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Neue Erkenntnisse zum Begriff der „Beschäftigungszeit“

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Das BAG einige wichtige Aussagen zum Begriff der Beschäftigungszeit im Tarifrecht des öffentlichen Dienstes getroffen.

Sachverhalt

Ein seit 1982 bei einer Stadt in Rheinland-Pfalz tätiger Arbeitnehmer verlangt ab 1.1.2007 Vergütung nach Stufe 5 der Entgeltgruppe 6 der Anlage A TVöD (VKA). Er beruft sich dabei auf den in Rheinland-Pfalz geltenden Bezirkstarifvertrag zur Überleitung in den TVöD, der für das Erreichen der begehrten Stufe das Zurücklegen einer Beschäftigungszeit von mindestens 16 Jahren verlangt.

Der Arbeitnehmer war wie folgt beschäftigt: Bis 31.10.2001 arbeitete er arbeitszeitlich überwiegend als Friedhofsarbeiter, aber auch als Fahrer von Sonderfahrzeugen mit Spezial- und ähnlichen Aufbauten. Zum 1.11.2001 übertrug die Beklagte dem Kläger die Stelle eines Fahrers eines LKW mit vollhydraulischem Ladekran (Greifer).

 

Prozessergebnis

Der Kläger hatte in allen Instanzen keinen Erfolg.

 

Begründung (Zusammenfassung)

Der Kläger erfüllt nicht die für die Zuordnung zur Stufe 5 genannte Voraussetzung einer Beschäftigungszeit von mindestens 16 Jahren. Entgegen seiner Ansicht reicht es nicht aus, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien seit mehr als 16 Jahren besteht. Abzustellen ist vielmehr auf die Dauer der Tätigkeit des Klägers als Fahrer eines Sonderfahrzeugs.

Die Auslegung von Tarifnormen erfolgt nach Wortlaut und tariflichem Gesamtzusammenhang.

Der tarifliche Wortlaut ist vorliegend nicht eindeutig.

Der Begriff „Beschäftigungszeit“ kann vom Wortsinn her so verstanden werden, dass die vom Beschäftigten in einem Arbeitsverhältnis zurückgelegte Zeit und damit die Dauer des Arbeitsverhältnisses maßgebend ist. Insbesondere im Zusammenhang mit Tarifvorschriften, die die Eingruppierung in eine bestimmte Entgeltgruppe oder die Zuordnung zu einer bestimmten Entwicklungsstufe einer Entgeltgruppe regeln, ist aber auch das Verständnis des Wortes „Beschäftigungszeit“ möglich, dass es auf die Dauer der Ausübung einer bestimmten Beschäftigung ankommt.

Die Tarifvertragsparteien des TVöD haben gesehen, dass der Begriff der Beschäftigungszeit nicht eindeutig ist, sondern unterschiedlich gebraucht wird und verstanden werden kann. Sie haben deshalb im Zusammenhang mit der Regelung von Kündigungsfristen in § 34 Abs. 3 Satz 1 TVöD festgelegt, dass die hierfür maßgebliche Beschäftigungszeit die bei demselben Arbeitgeber im Arbeitsverhältnis zurückgelegte Zeit ist, auch wenn sie unterbrochen ist. Damit haben sie jedoch keinen für alle von ihnen vereinbarten Tarifregelungen geltenden, einheitlichen Begriff der Beschäftigungszeit definiert.

Dies wollten die Tarifvertragsparteien des TVöD auch nicht. Sie haben anders als etwa die Tarifvertragsparteien des BMT-G in § 6 BMT-G von einer Definition der Beschäftigungszeit im Abschnitt I des TVöD unter der Überschrift „Allgemeine Vorschriften“ abgesehen. Hätten die Tarifvertragsparteien die Definition der Beschäftigungszeit in § 34 Abs. 3 TVöD über diesen Anwendungsbereich hinaus erstrecken wollen, hätte es von der tariflichen Regelungstechnik her nahe gelegen, den Begriff der Beschäftigungszeit nicht innerhalb einer Vorschrift zu bestimmen, die die Kündigung des Arbeitsverhältnisses regelt, sondern die Beschäftigungszeit im Abschnitt I „Allgemeine Vorschriften“ oder jedenfalls in einer eigenen Tarifnorm zu definieren, wie dies in § 6 BMT-G erfolgt ist

Hinzu kommt, dass Vorschriften des TVöD, die auf die in § 34 Abs. 3 Satz 1 TVöD für die Kündigungsfristen geregelte Beschäftigungszeit Bezug nehmen (z. B. § 22 Abs. 3, § 23 Abs. 2, § 34 Abs. 1, 2 TVöD) mit dem Klammerzusatz „(§ 34 Abs. 3)“ zum Ausdruck bringen, dass die Beschäftigungszeit i. S. des § 34 Abs. 3 TVöD gemeint ist.

Für das Verständnis, dass es für das Erreichen einer Stufe einer Entgeltgruppe nicht auf die Beschäftigungszeit des Arbeitnehmers i. S. des § 34 Abs. 3 TVöD ankommt, sondern auf die Dauer dessen zuletzt ausgeübter Tätigkeit, spricht auch der Grundsatz, dass regelmäßig die erforderliche Zeit für das Erreichen der nächsthöheren Stufe innerhalb derselben Entgeltgruppe nicht vor der Eingruppierung in diese Entgeltgruppe zu laufen beginnt, wenn die Tarifvertragsparteien nicht die Anrechnung von Vorbeschäftigungszeiten anordnen oder ermöglichen (vgl. BAG vom 16.12.2010  - 6 AZR 357/09- ; vom 27.1.2011 – 6 AZR 578/09-).

Diesem Grundsatz liegt die Erwägung zugrunde, dass das Erreichen der nächsthöheren Entwicklungsstufe nicht (mehr) vom Alter des Beschäftigten oder der Dauer des Arbeitsverhältnisses abhängen soll, sondern vom Umfang der einschlägigen Berufserfahrung, wie dies aus den Regelungen in §§ 16 ff. TVöD deutlich wird.

Hätten die Tarifvertragsparteien des Bezirkstarifvertrags Rheinland-Pfalz entgegen diesem Grundsatz für das Erreichen der Stufe 5 allein auf die beim Arbeitgeber in einem Arbeitsverhältnis zurückgelegte Zeit abstellen wollen, hätten sie diese Ausnahme deutlich machen müssen.

 

BAG vom 27.1.2011  - 6 AZR 590/09 –

 

Bernhard Faber, Richter am Arbeitsgericht a. D
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