Befreiung von der Rentenversicherungspflicht für Mitglieder berufsständischer Versorgungswerke
Drei Entscheidungen des Bundessozialgerichts (BSG) vom 31.10.2012 bezüglich der Befreiung von der Rentenversicherungspflicht (B 12 R 8/10, B 12 R 3/11, B 12 R 5/10) haben grundlegende Neuerungen im Befreiungsrecht zur Folge. Inzwischen liegen die Urteilsgründe für die Entscheidungen vor sowie erste Aussagen der Deutschen Rentenversicherung Bund (DRV Bund), welche Konsequenzen sie aus den Urteilen zieht.
Inhalt der Urteile
- BSG – B 12 R 8/10
Das BSG hat festgestellt, dass sich die ursprüngliche Befreiung eines Steuerberaters von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht nicht auf die nach der Befreiung unter Aufgabe seiner hauptberuflichen Tätigkeit als Steuerberater ausgeübte Nebentätigkeit in einer Steuerberaterkanzlei erstreckt. Die Niederlegung der Steuerberaterzulassung und das Ausscheiden aus der Steuerberaterkammer führten zum nachträglichen Wegfall der Befreiungsvoraussetzungen und damit zur Aufhebung der ursprünglichen Befreiung für die Zukunft. - BSG – B 12 R 3/11
Es ging um einen approbierten Arzt, der als Arzt im Praktikum in einem Krankenhaus von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung befreit war. Danach wechselte er in ein Pharmaunternehmen und war dort zunächst im Innendienst, dann im Außendienst als Pharmaberater tätig. Das BSG stellt fest, dass sich aus dem Wortlaut des § 6 Abs. 5 Satz 1 SGB VI ergibt, dass mit einer Befreiungsentscheidung keine Befreiung von der Versicherungspflicht auch für andere als die „jeweilig“ ausgeübte Beschäftigung des Betroffenen erfolgt, selbst wenn ursprüngliche und nachfolgende Erwerbstätigkeiten ähnlich sein mögen. Das Gericht macht außerdem deutlich, dass Beitragsnachforderungen ausschließlich an den Arbeitgeber gerichtet sind (§ 28e Abs. 1 Satz 1 SGB IV) und ein Rückgriff auf den Arbeitnehmer nur in den Grenzen des § 28g Satz 3 SGB IV möglich ist. - BSG – B 12 R 5/10
Hier ging es um eine approbierte Tierärztin, die mit Aufnahme einer Beschäftigung an einer Universität von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung befreit wurde. Sie wechselte zu einem Pharmaunternehmen und wurde Pharmaberaterin im Außendienst. Das BSG stellt fest, dass die Klägerin für ihre Beschäftigung beim Pharmaunternehmen nicht aufgrund der ursprünglichen Befreiung als Tierärztin an der Universität befreit sei. Der Vertrauensschutz der Klägerin und das Gebot von Treu und Glauben stünden dem Ergebnis nicht entgegen. Die Reichweite der Befreiung von der Versicherungspflicht werde nicht über materielle Merkmale von Beschäftigungen, eine Berufsbezeichnung, die berufliche Qualifikation oder über den beruflichen Status der Versicherten definiert, sondern knüpfe ausschließlich an die Begriffe der Beschäftigung und der selbstständigen Tätigkeit an.
Das BSG orientiert sich mit diesen Entscheidungen sehr eng am Wortlaut des § 6 Abs. 5 Satz 1 SGB VI. Damit gelten einmal erteilte Befreiungen nur für die jeweilige Beschäftigung bei einem bestimmten Arbeitgeber und enden spätestens mit dem Ende der Beschäftigung.
Reaktion der Deutschen Rentenversicherung Bund
Die DRV Bund hat zwischenzeitlich allgemeine Folgerungen aus den Urteilen des BSG gezogen, vgl. www.deutsche-rentenversicherung.de.
Die in dieser Mitteilung enthaltenen Aussagen beziehen sich allerdings ausschließlich auf Beschäftigte, die in „klassischen“ Bereichen arbeiten, d. h. auf Ärzte, die eine ärztliche Tätigkeit in Krankenhäusern oder Arztpraxen ausüben, auf Apotheker in Apotheken und auf Rechtsanwälte bei anwaltlichen Arbeitgebern. Für diesen Personenkreis müssen Befreiungsanträge erst bei einem Wechsel der Beschäftigung gestellt werden, wenn die derzeitige Beschäftigung vor dem 31.10.2012 aufgenommen wurde. Andernfalls ist ein erneuter Befreiungsantrag zu stellen. Die Wirkung der Befreiung gilt erst ab dem sich aus § 6 Abs. 4 SGB VI ergebenden Zeitpunkt.
Die DRV Bund weist als Konsequenz auf die Rechtsprechung des BSG darauf hin, dass jedes Pflichtmitglied eines berufsständischen Versorgungswerks für jede neu aufgenommene versicherungspflichtige Beschäftigung ein eigenständiges neues Befreiungsverfahren durchzuführen hat. Dies gilt nicht nur bei einem Arbeitgeberwechsel, sondern auch bei jeder wesentlichen Änderung im Tätigkeitsfeld bei dem bisherigen Arbeitgeber.
Hinweise zum ärztlichen Bereich: Für bis zum 31.10.2012 erfolgte Befreiungen stellt die DRV Bund fest, dass bei Ärzten, die u. a. eine ärztliche Tätigkeit in Krankenhäusern ausüben, es bei der bisherigen Praxis bleibt, sodass ein neuer Befreiungsantrag erst bei einem Wechsel der Beschäftigung (neuer Arbeitgeber oder wesentliche Änderung im Tätigkeitsfeld beim bisherigen Arbeitgeber) gestellt werden muss. Auf Wunsch können Anträge zur Klarstellung auf die aktuell ausgeübte Beschäftigung gestellt werden. Für bereits beendete Beschäftigungen werden nachträglich keine Befreiungsbescheide erteilt.
Ausdrücklich stellt die DRV Bund fest, dass der Wechsel eines Arztes im Krankenhaus von einer Station auf eine andere oder vom Stationsarzt zum Oberarzt keine wesentliche Änderung des Tätigkeitsfelds darstellt. Eine Änderung des ärztlichen Tätigkeitsfelds in die Bereiche des ärztlichen Controlling, der Qualitätssicherung oder als Medizinjournalist soll nach Auffassung der DRV Bund einen neuen Befreiungsantrag auslösen, der ggf. mit einer Stellen- und Funktionsbeschreibung zu verbinden ist. Dagegen erfolgt die Beförderung vom Assistenzarzt zum Oberarzt oder vom Oberarzt zum Chefarzt weiterhin in demselben Beschäftigungsverhältnis.
Bernhard Faber
Richter am Arbeitsgericht Augsburg a. D.