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Anfechtung der Eigenkündigung des Arbeitnehmers – Widerruf – Treu und Glauben

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Im Zusammenhang mit einem Streit über die wirksame Beendigung eines Arbeitsverhältnisses hatte das Bundesarbeitsgericht auch über eine vom Arbeitnehmer erklärte Anfechtung seiner außerordentlichen Eigenkündigung zu entscheiden.

Orientierungssätze:

 

  1. Der nachdrückliche Hinweis des Arbeitgebers auf die eigene wirtschaftlich desolate Lage verbunden mit der Offerte, ein Arbeitsverhältnis mit einem auswärtigen Unternehmen zu begründen, ist für sich allein regelmäßig nicht geeignet, die Anfechtung einer Eigenkündigung des Arbeitnehmers wegen widerrechtlicher Drohung zu begründen.
  2. Dem Arbeitnehmer ist es wegen § 242 BGB in der Regel verwehrt, sich für die Unwirksamkeit einer schriftlichen fristlosen Eigenkündigung auf das Fehlen eines wichtigen Grundes i. S. von § 626 Abs. 1 BGB zu berufen.

 

Kernaussagen der Entscheidungsbegründung:

 

  • Eine Drohung i. S. des § 123 BGB setzt objektiv die Ankündigung eines zukünftigen Übels voraus, dessen Zufügung in irgendeiner Weise als von der Macht des Ankündigenden hingestellt wird. Die Androhung des Arbeitgebers, das Arbeitsverhältnis durch eine Kündigung beenden zu wollen, falls der Arbeitnehmer nicht bereit sei, das Arbeitsverhältnis selbst zu beenden, kann die Ankündigung eines zukünftigen empfindlichen Übels darstellen. Eine rechtswidrige Drohung mit bestimmten konkreten arbeitsrechtlichen Schritten durch den Arbeitgeber liegt jedoch nicht vor, wenn dieser lediglich allgemein und anschaulich auf die desolate wirtschaftliche Lage in seinem Umfeld hinweist.
  • Ein Arbeitnehmer kann seine Eigenkündigung nicht wirksam nach § 312 Abs. 1, § 355 BGB widerrufen. Die gesetzlichen Voraussetzungen hierfür sind nicht erfüllt. Für einseitige Erklärungen wie die Kündigung des Arbeitsverhältnisses ist ein gesetzliches Widerrufsrecht nicht vorgesehen. Außerdem liegt kein Haustürgeschäft vor.
  • Ein Arbeitnehmer kann seine Eigenkündigung unter Berufung auf § 242 BGB auch nicht deshalb widerrufen, weil ihm der Arbeitgeber vor Unterzeichnung der Kündigung keine Bedenkzeit eingeräumt hat. § 242 BGB kann einen derart schwerwiegenden Eingriff in die Privatautonomie, wie ihn die Gewährung eines gesetzlich nicht vorgesehenen Widerrufsrechts darstellen würde, nicht begründen.
  • Die Eigenkündigung des Arbeitnehmers ist auch nicht aus anderen Gründen unbeachtlich. Der Arbeitgeber handelt weder treuwidrig (§ 242 BGB) noch sittenwidrig (§ 138 BGB), wenn er sich auf deren Wirksamkeit beruft. Der Arbeitnehmer befand sich weder in einer seelischen Zwangslage noch wurde er sonst in unzulässiger Weise in seiner Entscheidungsfreiheit beeinträchtigt. Das Arbeitsverhältnis der Parteien war aus damaliger Sicht aus wirtschaftlichen Gründen objektiv gefährdet.
  • Es kann dahinstehen, ob für die Kündigung ein wichtiger Grund i. S. des § 626 Abs. 1 BGB vorlag Dem Arbeitnehmer ist es nach § 242 BGB verwehrt, sich auf die Unwirksamkeit der fristlosen Eigenkündigung zu berufen. Das Geltendmachen der Unwirksamkeit einer schriftlich erklärten fristlosen Eigenkündigung durch den Arbeitnehmer selbst ist regelmäßig treuwidrig.

 

 

Auf die vollständige Begründung des Urteils wird Bezug genommen.

 

BAG U.v. 9.6.2011

Az. 2 AZR 418/10 

 

 

Hinweis:

 

Dass die Geltendmachung der Unwirksamkeit einer schriftlich erklärten fristlosen Eigenkündigung durch den Arbeitnehmer regelmäßig treuwidrig ist, hat das BAG bereits mit Urteil vom 12.3.2009 – 2 AZR 894/07 – ZTR 2009, 662 = NZA 2009, 840 – mit ausführlicher Begründung entschieden. Das BAG hat hier u. a. ausgeführt, dass jedenfalls eine schriftliche und ohne jedes Drängen abgegebene Kündigungserklärung i. d. R. für eine ernsthafte und endgültige Lösungsabsicht spricht. Dies folgt auch aus dem Sinn des § 626 Abs. 1 BGB. Wenn das Gesetz die Wirksamkeit der außerordentlichen und fristlosen Kündigung an das Vorliegen eines wichtigen Grundes knüpft, so geschieht das nicht, um dem Kündigenden die Möglichkeit zu eröffnen, seine einmal bekundete Lösungsabsicht im Licht später gewonnener Erkenntnisse nach Gutdünken rückgängig machen zu können und damit den Vertragspartner gewissermaßen zum Spielball seiner Entschlüsse zu machen.

 

 

Bernhard Faber, Richter am Arbeitsgericht Augsburg a. D.

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