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Fragebogenaktion des Personalrats – Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit

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Das Bundesverwaltungsgericht hat in einer Grundsatzentscheidung Aussagen zur Zusammenarbeit zwischen Dienststellenleitung und Personalvertretung getroffen.

Leitsatz:

 

Aufgrund des Gebots der vertrauensvollen Zusammenarbeit gemäß § 2 Abs. 1 BlnPersVG ist dem Personalrat eine Fragebogenaktion, mit der die Erforderlichkeit von Maßnahmen zur Verbesserung des Gesundheitsschutzes am Arbeitsplatz ermittelt werden soll, verwehrt, wenn die Dienstelle ihrerseits eine Gefährdungsanalyse gemäß § 5 Abs. 1 ArbSchG vorbereitet.

 

Kernaussagen:

 

  • Das Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit soll sicherstellen, dass Dienststelle und Personalrat nicht gegeneinander, sondern miteinander zum Wohl der Beschäftigten und zur Erfüllung der der Dienststelle obliegenden Aufgaben tätig werden. Das Gesetz will keine einseitige Interessenvertretung, sondern unterstreicht die Gemeinsamkeit der Aufgaben. Jede Seite soll die Erfüllung von Aufgaben ermöglichen, die die andere Seite zu erfüllen hat, und den jeweiligen Aufgabenbereich des anderen respektieren. Dazu gehört auch das Bemühen, Meinungsverschiedenheiten zu bereinigen und möglichst einvernehmliche Lösungen zu finden. Das Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit ist ein die Dienststellenverfassung beherrschender Grundsatz und nicht nur bei der Auslegung der im Personalvertretungsrecht konkret normierten Verhaltensvorschriften und Beteiligungsbefugnisse zu beachten, sondern enthält ein allgemeines Verhaltensgebot für den Dienststellenleiter wie für den Personalrat.
  • Die Frage, unter welchen allgemeinen Voraussetzungen dem Personalrat Fragebogenaktionen als Instrumente zur Selbstinformation zur Verfügung stehen, kann auf sich beruhen. Jedenfalls ist dem Personalrat eine solche Aktion speziell dann verwehrt, wenn die Dienststelle bereits in Anwendung von § 5 Abs. 1 ArbSchG eine auf das gleiche Erkenntnisziel bezogene Informationserhebung vorbereitet. In diesem Fall würde die Durchführung einer Fragebogenaktion zu einer Beanspruchung dienstlicher Ressourcen – namentlich in Gestalt der Arbeitszeit von Beschäftigten – führen, obwohl erwartet werden kann, dass der mit ihr erstrebte informatorische Ertrag ohnehin demnächst aufgrund der vorgesehenen Erhebung der Dienststelle erzielt wird; letztere wird durch vorangehende Ermittlungen des Personalrats auch nicht etwa überflüssig, denn die Dienststelle ist aufgrund von § 5 Abs. 1 ArbSchG in jedem Fall gehalten, selbst eine Gefährdungsanalyse durchzuführen, und kann sich dieser Verantwortung nicht entledigen.
  • Eine Fragebogenaktion hätte somit unausweichlich den Charakter einer Konkurrenzerhebung, der aus Sicht eines objektiven Betrachters die Bewertung innewohnt, die Bemühungen seien unzulänglich oder bedürften zumindest eines Korrektivs. Dies wiegt gerade dann besonders schwer, wenn – wie im vorliegenden Fall – diese Bemühungen einen so sensiblen Bereich wie denjenigen des Gesundheitsschutzes der Beschäftigten betreffen. Mit einer solchermaßen konfrontativen Vorgehensweise würde der Personalrat die aus dem Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit fließende Vorgabe eines kooperativen Miteinander und eines Bemühens um gemeinsame Lösungen zum Wohl der Beschäftigten verfehlen. Diese Vorgabe verlangt hier von ihm, die Ermittlungen der Dienstelle abzuwarten.

 

BVerwG U.v. 8.8.2012

Az. 6 PB 8/12

 

 

Hinweise:

 

  • § 5 Abs. 1 ArbSchG schreibt vor, dass der Arbeitgeber durch eine Beurteilung der für die Beschäftigten mit ihrer Arbeit verbundenen Gefährdung zu ermitteln hat, welche Maßnahmen des Arbeitsschutzes erforderlich sind.
  • Mit Beschluss vom 5.3.2012 – 6 PB 25/11 – PersV 2012, 307 - hat das BVerwG eine Entscheidung vom 14.10.2002 - 6 P 7.01 – ZTR 2003, 362 - bestätigt und entschieden, dass eine zu Arbeitsschutzzwecken durchgeführte Befragung der Beschäftigten durch den Dienststellenleiter und somit auch die Gefährdungsbeurteilung nach § 5 ArbSchG keine Maßnahmen sind, die der Mitbestimmung des Personalrats nach § 75 Abs. 3 Nr. 11 („Maßnahmen zur Verhütung von Dienst- und Arbeitsunfällen und sonstigen Gesundheitsschädigungen“) unterliegt.
    Jedoch hat der Personalrat durchaus andere personalvertretungsrechtliche Mittel an der Hand, im Nachhinein eine etwaige von ihm angenommene Mangelhaftigkeit der Gefährdungsanalyse geltend zu machen:
    Der Personalrat kann zum einen die Zustimmung zu Maßnahmen des Gesundheitsschutzes mit der Begründung verweigern, diese seien wegen Mängel einer zuvor durchgeführten Gefährdungsbeurteilung unzureichend.
    Hat der Dienststellenleiter nach durchgeführter Gefährdungsbeurteilung von Maßnahmen des Gesundheitsschutzes überhaupt abgesehen, so kann der Personalrat zum anderen im Weg des Antragsrechts beantragen, Maßnahmen zu ergreifen, die nach Maßgabe einer mängelfreien Gefährdungsanalyse zu treffen sind.
    Wenn der Dienststellenleiter von vornherein von der Durchführung einer Gefährdungsanalyse absieht, kann ein Initiativantrag des Personalrats schließlich darauf gerichtet sein, Maßnahmen des Gesundheitsschutzes nach Maßgabe einer durchzuführenden Gefährdungsanalyse zu treffen. Darüber muss der Dienststellenleiter in der Sache entscheiden. Lehnt er den Initiativantrag ab, geht die Angelegenheit in das Stufen- bzw. Einigungsstellenverfahren über.

 

 

Bernhard Faber

Richter am Arbeitsgericht Augsburg a. D.

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