Zuschüsse zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn
Ein Zuschuss zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn i.S. des § 40 Abs. 2 Satz 2 EStG kann auch unter Anrechnung auf andere freiwillige Sonderzahlungen geleistet werden (entgegen R 3.33 Abs. 5 Satz 6 LStR 2009),so der Bundesfinanzhof in seiner Entscheidung vom 1.10.2009, VI R 41/07, veröffentlicht am 27.1.2010).
Streitig ist im Rahmen der Überprüfung der Rechtmäßigkeit eines Lohnsteuerhaftungsbescheids, ob die Voraussetzungen einer Lohnsteuerpauschalierung für Fahrtkostenzuschüsse erfüllt sind.
Eine bei der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) für den Zeitraum Dezember 1996 bis Dezember 2000 durchgeführte Lohnsteuer-Außenprüfung ergab, dass die Arbeitnehmer der Klägerin unter der Bezeichnung "Fahrtkostenzuschuss" jährlich im November Zahlungen erhalten hatten, welche die Klägerin der Lohnsteuerpauschalierung nach § 40 Abs. 2 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) unterworfen hatte. Unter der Bezeichnung "Fahrtkostenzuschuss" wurde jeweils der nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 und Abs. 2 EStG als Werbungskosten abzugsfähige Betrag für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte (Jahresbetrag) errechnet, ausgezahlt und pauschal versteuert. Der Differenzbetrag zum errechneten Weihnachtsgeld wurde mit der Bezeichnung "Weihnachtsgeld" nach den persönlichen Besteuerungsmerkmalen der einzelnen Arbeitnehmer versteuert. Arbeitnehmer mit höheren "Fahrtkostenzuschüssen" erhielten weniger Weihnachtsgeld als Arbeitnehmer mit niedrigeren "Fahrtkostenzuschüssen". Arbeitnehmern, die keine "Fahrtkostenzuschüsse" erhalten konnten, wurde Weihnachtsgeld ausgezahlt.
Finanzamt verneint Voraussetzungen für Lohnsteuerpauschalierung
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) verneinte hinsichtlich der als "Fahrtkostenzuschüsse" erbrachten Zahlungen die Voraussetzungen für eine Pauschalierung der Lohnsteuer nach § 40 Abs. 2 Satz 2 EStG, weil sie nicht zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn, sondern unter Anrechnung auf das freiwillig gezahlte Weihnachtsgeld erbracht worden seien. Eine zusätzliche Zahlung liege auch dann nicht vor, wenn sie unter Anrechnung auf eine freiwillige Sonderleistung, z.B. Weihnachtsgeld, erbracht werde. Es sei unerheblich, ob die zusätzliche Leistung ihrerseits vom Arbeitgeber geschuldet oder freiwillig gewährt werde.
Das Verfahren gelangte bis zum Bundesfinanzhof; dieser entschied:
"Die Vorentscheidung ist auch deshalb aufzuheben, weil das FG zu Unrecht zu dem Ergebnis gelangte, dass der Haftungstatbestand hinsichtlich der den Arbeitnehmern der Klägerin gewährten Fahrtkostenzuschüsse erfüllt sei.
Nach § 42d Abs. 1 Nr. 1 EStG haftet der Arbeitgeber für die Lohnsteuer, die er nach § 38 Abs. 3 Satz 1 EStG bei jeder Lohnzahlung vom Arbeitslohn einzubehalten und nach § 41a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG abzuführen hat. Allerdings tragen die Feststellungen des FG nicht dessen Würdigung, dass die Klägerin --ohne Lohnsteuer einzubehalten-- Arbeitslohn gezahlt habe, indem sie Zuschüsse an ihre Arbeitnehmer erbracht und diese nur der pauschalen Besteuerung des § 40 Abs. 2 Satz 2 EStG unterworfen habe.
Nach § 40 Abs. 2 Satz 2 EStG kann der Arbeitgeber die Lohnsteuer mit einem Pauschsteuersatz von 15 % u.a. für zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn geleistete Zuschüsse zu den Aufwendungen des Arbeitnehmers für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte erheben, soweit diese Bezüge den Betrag nicht übersteigen, den der Arbeitnehmer nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 und Abs. 2 EStG als Werbungskosten geltend machen könnte, wenn die Bezüge nicht pauschal besteuert würden.
Zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn sind Zuschüsse i.S. des § 40 Abs. 2 Satz 2 EStG dann geleistet, wenn sie zu den Lohnzahlungen hinzukommen, die arbeitsrechtlich geschuldet sind, entweder durch Vereinbarung oder etwa durch eine dauernde Übung. Zuschüsse i.S. des § 40 Abs. 2 Satz 2 EStG liegen also auch dann vor, wenn sie statt anderer, freiwillig geleisteter Bezüge und Vorteile i.S. des § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG erbracht werden."
Der Senat hält an seiner schon in früheren Entscheidungen getroffenen Differenzierung fest, dass das Tatbestandsmerkmal "ohnehin geschuldeter Arbeitslohn" dahingehend zu verstehen ist, dass es sich um Arbeitslohn handeln muss, auf den zumindest im Zeitpunkt der Zahlung ein verbindlicher Rechtsanspruch besteht .
Auch im Fall einer Umwandlung von Barlohn in Form von Urlaubsgeld in Sachlohn in Form eines Warengutscheins war auf Grundlage des arbeitsrechtlichen Anspruchs zu differenzieren, nämlich ob zu dem Zeitpunkt, zu dem der Arbeitnehmer über seinen Lohnanspruch verfügte, ein Anspruch auf Barlohn oder ein solcher auf Sachlohn bestand .
§ 40 Abs. 2 Satz 2 EStG schließt eine Entgelt- oder Barlohnumwandlung aus. Dies gilt allerdings nur für solchen Lohn, der ohnehin "geschuldet" wird. Freiwillige Lohnzahlungen lassen sich dagegen unter den weiteren Voraussetzungen und Grenzen des § 40 Abs. 2 Satz 2 EStG als nicht "geschuldeter" Arbeitslohn in pauschbesteuerte Zuschüsse umwandeln.
BFH folgt nicht dem Bundesfinanzministerium
Der Senat folgt damit nicht der im Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 22. Dezember 1994 niedergelegten, in den Lohnsteuer-Richtlinien (LStR) seit 1996 aufgenommenen und letztlich auch vom FG vertretenen Auffassung, dass die Umwandlung einer freiwilligen Sonderleistung ohne Zweckbindung in eine freiwillige Sonderleistung mit Zweckbindung nicht zur Steuerfreiheit der Zuwendung führe und eine zusätzliche Leistung auch dann nicht vorliege, wenn sie unter Anrechnung auf eine freiwillige Sonderzahlung, z.B. Weihnachtsgeld, erbracht werde.
20b) 21Das FG wird daher im zweiten Rechtsgang Feststellungen zu treffen haben, ob und inwieweit die von der Klägerin als Weihnachtsgeld erbrachten Sonderzahlungen arbeitsrechtlich geschuldet oder freiwillig waren, um entscheiden zu können, ob die streitigen Zuschüsse zum "ohnehin geschuldeten" Arbeitslohn geleistet worden waren.
Vorinstanz: FG Nürnberg vom 28. Juni 2007 VI 105/2006 (EFG 2007, 1687)