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Zahlstellenverfahren aktuell

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Ernüchternde Bilanz nach dem ersten Dreivierteljahr


Das maschinelle Meldeverfahren zwi­schen den Zahlstellen von Versorgungs­bezügen und den gesetzlichen Kranken­kassen wurde zum 01.01.2009 eingeführt. Bis Ende 2010 konnte es optional genutzt werden; seit Jahresbeginn 2011 muss es von allen Zahlstellen und den Kranken­kassen verpflichtend angewendet wer­den. Die bisherigen Erfahrungen zeigen, dass eine Vielzahl von Schwachstellen be­steht und es voraussichtlich noch längere Zeit brauchen wird, bis von einem sta­bilen und weitgehend fehlerfreien Daten­austausch zwischen Krankenkassen und Zahlstellen gesprochen werden kann.

Ausgangslage und rechtlicher Rahmen

Seit 1983 müssen aus den Renten der betrieblichen Altersversorgung (Versor­gungsbezüge) Beiträge zur Krankenversi­cherung entrichtet werden. Zunächst lag die hierfür notwendige Meldeverpflich­tung noch beim einzelnen Versorgungs­empfänger. Allerdings wurde diese nur unzureichend wahrgenommen, so dass der Gesetzgeber die Meldung der Versor­gungsbezüge vom 01.01.1989 an den sog. „Zahlstellen“ übertragen hat. Seither müs­sen alle Stellen, die Versorgungsbezüge auszahlen, den zuständigen Krankenkas­sen den Beginn, das Ende sowie Verände­rungen im Versorgungsbezug des betrof­fenen Versorgungsempfängers mitteilen. Die Krankenkassen müssen ihrerseits den Zahlstellen den Beginn, den Umfang, das Ende sowie Veränderungen in der Beitragspflicht für den jeweiligen Versor­gungsbezug mitteilen.

 

Anders als im regulären Arbeitgebermel­deverfahren (DEÜV-Verfahren) waren beim Zahlstellen-Meldeverfahren von Beginn an keine konkreten, für alle Be­teiligten verbindlichen Normierungen vorhanden. Vielmehr waren bei den ein­zelnen Krankenkassen wie auch auf Sei­ten der Zahlstellen unterschiedliche Vor­drucke im Einsatz. Daran konnte auch die zwischen den Spitzenverbänden der Kran­kenkassen und den Spitzenorganisati­onen der Zahlstellen abgestimmte „KVdR-Zahlstellenverfahrensbeschreibung“, in der zumindest die für alle Verfahrens-beteiligten erforderlichen Meldeinhalte definiert wurden, nur wenig ändern. Ein Synonym für die Unzulänglichkeiten des Zahlstellenmeldeverfahrens war z. B. die Tatsache, dass über viele Jahre hinweg von den einzelnen Krankenkassen völlig unterschiedliche Identifikationsmerkmale für die Zahlstellen (sog. Zahlstellen-Num­mer) verwendet wurden und es hier erst seit einigen Jahren eine Verständigung auf die Nutzung der einheitlichen, vom AOK-Bundesverband geführten Zahlstel­lendatei gibt.


Diese „stiefmütterliche“ Behandlung des Zahlstellenmeldeverfahrens hat denn auch dazu geführt, dass die zwischen den Zahlstellen und den Krankenkassen abzu­gebenden Meldungen in der Vergangen­heit häufig fehlerhaft gewesen sind und insbesondere von den Krankenkassen der Beginn der Beitragspflicht oft verspätet gemeldet wurde. In der Konsequenz ist es dann oft zu – an sich vermeidbaren – Bei­tragsnacherhebungen gekommen, die so­wohl bei den Zahlstellen wie auch bei den betroffenen Versorgungsempfängern zu erheblichem Unmut geführt haben.


Vor diesem Hintergrund hat es der Gesetz- und Verordnungsgeber für notwendig er­achtet, das Zahlstellenmeldeverfahren auf eine neue, für alle Beteiligten verbindliche Grundlage zu stellen. Mit dem Ende 2007 verabschiedeten Gesetz zur Änderung des SGB IV wurde für die Zeit ab 01.01.2009 das bis dahin papierne Meldeverfahren auf eine maschinelle Grundlage gestellt.

Einführung des optionalen maschinellen Zahlstellenmelde­verfahrens ab 2009

Da die Teilnahme am maschinellen Zahl­stellenmeldeverfahren für die Zahlstellen ab 2009 noch freiwillig gewesen ist, ha­ben sich anfangs auch nur wenige Zahl­stellen aktiv beteiligt. Für die Krankenkas­sen wiederum war die Teilnahme bereits ab Beginn 2009 verpflichtend, sofern eine Zahlstelle das maschinelle Verfahren nutzte.


Dass die Option zur Inanspruchnahme des maschinellen Zahlstellenmeldever­fahrens von den Zahlstellen – und damit auch von den Krankenkassen – nur in verschwindend geringem Maße genutzt wurde, hat seinen wesentlichen Grund darin, dass es so gut wie nicht propagiert wurde und es bei allen Beteiligten der – vermeintlich – einfachere Weg war, das papierne Meldeverfahren weiter beizube­halten.

 

Die technischen Rahmenbedingungen waren rechtzeitig vorhanden. Im Herbst 2008 lagen die für einen maschinellen Da­tenaustausch erforderlichen und auf den Konventionen des DEÜV-Meldeverfahrens basierenden Gemeinsamen Grundsätze sowie die Verfahrens- und Datensatzbe­schreibungen in abgestimmter und vom zuständigen Bundesministerium geneh­migter Form vor.

Der Tatbestand, dass das optionale ma­schinelle Zahlstellenmeldeverfahren so gut wie keine Nutzung erfuhr, hatte denn auch zur Konsequenz, dass keine Erfah­rungen gesammelt werden konnten, die den Umstieg auf das verpflichtende ma­schinelle Meldeverfahren hätten erleich­tern können.

Verpflichtender Umstieg auf das maschinelle Verfahren ab 2011

Zum 01.01.2011 wurde die Teilnahme am maschinellen Zahlstellenmeldeverfahren dann sowohl für die Krankenkassen wie auch für alle Zahlstellen formal verpflich­tend. Tatsächlich beteiligen sich nach den Feststellungen der Krankenkassen aber auch heute bei weitem noch nicht alle Zahlstellen am maschinellen Meldever­fahren. Eine immer noch große Anzahl von Zahlstellen ignoriert bislang die in § 202 Abs. 2 SGB V normierte Verpflich­tung und übersendet die Meldungen zu Beginn, Ende und Veränderungen der Ver­sorgungsbezüge weiterhin in Papierform.


Die Krankenkassen sind diesbezüglich hilflos, weil der Gesetzgeber ihnen kei­ne Sanktionsmittel an die Hand gegeben hat, die Zahlstellen dazu zu bewegen, den Schritt weg vom Papier zu wagen. Au­ßerdem hat der GKV-Spitzenverband die Krankenkassen indirekt aufgefordert, die Zusendung von Papiermeldungen weiter­hin zu tolerieren. Gleichwohl überlegen die ersten Krankenkassen derzeit, die An­nahme von Papiermeldungen zu unter­binden und damit den Druck auf die sich noch verweigernden Zahlstellen zu erhö­hen.

 

Positiv zu werten ist immerhin, dass sich viele Zahlstellen im Verlauf des Jahres 2010 intensiv auf das maschinelle Mel­deverfahren vorbereitet haben, was sich eindeutig an dem Meldevolumen ablesen lässt. Gegenüber dem überschaubaren Meldevolumen in den Jahren 2009 und 2010 hat seit Jahresbeginn 2011 die An­zahl der monatlich bei den Krankenkas­sen eingehenden Meldungen eine rasante Steigerung erfahren. Insbesondere durch den Einstieg der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL) in Karlsru­he Anfang Januar 2011 – diese betreut alleine 1,1 Mio. Versorgungsempfänger – wuchs die Bedeutung dieses Meldever­fahrens für die Sachbearbeitung bei den Krankenkassen enorm.


Wie die VBL haben viele Zahlstellen zu ih­rem Eintritt in das maschinelle Meldever­fahren Bestandsmeldungen für alle Ver­sorgungsempfänger erzeugt. Damit ging ein hohes Meldevolumen, aufgrund der nachstehend geschilderten Unzulänglich­keiten aber auch eine hohe Anzahl nicht zuordenbarer Datensätze einher, die auch derzeit das Verfahren noch massiv belas­ten.

Fehlendes eindeutiges Zuordnungs­kriterium bindet hohe manuelle Ressourcen

Mit dem Eintritt großer Zahlstellen in den Meldeverkehr und dem damit einherge­henden hohen Meldevolumen ab Januar 2011 wurde der wesentliche Schwach­punkt in diesem Meldeverfahren offen­bar. Sowohl die Zahlstellen als auch die Krankenkassen haben ihre Systeme so ausgerichtet, dass die eingehenden Da­tensätze maschinell dem betreffenden Versorgungsempfänger bzw. dem Ver­sicherten zugeordnet werden sollen. Voraussetzung für diese maschinelle Zuordnung und damit auch für die auto­matische Weiterverarbeitung ist jedoch die eindeutige Identifikation. Für die Zahl­stelle sollte diese Zuordnung idealerweise über das Aktenzeichen des Versorgungs­bezugs, für die Krankenkasse über die Krankenversichertennummer erfolgen.


Es musste jedoch schnell festgestellt werden, dass dieser gewollte vollmaschi­nelle Ablauf in der Realität nur unzurei­chend funktioniert: Ein großer Teil der eingehenden Meldungen kann bei den Beteiligten nicht automatisch zugeord­net werden, weil das vorgesehene Zuord­nungskriterium gar nicht oder nicht im lesbaren Format geliefert wird. Da zudem die Zahlstellen und die Krankenkassen oft eine unterschiedliche Schreibweise des Namens der betreffenden Person pfleg­ten, gestaltete sich auch eine Zuordnung über die Namensangaben sehr mühsam. Ergebnis: Der maschinell nicht zuorden­bare Teil der Meldungen bei den Beteilig­ten muss manuell geprüft und weiterver­arbeitet werden.


Dass diese Entwicklung zu massiver Un­zufriedenheit und sehr schnell auch zu entsprechenden Beschwerden (z. B. der Personalabrechnungs-Software-Ersteller – ArGe PERSER und der Arbeitgeberver­bände) beim Bundesministerium für Ar­beit und Soziales (BMAS) und beim GKV-Spitzenverband führte, kann somit nicht überraschen. Der GKV-Spitzenverband reagierte und lud die Spitzenorganisationen sowie Ver­treter der großen Krankenkassen im März und im Mai d. J. zum Erfahrungsaustausch ein, um über kurzfristig umsetzbare Ver­besserungen der Meldequalität zu disku­tieren.

 

Bei der Diskussion wurde schnell deut­lich, dass die festgestellten Probleme auf beiden Seiten auf das Fehlen eines ein­deutigen und zuverlässig gelieferten Zu­ordnungskriteriums zurückzuführen sind. Da hierfür im Zeitalter des Papierverfah­rens keine Notwendigkeit bestanden hat­te, wurden sowohl das Aktenzeichen der Zahlstelle als auch die Krankenversicher­tennummer der Krankenkasse beim je­weils anderen Meldepartner oft nur sehr unzureichend gepflegt.


Mittlerweile hat sich herauskristallisiert, dass es – aufgrund ursprünglich vorhan­dener datenschutzrechtlicher Bedenken – versäumt wurde, die eindeutige Renten­versicherungsnummer (VSNR) von Beginn an zum Bestandteil des Zahlstellenmelde­verfahrens zu machen.

Anpassungen der Verfahrens- und Datensatzbeschreibungen zum 01.01.2012 bzw. 01.07.2012

Ergebnis des Erfahrungsaustauschs und der Gespräche zwischen den betroffenen Parteien waren kurzfristige Anpassungen der Verfahrensbeschreibung sowie der Datensatzbeschreibung:

 

  • Die Zahlstellen melden zukünftig in jeder Meldung neben den bislang schon gelieferten Zuordnungskrite­rien Name und Vorname zusätzlich das Geburtsdatum und die Anschrift des Versorgungsempfängers (um da­mit die Zuordnung der eingehenden Datensätze bei den Krankenkassen zu erleichtern);

 

  • die Krankenkassen melden seit 01.07.2011 in ihren Datensätzen die einheitliche Krankenversicherten­nummer (eKVNR) ihres Mitgliedes – vorher war der Krankenkasse die Form der Befüllung des Feldes Krankenversi­chertennummer freigestellt – ;

 

  • vom 01.01.2012 bis 30.06.2012 werden von der Krankenkasse übergangswei­se sowohl die einheitliche Krankenver­sichertennummer als auch die Renten­versicherungsnummer gemeldet;

 

  • ab 01.07.2012 wird dann nur noch die Rentenversicherungsnummer (VSNR) als einheitliches Zuordnungskriterium gemeldet.

 

Der GKV-Spitzenverband hat im Einver­nehmen mit dem Bundesministerium für Gesundheit (BMG) und dem BMAS festgestellt, dass die Verwendung der VSNR in diesem Verfahren entgegen den ursprünglich noch vorhandenen daten­schutzrechtlichen Bedenken durch § 18f Abs. 3 Nr. 2 SGB IV legitimiert ist, weil sie letztendlich zur korrekten Beitragserhe­bung erforderlich ist:


„(3) Andere Behörden, Gerichte, Arbeitge­ber oder Dritte dürfen die Versicherungs­nummer nur erheben, verarbeiten oder nutzen, soweit dies für die Erfüllung einer gesetzlichen Aufgabe der in Absatz 1 ge­nannten Stellen erforderlich ist 
1.

2. im Rahmen der Beitragszahlung oder

3. ...

 

Aus Sicht der Krankenkassen wäre die Be­schränkung auf die VSNR ab 01.07.2012 als alleiniges Zuordnungskriterium nicht erforderlich gewesen, sie wurde jedoch durch das BMAS vorgegeben.


Die Krankenkassen verfügen in ihren Be­ständen – bis auf ganz wenige Ausnah­men – bereits über die VSNR ihrer Versi­cherten. Abzuwarten bleibt indes, ob es den Zahlstellen gelingt, dieses – für sie bislang nicht relevante – Zuordnungskri­terium in ihre Bestände und die künftig abzugebenden Meldungen aufzunehmen.

Ausblick

Eine rasche Verbesserung in der Zuverläs­sigkeit und der Quote der maschinellen Verarbeitung in diesem Meldeverfahren ist dringend angezeigt, weil das Meldevo­lumen in diesem Meldeverfahren ab 2012 noch einmal drastisch ansteigen wird:

 

  • Sofern zum 01.11.2011 für das Kalen­derjahr 2012 ein durchschnittlicher Zusatzbeitrag größer 0 Euro festgelegt werden sollte, müssen die Kranken­kassen für alle Bezieher von mehreren beitragspflichtigen Einkünften den Anspruch auf Sozialausgleich prüfen. Gerade Versorgungsbezüge sind in al­ler Regel ergänzende Einkünfte neben der Rente aus der gesetzlichen Renten­versicherung.

 

  • Das Prüfergebnis zum Sozialausgleich hat die Krankenkasse der Zahlstelle mit einem hierfür neu geschaffenen Meldegrund mitzuteilen. Sofern der Versorgungsempfänger Anspruch auf Sozialausgleich hat, muss die Zahl­stelle den Beitragseinbehalt aus dem Versorgungsbezug entsprechend an­passen.

 

  • Da den Krankenkassen durch den So­zialausgleich die relevanten Daten bekannt sein werden, wurden sie ver­pflichtet, ab 2012 für alle Versorgungs­empfänger im Zahlstellenverfahren die Errechnung des maximal beitrags­pflichtigen Versorgungsbezuges (VB-Max) zu übernehmen; bislang ist die Weiterentwicklung des VB-Max eine Aufgabenstellung, die üblicherweise von den Zahlstellen wahrgenommen worden ist.

 

Beispiel:

 

Mitglied bezieht Altersrente und eine Betriebsrente (=Versorgungsbezug)

Beitragsbemessungsgrenze 2011 monatlich

 

                                                              3.712,50 Euro

./. Altersrente                                     1.500,00 Euro

_______________________________________

 

= maximal beitragspflichtige

Teil des Versorgungsbezuges      2.212,50 Euro

 

  • Der VB-Max erfährt zweimal jährlich eine Anpassung: einerseits zum 01.01. eines Jahres durch die Anpassung der Beitragsbemessungsgrenze und ande­rerseits zum 01.07. eines Jahres auf­grund der Anpassung der Renten der gesetzlichen Rentenversicherung. Die hieraus resultierende Konsequenz, dass alle Zahlstellen für alle im Bei­tragsabführungsverfahren stehenden Versorgungsempfänger jeweils an die­sen beiden Stichtagen Änderungsmel­dungen zum VB-Max erhalten, wird das Volumen des Zahlstellenmeldever­fahrens drastisch erhöhen.


Letztlich bleibt abzuwarten, ob mit den zum 01.01.2012 vorgenommenen Ver­fahrensmodifikationen eine nachhaltige Verbesserung des bislang sehr unzuläng­lichen maschinellen Zahlstellenmelde­verfahrens erreicht werden kann. Nur mit einer disziplinierten Handhabung bei al­len Beteiligten kann es gelingen, die erfor­derliche Stabilität zu erzeugen. Bis dies so weit ist, bedarf es allerdings noch großer Anstrengungen; insbesondere in der Ab­arbeitung der aufgetretenen Fehlerfälle in Gestalt nicht zuordenbarer Datensätze.

 

NORBERT MINN

Leiter Geschäfsbereich Finanzmangement
DAK - Unternehmen Leben

Hamburg

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