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Personalratsmitglied – außerordentliche Kündigung

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In einem Rechtsstreit vor dem Bundearbeitsgericht ging es um die Ersetzung der Zustimmung zu einer außerordentlichen Kündigung.

Orientierungssatz des Gerichts:

 

Hat der Personalrat die nach § 48 Abs. 1 SächsPersVG erforderliche Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung eines Mitglieds der Personalvertretung verweigert und hat das Verwaltungsgericht einem Antrag des Arbeitgebers auf Ersetzung der Zustimmung stattgegeben, kann die Kündigung grundsätzlich erst dann wirksam erfolgen, wenn die gerichtliche Entscheidung formell rechtskräftig ist.

 

Sachverhalt:

 

Die Klägerin war seit dem 1.9.1986 bei der Beklagten als Sachbearbeiterin in deren Stadtverwaltung tätig. Sie war Vorsitzende des bei der Beklagten gebildeten Personalrats.

Mit Schreiben vom 26.6.2009 bat die Beklagte den Personalrat um Zustimmung zu einer beabsichtigten fristlosen Kündigung des Arbeitsverhältnisses der Parteien. Zur Begründung gab sie an, die Klägerin stehe im Verdacht, ihre eigene Personalakte bezüglich der Erteilung einer Nebentätigkeitsgenehmigung gefälscht zu haben. Der Personalrat gab hierzu keine Stellungnahme ab.

Mit Schriftsatz vom 3.7.2009 beantragte die Beklagte beim Verwaltungsgericht, die Zustimmung des Personalrats zu ersetzen. Mit einem am 11.9.2011 verkündeten Beschluss gab das Verwaltungsgericht dem Antrag statt. Die Beschwerde ließ es nicht zu.

Mit Schreiben vom 14.9.2009 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien außerordentlich fristlos.

Nach Auffassung der Klägerin ist die Kündigung unwirksam. Im Zeitpunkt des Zugangs sei die Zustimmung des Personalrats nicht wirksam „ersetzt“ gewesen. Diese Voraussetzung liege erst mit Eintritt der formellen Rechtskraft eine5r entsprechenden verwaltungsgerichtlichen Entscheidung vor. Überdiese fehle es an einem wichtigen Grund zur Kündigung.

Die Beklagte hat die Ansicht vertreten, sie habe die Kündigung nicht verfrüht erklärt. Die Kündigung könne bereits unmittelbar nach Verkündung des gerichtlichen Beschlusses ausgesprochen werden. Auf die Rechtskraft der Entscheidung komme es nicht an. Die gegenteilige Rechtsprechung des BAG zu § 103 BetrVG sei auf die einschlägige personalvertretungsrechtliche Regelung nicht übertragbar. Die Kündigung sei auch nach § 626 BGB wirksam. Gegen die Klägerin habe der dringende Verdacht einer Urkundenfälschung bestanden.

Vor dem Arbeitsgericht und dem Landesarbeitsgericht hatte die Klägerin Erfolg.

 

Prozessergebnis:

 

Auch das BAG kam zum Ergebnis, dass das Arbeitsverhältnis durch die außerordentliche Kündigung nicht aufgelöst wurde.

 

Begründung:

 

In seiner Entscheidungsbegründung trifft das BAG folgende Kernaussagen:

 

  • Nach § 15 Abs. 2 Satz 1 KSchG ist die Kündigung eines Mitglieds der Personalvertretung unzulässig, es sei denn, dass Tatsachen vorliegen, die den Arbeitgeber zur Kündigung aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist berechtigen, und dass die nach dem Personalvertretungsrecht erforderliche Zustimmung vorliegt oder durch gerichtliche Entscheidung ersetzt ist. Nach § 48 Abs. 1 SächsPersVG bedarf die außerordentliche Kündigung von Mitgliedern des Personalrats, die in einem Arbeitsverhältnis stehen, der Zustimmung des Personalrats. Verweigert dieser seine Zustimmung oder äußerst er sich nicht innerhalb von drei Arbeitstagen nach Eingang des Antrags, so kann das Verwaltungsgericht sie auf Antrag des Dienststellenleiters ersetzen, wenn die außerordentliche Kündigung unter Berücksichtigung aller Umstände gerechtfertigt ist. Die ohne eine Zustimmung oder deren gerichtliche Ersetzung ausgesprochene außerordentliche Kündigung ist unwirksam. Entsprechendes ergibt sich aus § 15 Abs. 2 Satz 1 KSchG i. V. m. § 108 Abs. 1 BPersVG.
  • § 15 Abs. 2 Satz 1 KSchG verlangt – ebenso wie § 15 Abs. 1 Satz 1 KSchG –, dass die Zustimmung der betreffenden Arbeitnehmervertretung „ersetzt ist“. Diese Formulierung spricht für den Willen des Gesetzgebers, die Kündigung erst bei endgültig feststehender Ersetzung zu ermöglichen. Solange die gerichtliche Entscheidung noch mit dem Risiko einer Abänderung im Instanzenzug behaftet ist, kann noch nicht die Rede davon sein, dass die Zustimmung des Personalrats ersetzt „ist“.
  • Eine Ausnahme gilt für die Fälle, in denen sich ein Rechtsmittel oder Rechtsbehelf gegen den die Zustimmung ersetzenden Beschluss als offensichtlich aussichtslos darstellt. Unter dieser Voraussetzung kann die Kündigung schon vor Eintritt der formellen Rechtskraft der die Zustimmung des Personalrats ersetzenden gerichtlichen Entscheidung erfolgen. Der besondere Kündigungsschutz wird dadurch nicht beeinträchtigt, da bereits feststeht, dass eine anderweitige gerichtliche Entscheidung nicht mehr erreichbar ist. Die gerichtliche Entscheidung ist dann ebenso „unanfechtbar“ wie ein formell rechtskräftiger Beschluss.
    Diese Voraussetzungen waren im Streitfall nicht gegeben.
  • Für das Erfordernis der Rechtskraft des die Zustimmung  ersetzenden Beschlusses des Verwaltungsgerichts spricht auch der – doppelte – Schutzzweck des § 15 Abs. 2 Satz 1 KSchG.
    Die Regelung gewährleistet zum einen die Unabhängigkeit der Personalratsmitglieder bei der Ausübung ihres Amtes. Sie will zum anderen die Stetigkeit der Arbeit im Personalrat dadurch sichern, dass dieser für die Dauer der Wahlperiode in seiner personellen Zusammensetzung möglichst unverändert bleibt. Der besondere Kündigungsschutz für Mitglieder der Personalvertretung dient damit sowohl individuellen als auch kollektiven Interessen. Die bis zur Rechtskraft des Ersetzungsbeschlusses eintretende Verzögerung einer beabsichtigten Kündigung ist notwendige Folge dieses Schutzes.

 

 Auf die vollständige Begründung der Entscheidung wird Bezug genommen.

 

 

BAG U.v. 24.11.2011

Az. 2 AZR 480/10

 

 

Bernhard Faber, Richter am Arbeitsgericht Augsburg a. D.

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