Befristetes Arbeitsverhältnis zur Erprobung des Arbeitnehmers
In einer Entscheidung vom 2.6.2010, die vor wenigen Tagen veröffentlicht wurde, hat das BAG wichtige Aussagen zum Sachgrund der Erprobung i. S. von § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 TzBfG gemacht. Diese werden hier zusammengefasst.
Angemessene Erprobungszeit?
§ 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 TzBfG nennt keine konkrete zeitliche Vorgabe zur Erprobungsdauer. Allerdings kann die vereinbarte Vertragslaufzeit bei der Prüfung des Befristungsgrunds von Bedeutung sein. Es darf sich daraus nicht ergeben, dass der Sachgrund tatsächlich nicht besteht oder nur vorgeschoben ist. Die Dauer der Erprobungszeit und die Tätigkeit müssen in einem angemessenen Verhältnis stehen. Sechs Monate sind im Allgemeinen ausreichend.
Einschlägige Tarifverträge können Anhaltspunkte geben, welche Probezeit angemessen ist. Auch nach § 2 Abs. 4 Satz 1, § 30 Abs. 4 TVöD/TV-L ist eine Probezeit von längstens sechs Monaten angemessen.
Kein sachlicher Grund ist gegeben, wenn der Arbeitnehmer bereits ausreichende Zeit beim Arbeitgeber mit den von ihm zu erfüllenden Aufgaben beschäftigt war und der Arbeitgeber die Fähigkeiten des Arbeitnehmers hinreichend beurteilen konnte. Ein vorheriges befristetes oder unbefristetes Arbeitsverhältnis mit den gleichen Arbeitsaufgaben spricht daher regelmäßig gegen den Sachgrund der Erprobung.
Jedoch sind auch längere Befristungen zur Erprobung aufgrund besonderer Umstände des Einzelfalls möglich.
Sachverhalt
In dem vom BAG entschiedenen Fall wurde der Kläger als Sachbearbeiter im Bereich der Kopiererbetreuung und Warenannahme bei der Landespolizeiverwaltung insgesamt 12 Monate erprobt. Die beklagte Freie und Hansestadt Hamburg hatte mit dem Kläger zunächst einen unbefristeten Vertrag mit einer Probezeit von sechs Monaten geschlossen. Diesen Vertrag lösten die Parteien nach Ablauf von sechs Monaten einvernehmlich auf. Einen Tag später wurde ein befristetes Probearbeitsverhältnis für sechs weitere Monate begründet. Hintergrund war, dass die Beklagte die Arbeitsleistung des Klägers teilweise mangelhaft beurteilte. Der Kläger hat einen Grad der Behinderung von 30 infolge eines sog. Aufmerksamkeitsdefizitsyndroms. Während der Laufzeit des ersten Vertrags wurden der Beklagten Mittel für den Einsatz eines Job-Coaches für insgesamt 160 Stunden zur arbeitsbegleitenden Unterstützung des Klägers bewilligt.
Begründung
Vor diesem Hintergrund war die weitere sechsmonatige Erprobung nach Auffassung des BAG sachgerecht, da sich die ursprüngliche Erprobungszeit aufgrund besonderer Umstände als nicht ausreichend erwiesen hatte. Wegen der besonderen persönlichen Situation des Klägers zum Zeitpunkt des Abschlusses des befristeten Arbeitsvertrags war seine längere Erprobung unter Hinzuziehung einer Arbeitsassistenz angezeigt. Die gezielte tätigkeitsbegleitende Unterstützungsmaßnahme war veranlasst, um ihm ggf. eine Erbringung seiner arbeitsvertraglich geschuldeten Tätigkeiten zu ermöglichen und sein Leistungsvermögen, das bis dahin als mangelhaft eingeschätzt wurde, angesichts der bekannt gewordenen Behinderung überhaupt zuverlässig beurteilen zu können. Trotz der vorangegangenen Beschäftigung im unbefristeten Arbeitsverhältnis konnte noch nicht von einer ausreichenden Erprobung des Arbeitnehmers ausgegangen werden, weil seine Kompetenzen für die zu erfüllenden Arbeitsaufgaben zuvor möglicherweise vorhanden waren, aber erst mit besonderer leidensgerechter Hilfestellung abgerufen werden konnten.
BAG, U. v. 2.6.2010
Az. 7 AZR 85/09
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