Leitender Angestellter – Chefarzt
Die Frage, ob ein Beschäftigter leitender Angestellter ist, spielt im Arbeitsrecht mehrfach eine Rolle. Im vorliegenden Fall, den das BAG am 5.5.2010 entschieden hat, war die Frage zu klären, ob der Chefarzt einer medizinischen Abteilung eines Krankenhauses leitender Angestellter ist.
Sonderstellung der leitenden Angestellten
Das Betriebsverfassungsgesetz findet auf leitende Angestellte keine Anwendung (§ 5 Abs. 3 Satz 1 BetrVG). Es hat diese Arbeitnehmer also aus dem Kreis der Personen herausgenommen, deren Interessen der Betriebsrat zu vertreten hat. Diese betriebsverfassungsrechtliche Sonderstellung der leitenden Angestellten ist eine Folge des natürlichen Interessengegensatzes zwischen dem Unternehmer (Arbeitgeber) und der Arbeitnehmerschaft, vertreten durch den Betriebsrat. Nach dem Bundespersonalvertretungsgesetz sind die leitenden Angestellten dagegen Beschäftigte i. S. des Personalvertretungsrechts. Einige Landespersonalvertretungsgesetze (vgl. etwa Art. 78 Abs. 1 Buchst. g BayPVG) schränken die Beteiligungsrechte bei Maßnahmen, die diesen Personenkreis betreffen, mit Rücksicht auf ihre leitende Funktion ein. Das Kündigungsschutzgesetz schränkt die Rechtsstellung der leitenden Angestellten, soweit diese zur selbstständigen Einstellung oder Entlassung von Arbeitnehmern berechtigt sind, beim allgemeinen Kündigungsschutz geringfügig ein (§ 14 Abs. 2 KSchG).
Vorbemerkung
Der vorliegende Fall belegt in eindrucksvoller Weise, dass die gerichtliche Klärung einer vermeintlich einfachen arbeitsrechtlichen Streitfrage mitunter eine Reihe von Jahren dauern kann. Bereits am 20.9.2004 hatte der Betriebsrat beim zuständigen Arbeitsgericht beantragt, festzustellen, dass der betreffende Chefarzt nicht leitender Angestellter sei. Mit dem Beschluss vom 5.5.2010 (d. h. nach über 5 ½ Jahren Gesamtverfahrensdauer) kommt das BAG zu der endgültigen Entscheidung, dass der beteiligte Chefarzt kein leitender Angestellter i. S. von § 5 Abs. 3 BetrVG ist. Zwischenzeitlich hatte des BAG den Rechtsstreit mit einer Entscheidung vom 10.10.2007 – 7 ABR 61/06 – an das zuständige Landesarbeitsgericht zur weiteren Sachaufklärung zurückverwiesen.
Sachverhalt
Der beteiligte Chefarzt ist bei seinem Arbeitgeber, der ein Krankenhaus mit 8 medizinischen Abteilungen (Kliniken) betreibt, als Chefarzt der Klinik für Geriatrie gegen ein Jahresgrundgehalt von 180.000 € beschäftigt. Die von ihm geleitete Klinik verfügt über etwa 10 % der stationären Krankenhausbetten und erwirtschaftet ca. 12 % des im Krankenhaus erzielten Gesamtumsatzes. Im Dienstvertrag vom 22.4.2004, in dem Tätigkeit, Aufgabengebiet sowie Rechte und Pflichten beschrieben sind, wird der Chefarzt als „leitender Angestellter“ bezeichnet. Betriebsrat und Arbeitgeber streiten darüber, ob dies mit der Rechtslage übereinstimmt.
Prozessergebnis
Der Antrag des Betriebsrats hatte Erfolg.
Begründung (Zusammenfassung)
Der beteiligte Chefarzt ist kein leitender Angestellter i. S. des Gesetzes.
Zum einen liegen im Streitfall nicht die Voraussetzungen des § 5 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 BetrVG vor. Danach ist leitender Angestellter derjenige Mitarbeiter, der zur selbstständigen Einstellung und Entlassung von im Betrieb oder in der Betriebsabteilung beschäftigten Arbeitnehmern berechtigt ist. Dies ist vorliegend nicht der Fall, weil sich die Personalverantwortung auf einen Oberarzt und drei Assistenzärzte und damit nur auf einen kleinen Personenkreis erstreckt und damit lediglich von untergeordneter Bedeutung ist.
Auch die Voraussetzungen des § 5 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 BetrVG sind nicht gegeben. Der beteiligte Chefarzt übt nämlich nach der konkreten Ausgestaltung und Durchführung des Vertragsverhältnisses keinen maßgeblichen Einfluss auf die Unternehmensführung aus. Der Arbeitgeberin ist ausdrücklich das Recht vorbehalten, strukturelle und organisatorische Veränderungen im Betriebsablauf vorzunehmen. Aus der Personalverantwortung für das in der geriatrischen Abteilung beschäftigte medizinische Personal lässt sich nicht die Eigenschaft als leitender Angestellter ableiten.
Die Bezeichnung des beteiligten Chefarztes als leitender Angestellter in dessen Arbeitsvertrag begründet diesen betriebsverfassungsrechtlichen Arbeitnehmerstatus nicht, weil die Vertragsparteien darüber nicht verfügen können. § 5 Abs. 3 Satz 2 BetrVG ist zwingend.
Hinweis für die Praxis
Die Entscheidung ist von Interesse für den Krankenhausbereich im öffentlichen Dienst. Nach wie vor werden etwa zwei Drittel der Kliniken in Deutschland von der öffentlichen Hand betrieben. Ob Betriebsverfassungsrecht oder Personalvertretungsrecht Anwendung findet, hängt davon ab, welche Rechtsform die Einrichtung hat (§ 130 BetrVG).
Az. 7 ABR 97/08
vgl. auch B. v. 10.10.2007
Az. 7 ABR 61/06 – ZTR 2008, 345
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