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Anfechtung – Schwangerschaft – arglistige Täuschung

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Das Landesarbeitsgericht Köln hat einen Rechtsstreit über die Beendigung eines befristeten Arbeitsverhältnisses nach einer Anfechtung wegen arglistiger Täuschung entschieden.

Leitsätze:

 

Die Frage nach einer Schwangerschaft bei der Einstellung ist wegen ihrer geschlechtsdiskriminierenden Wirkung grundsätzlich unzulässig. In aller Regel besteht auch keine Offenbarungspflicht der Arbeitnehmerin. Dies gilt selbst dann, wenn sie befristet als Schwangerschaftsvertretung beschäftigt werden soll.

 

Sachverhalt:

 

Am 30.9.2011 unterzeichneten die Parteien einen Arbeitsvertrag, wonach die Klägerin ab dem 5.10.2011 befristet bis zum 31.1.2013 als Rechtsanwaltsfachangestellte gegen eine monatliche Vergütung von 1.700,00 Euro brutto eingestellt wurde. Im November 2011 informierte die Klägerin die Beklagte über das Bestehen einer Schwangerschaft mit einem errechneten Geburtstermin vom 19.5.2012. Am 3.1. 2012 erklärte die Beklagte schriftlich die Anfechtung des Arbeitsvertrags wegen arglistiger Täuschung. Gegen diese Anfechtung wendet sich die Klägerin.

 

Prozessergebnis:

 

Die Klägerin hatte vor dem Landesarbeitsgericht Köln Erfolg.

 

Begründung:

 

Die Klägerin war bei Vertragsschluss nicht verpflichtet, das Bestehen einer Schwangerschaft zu offenbaren. Das Verschweigen von Tatsachen stellt nur dann eine Täuschung dar, wenn hinsichtlich der verschwiegenen Tatsachen eine Aufklärungspflicht besteht. Es kommt entscheidend darauf an, ob der Vertragspartner nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung redlicherweise Aufklärung erwarten durfte.

 

Das ist im Hinblick auf eine Schwangerschaft zur Vermeidung einer Geschlechtsdiskriminierung zu verneinen. Gleiches gilt für eine entsprechende Frage des Arbeitgebers, die nach § 3 Abs. 1 Satz 2 AGG als unmittelbare Benachteiligung wegen des Geschlechts zu bewerten ist. Die unmittelbar diskriminierende Wirkung hat die Beklagte selbst bestätigt, indem sie ausgeführt hat, sie hätte die Klägerin natürlich nicht eingestellt, wenn diese sie über die bereits bei Vertragsunterzeichnung bekannte Schwangerschaft informiert hätte.

 

Soweit sich die Beklagte auf eine Entscheidung des BAG vom 8.9.1988 – 2 AZR 102/88 – ZTR 1989, 157 = NZA 1989, 178 – beruft, ist diese Rechtsprechung schon deshalb nicht einschlägig, weil hier die Vertragsdurchführung nicht wegen eines mutterschutzrechtlichen Beschäftigungsverbots gänzlich unmöglich war. Es kann dahinstehen, ob eine Ausnahme von der grundsätzlichen Unzulässigkeit der Frage nach der Schwangerschaft in Fällen eines dauerhaften oder partiellen Beschäftigungsverbots auch mit der neueren Rechtsprechung des EuGH vereinbar ist. Jedenfalls dann, wenn – wie hier – eine Vertragsdurchführung zunächst ohne weiteres möglich ist, gibt es für eine solche Ausnahme unter dem Gesichtspunkt des Rechtsmissbrauchs keinen Anlass. Unstreitig ist das Arbeitsverhältnis auch bis zur Anfechtungserklärung Anfang Januar 2012 tatsächlich praktiziert worden.

 

Auch die Tatsache der Befristung des Arbeitsverhältnisses führt zu keiner anderen Beurteilung. Zwar hat das BAG die Unzulässigkeit einer Frage nach der Schwangerschaft bislang ausdrücklich nur für den Fall einer unbefristeten Einstellung festgestellt (BAG vom 6.2.2003 – 2 AZR 621/01 – ZTR 2003, 465 = NZA 2003, 848). Nach der Rechtsprechung des EuGH (vom 4.10.2001 – C-190/00 – NZA 2001, 1241) gilt dies aber auch dann, wenn ein befristeter Arbeitsvertrag begründet werden soll und feststeht, dass die Bewerberin während eines wesentlichen Teils der Vertragszeit nicht arbeiten kann.

 

Aufgrund dieser Rechtslage, die aus Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 76/207/EWG zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, zur Berufsbildung und zum beruflichen Aufstieg folgt, bestand im Streitfall weder ein Fragerecht des Arbeitgebers noch eine Offenbarungspflicht der Arbeitnehmerin, und zwar selbst für den Fall, dass ihr die Schwangerschaft bei Vertragsschluss bekannt war.

 

 

LAG Köln U.v. 11.10.2012

Az. 6 Sa 641/12

 

 

Bernhard Faber

Richter am Arbeitsgericht Augsburg a. D.

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