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Arbeitszeugnis – Zwangsvollstreckung – Prozessvergleich

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In einem Verfahren vor dem Bundesarbeitsgericht haben die Parteien über eine Verpflichtung zur Zeugniserteilung gestritten. Bei dieser Gelegenheit hat das BAG wichtige Grundsätze des Zeugnisrechts zusammengefasst.

Sachverhalt:

 

Im Rahmen eines zuvor beim Arbeitsgericht geführten Kündigungsschutzprozesses schlossen die Parteien einen Vergleich, der neben der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zwischen den Parteien auch folgende Regelungen zu einem von der Beklagten zu erteilenden Zeugnis enthält:

 

„Die Beklagte erstellt zugunsten des Klägers ein pflichtgemäßes qualifiziertes Zeugnis über den Gesamtzeitraum der dortigen Beschäftigung des Klägers seit dem Jahre 1987 entsprechend einem der Beklagten vom Kläger noch vorzulegenden Entwurf, der innerhalb eines angemessenen Zeitraumes von zwei Wochen ab Überlassung des Entwurfes auf dem Briefkopf der Beklagten mit dem Datum des 04.05.2010 ausgefertigt, von dem Geschäftsführer der Beklagten unterzeichnet und als ordnungsgemäßes Zeugnis an den Kläger zurückgereicht wird.“

 

In der Folgezeit stritten die Parteien um die Frage, ob diese Vergleichsformulierung für die Zwangsvollstreckung hinreichend bestimmt ist.

 

Prozessergebnis:

 

Das BAG hat die streitige Frage bejaht, das Verfahren aber an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen, da es nicht beurteilen konnte, ob die Beklagte als Vollstreckungsschuldnerin den Vergleich ausreichend erfüllt hat.

 

Begründung (Zusammenfassung):

 

Der Vergleich hat einen vollstreckbaren Inhalt. Dies ergibt seine Auslegung unter Beachtung der gesetzlichen Regelung zum Anspruch auf Erteilung eines Zeugnisses nach § 109 GewO.

 

Der gesetzlich geschuldete Inhalt des Zeugnisses bestimmt sich nach den mit ihm verfolgten Zwecken.

Ein Zeugnis ist regelmäßig Bewerbungsunterlage und damit gleichzeitig Entscheidungsgrundlage für die Personalauswahl durch künftige Arbeitgeber. Deshalb hat es Auswirkungen auf das berufliche Fortkommen des Arbeitnehmers. Dem Arbeitnehmer gibt es zugleich Aufschluss darüber, wie der Arbeitgeber seine Leistungen beurteilt. Vom Arbeitgeber wird dabei verlangt, dass er den Arbeitnehmer auf der Grundlage von Tatsachen beurteilt und, soweit das möglich ist, ein objektives Bild über den Verlauf des Arbeitsverhältnisses vermittelt.

 

Daraus ergeben sich die Gebote der Zeugniswahrheit und der Zeugnisklarheit.

 

Der Grundsatz der Zeugniswahrheit erstreckt sich auf alle wesentlichen Tatsachen, die für die Gesamtbeurteilung des Arbeitnehmers von Bedeutung sind und an deren Kenntnis ein künftiger Arbeitgeber ein berechtigtes und verständiges Interesse haben kann. Die Tätigkeiten des Arbeitnehmers sind so vollständig und genau zu beschreiben, dass sich ein künftiger Arbeitgeber ein klares Bild machen kann.

 

Das Gebot der Zeugnisklarheit ist nach § 109 Abs. 2 GewO gesetzlich normiert. Danach muss das Zeugnis klar und verständlich formuliert sein. Es darf keine Formulierungen enthalten, die den Zweck haben, eine andere als aus der äußeren Form oder dem Wortlaut ersichtliche Aussage über den Arbeitnehmer zu treffen. Abzustellen ist auf den objektiven Empfängerhorizont des Lesers des Zeugnisses. Es kommt nicht darauf an, welche Vorstellungen der Zeugnisverfasser mit seiner Wortwahl verbindet.

 

In diesem Rahmen ist der Arbeitgeber grundsätzlich frei in der Formulierung, solange das Zeugnis nichts Falsches enthält. Der Arbeitgeber entscheidet deshalb auch darüber, welche positiven oder negativen Leistungen er stärker hervorheben will als andere.

 

Maßstab ist der eines wohlwollenden verständigen Arbeitgebers.

 

Im vorliegenden Fall haben die Parteien mit der Formulierung im Vergleich „entsprechend einem der Beklagten vom Kläger noch vorzulegenden Entwurf“ jedoch eine wesentliche Abweichung von den gesetzlichen Regelungen zum Zeugnisanspruch nach § 109 GewO vereinbart. Sie haben damit die Formulierungshoheit des früheren Arbeitgebers eingeschränkt und diese auf den Arbeitnehmer übertragen. Dieser hat damit darüber zu entscheiden, welche positiven oder negativen Leistungen er stärker hervorheben will. Allerdings muss auch die vom Arbeitnehmer vorzuschlagende Formulierung des Zeugnisses die Grenze der Zeugniswahrheit und Zeugnisklarheit berücksichtigen, wie es die Parteien im Vergleich auch vereinbart haben.

 

Im Übrigen wird auf die vollständige Entscheidungsbegründung verwiesen.

 

 

BAG U.v. 9.9.2011

Az 3 AZB 35/11

 

Bernhard Faber, Richter am Arbeitsgericht Augsburg a. D.

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