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Der blinde Fleck im Personalmanagement

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Personal ist eine Schlüsselkategorie nicht nur in der Privatwirtschaft, sondern gerade in Zeiten knapper Ressourcen und ständiger Umbruchphasen der Erfolgsgarant des Wandels im öffentlichen Sektor. Dass die Personalarbeit in der Praxis an Defiziten leidet, ist kein Unkenrufen, sondern das Resultat einer Standortbestimmung.1

Prof. Dr. Michael Treier

 

Personalcontrolling – Kür oder Gebot?

Der Weg der Modernisierung verlangt ein steuerndes Personalwesen2. Die Leistung unserer Personalarbeit im öffentlichen Sektor ist oftmals verschüttet und verharrt in Traditionen, wenn uns kein Cockpit zur Navigation unserer Personalressourcen die Richtung weist und wenn kein Seismograf zur frühzeitigen Erkennung von Risiken existiert. Wer hier als Personalverantwortliche(r) einen blinden Fleck zulässt, entzieht der Personalarbeit Legitimation und Rationalität als Attribute für wertschöpfungsorientiertes, systematisches und nachhaltiges Handeln.

Dot.jpg Legitimation: Wir müssen im Kontext der Haushaltskonsolidierungen den Nachweis des kompetenten Umgangs mit Personalressourcen erbringen.
Dot.jpg Rationalität: Wir müssen logische und messbare Kennzahlen finden, die reflektiertes Handeln trotz der innewohnenden Komplexität ermöglichen.

Personal ist der Protagonist des Wandels. Die Veränderungen in der Wirtschaftswelt sind Herausforderungen, die nur durch und mit dem Personal gemeistert werden können.

 

Modernes Personalcontrolling – von der Kostenaufstellung zum Kompass

Aber wie begegnen wir der Unverbindlichkeit des Credos „Unser Personal ist das wichtigste Kapital“? Wie lässt sich der Wertbeitrag der Mitarbeiter zum Erfolg der Organisation messen? Was sind die Erfolgsfaktoren des Personals? Antworten auf diese und andere Fragen findet man im Personalcontrolling. Aufwendungen für das Personal weisen sowohl eine Kosten- als auch eine Investitionsseite auf. Dabei ist der kennzahlenbasierte Blick nicht nur rückwärts, sondern auch vorwärts zu richten. Wer die Früchte der Personalarbeit nicht bewertet und erfasst, entzieht dem Personal die gebührende Wertschätzung und verbannt Personalarbeit in die Rolle des Nachzüglers und Getriebenen im Hinblick auf das strategische Management. Modernes Personalcontrolling verabschiedet sich deshalb dezidiert von einer summativen Aufstellung von Kostenarten im Personalmanagement und entpuppt sich zum intelligenten Fahr- und Lenkassistenten komplexer Personalprozesse in Anlehnung an die Botschaften der Verwaltungsreform „New Public Management“3. Die Verwaltungsreform beschleunigt und erfordert einen Paradigmenwechsel von der Personalverwaltung zur Personalwirtschaft.

Das Personalvermögenskonzept4 eignet sich für administrative Bereiche und verdeutlicht, 

dass die klassische Personalreflexion als strukturelles Kostentableau unzureichend ist, da sie die Werttreiber der Verwaltungsreform wie Kompetenzen, Commitment und Motivation unterschlägt.


Die Mär von der Stabilität

Sicherheit, Stabilität und Verlässlichkeit der Tätigkeiten werden als Markenwerte des öffentlichen Dienstes kommuniziert, flankiert durch weitere Prinzipien wie das Senioritätsprinzip oder die Familienorientierung. Die zunehmende Leistungs- und Kostenorientierung stehen jedoch im Widerspruch zu diesem kommoden Eindruck und hinterfragen Ansätze wie das Senioritätsprinzip. Auch entlarven die Daten des Statistischen Bundesamtes zum Personal im öffentlichen Dienst das Ammenmärchen von der sozialen Sicherheit. Bei vielen Kommunen zeigt sich beispielsweise die Notwendigkeit, bei den Mitarbeitern aufgrund des hohen Anteils der Personalkosten am Gesamthaushalt von bis zu 40 % ohne Rücksicht zu sparen – von Gemütlichkeit ist hier keine Rede mehr. Das Personalmanagement in der öffentlichen Verwaltung befreit sich deshalb aus dem Korsett der administrativen Regelung, um die herausfordernden Aufgaben der Umbruchzeiten zu bewältigen5. So nutzt die Personalarbeit alle erdenklichen Handlungsformen wie Versetzung, Abordnung, Umschulung, um die Personalbeweglichkeit bei gleichzeitiger Personalreduktion zu erhöhen. Wenn man sich mit den Besonderheiten der Personalarbeit in der öffentlichen Verwaltung befasst, darf man nicht auf die „alten Zeiten“ wehmütig schauen. Im Gegenteil ist ein kritischer und offener Blick notwendig, um daraus die Ansprüche für ein modernes Personalcontrolling ableiten zu können.

 

Die Gesichter des Personalcontrollings

Das Personalcontrolling befasst sich also nicht nur mit den Personalkosten, sondern auch mit den Investitionen. Es befasst sich nicht nur mit den direkt messbaren harten Fakten wie die Vollzeitäquivalente als Ausdruck der Arbeitskapazität, sondern widmet sich zunehmend auch den diffizil zugänglichen qualitativen Faktoren wie Motivation. Aus Praxissicht bietet das Werttreibermodell6 eine Übersicht zu den Gesichtern des Personalcontrollings.

 

Die Abbildung illustriert die Kapitalarten, die zur Personalbewertung verrechnet werden:


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Dot.jpg Individuelles Humankapital (IHC): Hier werden die personengebundenen Werte wie Kompetenzen, Einstellungen oder Verhaltensweisen als Potenzialfaktoren adressiert.

Dot.jpg

 

Dynamisches Humankapital (DHC): Zur Entfaltung des individuellen Humankapitals benötigt man eine Prozesslandschaft des fließenden Austauschs. Die Qualität der Kommunikations-, Entscheidungs-, Führungs- und Informationsprozesse determinieren die Verwirklichung des individuellen Humankapitals. Hier lässt sich auch der Begriff Sozialkapital verorten.
Dot.jpg Strukturelles Humankapital (SHC): Hiermit ist die Personalstruktur gemeint, also der Personalbestand, der als Anzahl der Köpfe oder als Vollzeitäquivalente (FTE) abgebildet wird. Diese Kapitalart stellt eine stabilisierende Komponente dar.

 Die Kostenseite ist wichtig, aber sie führt zur Lähmung. Wenn wir Personal beweglich halten und uns den Herausforderungen der Verwaltungsmodernisierung stellen wollen, dann müssen wir das Tableau erweitern. So bestätigen personalpsychologische Studien7, dass sich der Erfolg einer Organisation aus Personalsicht mit Hilfe von vier Basisfaktoren aufschlüsseln lässt:

1. Basis Gesundheit: Gesundheitsfördernde Arbeitsbedingungen in Verbindung mit Mitarbeitern, die auf Dauer arbeitsfähig sind, versprechen eine gesunde Organisation.

2. Basis Motivation: Die Vermeidung eines Motivationsinfarkts durch Anreizsysteme, die nur Deckeneffekte aufweisen und keinen Spielraum zum Jonglieren zulassen, und eine zielbezogene auf Selbstverantwortung und Handlungsspielraum ausgerichtete Aufgabengestaltung schaffen die Schubkraft, die Aktivität und Wandel einer lebenden Organisation ermöglichen.

3. Basis Kompetenz: Die Abkehr von einem formalisierten Qualifikationskonzept unter Berücksichtigung lebenslangen Lernens erfordert die Bestimmung individueller Kompetenzprofile. Dabei wird Kompetenz als ein mehrdimensionales Konstrukt aus Fach-, Methoden-, Sozial- und Medienkompetenzen geschnürt.

4. Basis Identifikation: Werte sind handlungsbezogen zu übersetzen und zu adressieren. Sie sollten sichtbar gemacht werden. Commitment lässt sich durch standardisierte Verfahren messen.

 

Unser Fazit

Der öffentliche Sektor darf nicht der vergangenen Stabilität nachtrauern, sondern muss sich der Realität einer dynamischen Umwelt vor allem in Bezug auf den Faktor Personal stellen, beispielsweise im Hinblick auf den demografischen Wandel und Fachkräftemangel. Neben leistungsorientierten Anreizsystemen und Modellen der Partizipation gehört das Personalcontrolling zum zentralen Bestandteil eines Managementmodells, das Personal als wertschaffenden Faktor anerkennt, fordert und fördert. Damit verabschiedet sich die Personalarbeit von einer Hilfsfunktion und wird zum integrierten Bestandteil einer nachhaltigen Organisationspolitik. Das Personalcontrolling fungiert hier als Kompass zur Steuerung der Humanressourcen.

 

PM12_blinderFleck_Abb2.jpg

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1 Vgl. Thom, N. & Ritz, A. (2008). Public Management: Innovative Konzepte zur Führung im öffentlichen Sektor (4. Ausg.).

  Wiesbaden: Gabler.

2 Vgl. Hopp, H. & Göbel, A. (2008). Management in der öffentlichen Verwaltung: Organisations- und Personalarbeit in

  modernen Kommunalverwaltungen (3. Ausg.). Stuttgart: Schäffer-Poeschel.

3 Vgl. Seekatz, K.-H. (2001). Konsequenzen der Verwaltungsreformen für die Personalwirtschaft von Behörden. Dissertation

  an der Fernuniversität Hagen. URL: http://deposit.fernuni-hagen.de/27/ (Stand 10/12).

4 Ortner, G. E. & Thielmann-Holzmayer, C. (2006). Das Hagener Schema: Vier Kalküle, ein Wert, gesamtheitliche Bewertung

  des Personalvermögens. Das Personalvermögen – Magazin für Personalwirtschaft und Weiterbildung, 3 (4), S. 18-20.

5 Vgl. Kirbach, Chr. & Gourmelon, A. (2007). (Hg.) Personalmanagement in Umbruchzeiten. Baden-Baden: Nomos.

6 Wucknitz, W. D. (2009). Handbuch Personalbewertung: Messgrößen, Anwendungsfelder, Fallstudien für das Human

  Capital Management (2. Ausg.). Stuttgart: Schäffer-Poeschel.

7 Treier, M. (2011). Personalpsychologie kompakt. Weinheim, Basel: Beltz.

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