Anspruch auf Teilzeit – Rechtsmissbrauch
Keinen Erfolg hatte ein Flugzeugführer vor dem Bundesarbeitsgericht, der von seiner Arbeitgeberin verlangte, seine regelmäßige Arbeitszeit um 3,29 % zu vermindern und die reduzierte Arbeitszeit so zu verteilen, dass er jeweils vom 22. Dezember eines Jahres bis zum 2. Januar des Folgejahres nicht zu arbeiten hat.
Kernaussagen der Begründung
- Der in § 8 TzBfG geregelte Anspruch auf Verringerung der Arbeitszeit und der in § 9 TzBfG geregelte Anspruch auf Verlängerung der Arbeitszeit sollen den Wechsel von einer Vollzeit- in eine Teilzeitbeschäftigung oder umgekehrt erleichtern. Diese Ansprüche dienen der Schaffung von Teilzeitstellen und vor allem der besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie.
- Anders als § 15 Abs. 7 Satz 1 Nr. 3 BEEG enthält § 8 TzBfG keine Vorgaben hinsichtlich des Umfangs der Vertragsänderung und knüpft den Anspruch auf Verringerung der Arbeitszeit nicht an ein Mindestmaß der Arbeitszeitreduzierung. Dies bewirkt, dass ein Arbeitnehmer grundsätzlich auch Anspruch auf eine verhältnismäßig geringfügige Verringerung seiner Arbeitszeit haben kann. Verlangt ein Arbeitnehmer, dass seine Arbeitszeit reduziert wird, indiziert dies nicht per se einen Rechtsmissbrauch. Anderenfalls würde das Ziel des Gesetzgebers unterlaufen, der die Ansprüche aus § 8 Abs. 1 und Abs. 4 Satz 1 TzBfG nicht an ein bestimmtes Restarbeitszeitvolumen gebunden hat.
- Liegen allerdings im Einzelfall besondere Umstände vor, die darauf schließen lassen, der Arbeitnehmer wolle die ihm nach § 8 TzBfG
zustehenden Rechte zweckwidrig dazu nutzen, unter Inkaufnahme einer unwesentlichen Verringerung der Arbeitszeit und der Arbeitsvergütung eine bestimmte Verteilung der Arbeitszeit zu erreichen, auf die er ohne die Arbeitszeitreduzierung keinen Anspruch hätte, kann dies die Annahme eines nach § 242 BGB rechtsmissbräuchlichen Verringerungsverlangens rechtfertigen. - Die einzelfallbezogene Würdigung solcher Umstände durch die Tatsachengerichte ist in der Revisionsinstanz nur eingeschränkt überprüfbar.
- Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht berücksichtigt, dass die vom Kläger begehrte blockweise Freistellung jeweils vom 22. Dezember eines Jahres bis zum 2. Januar des Folgejahres und damit an Weihnachten, Silvester, Neujahr und der Zeit „zwischen den Jahren“ einen Zeitraum umfasst, in dem erfahrungsgemäß viele Flugzeugführer der Beklagten von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung freigestellt werden wollen. Es ist anzunehmen, dass der Kläger mit seinem geringfügigen Verringerungsverlangen unter Inkaufnahme einer unwesentlichen Reduzierung seiner Arbeitsvergütung die Garantie freier Tage für den fraglichen Zeitraum verfolgt, ohne damit rechnen zu müssen, dass ein Urlaubsantrag für diese Zeit nach § 7 Abs. 1 Satz 1 BUrlG wegen entgegenstehender Urlaubswünsche anderer Arbeitnehmer, die unter sozialen Gesichtspunkten Vorrang verdienten, abgelehnt werden könnte. Der Rechtsmissbrauch des Klägers folgt auch aus der sog. Zweck-Mittel-Relation, wonach der Kläger eine formale Rechtsposition nutzt, um einen Anspruch geltend zu machen, an dem er – isoliert betrachtet – kein erkennbares Interesse hat, um diesen wiederum zu nutzen, um eine unabhängig vom Arbeitszeitvolumen in seinem Interesse liegende Arbeitszeitgestaltung zu erreichen, auf die er – isoliert betrachtet – keinen Anspruch hat.
Auf die vollständige Begründung der Entscheidung wird Bezug genommen.
BAG vom 11.6.2013 – 9 AZR 786/11 –
Bernhard Faber
Richter am Arbeitsgericht Augsburg a. D.
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