Vergütung von Ärzten während der Rufbereitschaft – Inanspruchnahme außerhalb des Krankenhauses
Das BAG hatte über die Frage zu entscheiden, ob für Ärzte in der Rufbereitschaft bei einer Inanspruchnahme außerhalb des Krankenhauses Überstundenentgelt und Zeitzuschläge zu zahlen sind.
Orientierungssätze des BAG
- Hat der Arzt sich auf Anordnung des Arbeitgebers außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit an einer dem Arbeitgeber anzuzeigenden Stelle aufzuhalten, um auf Abruf die Arbeit aufzunehmen (Rufbereitschaft), hat der Arbeitgeber für die Inanspruchnahme nach § 11 III 5 TV-Ärzte/VKA das Entgelt für Überstunden unter Berücksichtigung der tariflich vorgesehenen Zeitzuschläge zu zahlen.
- § 11 III 4 TV-Ärzte/VKA, wonach hinsichtlich der Arbeitsleistung jede einzelne Inanspruchnahme innerhalb der Rufbereitschaft mit einem Einsatz im Krankenhaus einschließlich der hierfür erforderlichen Wegezeiten auf eine volle Stunde gerundet wird, schließt die Vergütung außerhalb eines Krankenhauses während der Rufbereitschaft erbrachter Arbeitsleistungen nicht aus. Die Vorschrift regelt nur, welche Zeiten bei einem Einsatz im Krankenhaus bei der Berechnung des Entgelts für die Arbeitsleistung zu berücksichtigen sind.
- Tarifvertragsparteien dürfen Arbeitnehmern keine erheblichen Arbeitsleistungen ohne Vergütung abverlangen.
Sachverhalt
Die Parteien streiten über die Vergütung von Arbeitsleistungen während der Rufbereitschaft. Die Klägerin ist Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie und arbeitet als Oberärztin der Abteilung „Ambulante Behandlung“ bei der Beklagten, die eine Fachklinik für Psychiatrie und Psychotherapie betreibt. Der TV-Ärzte/VKA findet Anwendung.
Die Beklagte ordnet für die Klägerin Rufbereitschaft an. Diese ist bei der Beklagten als telefonischer Dienst eingerichtet und garantiert die Erreichbarkeit von Fachärzten 24 Stunden am Tag, auch am Wochenende. Die Klägerin war während der Rufbereitschaft bei psychischen Irritationen der Akutpatienten, die sich nicht in der Klinik, sondern zu Hause befanden, die einzige Ansprechpartnerin. Ein Einsatz während der Rufbereitschaft am Aufenthaltsort eines Akutpatienten ist nur sehr selten erforderlich. Da es sich bei der Klinik der Beklagten um eine Institutsambulanz handelt, ist ein Einsatz in der Klinik während der Rufbereitschaft ausgeschlossen.
Die Klägerin ist der Auffassung, die Beklagte habe ihre tatsächliche Arbeitsleistung während der Rufbereitschaft mit dem Entgelt für Überstunden nebst Zeitzuschlägen zu vergüten.
Nach Auffassung der Beklagten definiert § 11 Abs. 3 Satz 4 TV-Ärzte/VKA die Inanspruchnahme während der Rufbereitschaft. Hieran knüpfe § 11 Abs. 3 Satz 5 TV-Ärzte/VKA an und begründe damit nur für Arbeitsleistungen im Krankenhaus den Vergütungsanspruch.
Prozessergebnis
Die Klage war in sämtlichen Instanzen erfolgreich.
Begründung (Zusammenfassung)
Die Worte „für die Inanspruchnahme“ in § 11 Abs. 3 Satz 5 TV-Ärzte/VKA lassen offen, an welchem Ort die Arbeit vom Arzt innerhalb der Rufbereitschaft auf Abruf aufgenommen werden muss. Es ist ausreichend, dass der Arzt innerhalb der angeordneten Rufbereitschaft auf einen entsprechenden Abruf des Arbeitgebers tatsächlich zur Arbeitsleistung herangezogen wird. Ein „Abruf“ ist auch darin zu sehen, dass die Beklagte die Rufbereitschaft als telefonischen Dienst eingerichtet hat, die Klägerin während der Rufbereitschaft für die Akutpatienten als deren einzige Ansprechpartnerin telefonisch erreichbar sein musste und bei psychischen Irritationen und Anrufen der Patienten mit diesen am Telefon Gespräche zu führen hatte.
Sowohl der tarifliche Gesamtzusammenhang als auch Sinn und Zweck der Regelung bestätigen nach Auffassung des BAG das gefundene Auslegungsergebnis.
BAG, U. v. 23.9.2010
Az. 6 AZR 330/09,
vgl. auch die Parallelentscheidung Az. 6 AZR 331/09
Bernhard Faber, Richter am Arbeitsgericht a. D.