich der Entschädigung in dem jeweiligen Veranlagungszeitraum insgesamt mehr erhält, als er bei ungestörter Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses, also bei normalem Ablauf der Dinge erhalten würde (Bestätigung der ständigen Rechtsprechung) .
2. Was der Steuerpflichtige bei normalem Ablauf der Dinge erhalten würde, kann nur aufgrund einer hypothetischen und prognostischen Beurteilung ermittelt werden; dabei ist nicht auf die Verhältnisse des Vorjahres abzustellen, wenn die Einnahmesituation durch außergewöhnliche Ereignisse geprägt ist und sich daraus keine Vorhersagen für den (unterstellten) normalen Verlauf bei Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses ableiten lassen
Werden Entschädigungen bzw. Abfindungen gezahlt, können diese nach der Fünftel-Regelung gemäß §34 EStG versteuert werden, wenn eine "Zusammenballung" vorliegt. Dies bedeutet, dass die bereits erzielten Einkünfte des Jahres und die Abfindung größer sein müssen als die im Normalfall zu erwartenden Jahresbezüge. Die dazu erforderliche Beurteilung orientiert sich grundsätzlich an den Verhältnissen des Vorjahres, die dem Veranlagungszeitraum, in dem die Entschädigung zufließt, am nächsten liegen.
In dem zu entscheidenden Fall war das Einkommen im Vorjahr aufgrund einer unverhältnismäßig hohen Provision nicht aussagefähig, so dass der BFH mehrere Jahre zur Beurteilung herangezogen hat.
Alexander Enderes, Beratung Entgeltabrechnung, Darmstadt