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Sparkassensonderzahlung – Pfändbarkeit

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In einem Prozess vor dem Bundesarbeitsgericht haben die Parteien darüber gestritten, ob der garantierte Anteil der Sparkassensonderzahlung nach dem TVöD BT-S unpfändbar ist.

Orientierungssätze:

 

  1. „Weihnachtsvergütung“ i. S. von § 850a Nr. 4 ZPO kann nicht nur die klassische „Weihnachtsgratifikation“, die der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer als Beitrag zu den erhöhten Aufwendungen zahlt, sondern auch eine Sondervergütung für erbrachte Arbeit sein, sofern sie aus Anlass des Weihnachtsfests gezahlt wird.
  2. Der garantierte Anteil der Sparkassensonderzahlung nach § 44 Abs. 1 Satz 2 TVöD BT-S ist keine „Weihnachtsvergütung“ i. S. von § 850a Nr. 4 ZPO.

 

Sachverhalt:

Die Klägerin ist für die Beklagte als Teilzeitkraft tätig. Auf das Arbeitsverhältnis findet der TVöD einschließlich seines Besonderen Teils Sparkassen (TVöD BT-S) Anwendung. Die Klägerin bezog im November 2008 ein Grundgehalt nebst Zulagen i. H. von 1.598,00 Euro brutto sowie den garantierten Anteil der Sparkassensonderzahlung (SZZ) i. H. von 1.277,34 Euro brutto. Von dem sich errechnenden Nettobetrag zahlte die Beklagte auf einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss 447,05 Euro an einen Gläubiger aus.

 

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, der garantierte Anteil der SSZ sei Weihnachtsvergütung i. S. von § 850a Nr. 4 ZPO und deshalb teilweise unpfändbar.

 

Die Beklagte hat gemeint, der garantierte Teil der SSZ sei der „Leistungssockel“ einer einheitlichen Leistungsvergütung und keine Weihnachtsvergütung.

 

Prozessergebnis:

Die Klage hatte in allen Instanzen keinen Erfolg.

 

Begründung:

Arbeitseinkommen ist im Rahmen der Pfändungsgrenzen der §§ 850c ff. ZPO grundsätzlich in vollem Umfang der Pfändung unterworfen. Zusätzlich sind der Pfändung ausnahmsweise nach § 850a Nr. 1 bis Nr. 8 ZPO bestimmte zweckgebundene Gratifikationen, Beihilfen, Entschädigungen und sonstige Zahlungen entzogen. Auch eine „Weihnachtsvergütung“ muss deshalb im Rahmen der Zweckbestimmung des § 850a Nr. 4 ZPO aus Anlass von Weihnachten erbracht worden sein, um (teilweise) der Pfändung entzogen zu sein. Für ein weitergehendes Verständnis der Norm ist nach dieser Systematik des Pfändungsschutzes kein Raum.

 

Mit den in § 850a Nr. 4 ZPO aufgeführten Zahlungen wird überwiegend ein bestimmter Aufwand des Arbeitnehmers ausgeglichen. Nur eine typischerweise zur Deckung des erhöhten Aufwands zu Weihnachten geleistete Zuwendung kann deshalb der Pfändung entzogen sein.

 

Der nach § 44 Abs. 1 Satz 2 TVöD BT-S garantierte Anteil der SSZ wird nicht als „Weihnachtsvergütung“ i. S. des Gesetzes geleistet.

 

Dies ergibt sich zum einen aus dem Wortlaut der Tarifnorm. Nach § 44 TVöD BT-S besteht die SSZ aus einem garantierten und einem variablen, teilweise individuell-leistungs- und teilweise unternehmenserfolgsbezogenen Anteil. Der garantierte Anteil der SSZ ist zwar nicht an das Erreichen bestimmter Ziele geknüpft, hat aber – mit Ausnahme der Fälligkeit – im Übrigen dieselben Anspruchsvoraussetzungen und unterliegt denselben Kürzungsbestimmungen wie der variable Anteil der SSZ. Dies spricht für einen einheitlichen Vergütungscharakter und gegen die Annahme einer zweckbestimmt zu Weihnachten geleisteten Zahlung.

 

Auch aus dem tariflichen Gesamtzusammenhang lässt sich eine solche Zweckbestimmung nicht entnehmen.

Ohne ergänzende Anhaltspunkte kann die Fälligkeit einer Zahlung in zeitlicher Nähe zu Weihnachten nur bei einer reinen Gratifikation durchgreifendes Indiz für das Vorliegen einer „Weihnachtsvergütung“ sein. Bei einer Zahlung mit Vergütungscharakter wie der SSZ ist ohne Vorliegen weiterer Anhaltspunkte regelmäßig dagegen davon auszugehen, dass geleistete Arbeit honoriert werden soll.

Der Vergütungscharakter auch des garantierten Anteils der SSZ wird dadurch bestätigt, dass nach dem Tarifvertrag beide Teile der SSZ um ein Zwölftel für jeden Kalendermonat vermindert werden, in dem kein Anteil auf Entgelt usw. besteht. Ist ein Arbeitnehmer ohne Anspruch auf Entgelt ganzjährig erkrankt, erhält er grundsätzlich weder den garantierten noch den variablen Anteil der SSZ.

Dass der Beschäftigte nach dem Tarifvertrag am 1. Dezember des jeweiligen Kalenderjahres im Arbeitsverhältnis stehen muss, um anspruchsberechtigt zu sein, führt zu keiner anderen Bewertung. Daraus folgt, dass mit der SSZ auch Betriebstreue honoriert wird, nicht aber, dass die Zuwendung zweckbestimmt zu Weihnachten gezahlt wird.

Schließlich führt auch die Tarifgeschichte zu keinem anderen Ergebnis. Auch wenn die Tarifvertragsparteien mit der SSZ tariflich geregelte Zuwendungen mit anderem Inhalt abgelöst haben, folgt daraus nicht, dass deren Zwecke nunmehr für die SSZ maßgebend sind. Die Tarifvertragsparteien sind frei darin, Zuwendungen neu zu gestalten und ihnen einen neuen Leistungszweck und -inhalt zu geben. Dies ist mit der SSZ geschehen.

 

 

BAG U.v. 14.3.2012

Az. 10 AZR 778/10

 

 

Bernhard Faber, Richter am Arbeitsgericht Augsburg a. D.

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