Wegfall einer Hierarchieebene - betriebsbedingte Kündigung
Das Bundesarbeitsgericht hat im Rahmen einer Einzelfallentscheidung die Voraussetzungen für betriebsbedingte Kündigungen aus innerbetrieblichen Gründen zusammengefasst.
Kernaussagen:
- Dringende betriebliche Erfordernisse für eine Kündigung i. S. von § 1 Abs. 2 KSchG können sich aus innerbetrieblichen oder außerbetrieblichen Gründen ergeben.
- Innerbetriebliche Gründe liegen vor, wenn sich der Arbeitgeber zu einer organisatorischen Maßnahme entschließt, bei deren Umsetzung das Bedürfnis für die Weiterbeschäftigung eines oder mehrerer Arbeitnehmer entfällt. Eine solche unternehmerische Entscheidung ist gerichtlich nicht auf ihre sachliche Rechtfertigung oder ihre Zweckmäßigkeit hin zu überprüfen, sondern nur darauf, ob sie offensichtlich unsachlich, unvernünftig oder willkürlich ist.
- Vom Gericht nachzuprüfen ist aber, ob die fragliche Entscheidung tatsächlich umgesetzt wurde und dadurch das Bedürfnis entfallen ist, einzelne Arbeitnehmer zu beschäftigen.
- In Fällen, in denen die Organisationsentscheidung des Arbeitgebers und sein Kündigungsentschluss praktisch deckungsgleich sind, muss der Arbeitgeber seine Entscheidung verdeutlichen, soweit es um die Möglichkeit geht, sie organisatorisch und zeitlich nachhaltig durchzuführen. Daran würde es fehlen, wenn die Kündigung zu einer rechtswidrigen Überforderung oder Benachteiligung des im Betrieb verbliebenen Personals führen würde oder die zugrunde liegende unternehmerische Entscheidung lediglich ein Vorwand dafür wäre, bestimmte Arbeitnehmer aus dem Betrieb zu drängen, obwohl Beschäftigungsbedarf und Beschäftigungsmöglichkeiten objektiv fortbestehen und etwa nur der Inhalt des Arbeitsvertrags als zu belastend angesehen wird.
- Läuft die unternehmerische Entscheidung auf den Abbau einer Hierarchieebene oder die Streichung eines einzelnen Arbeitsplatzes hinaus, verbunden mit einer Umverteilung der dem betroffenen Arbeitnehmer bisher zugewiesenen Aufgaben, muss der Arbeitgeber konkret erläutern, in welchem Umfang und aufgrund welcher Maßnahmen die bisher vom gekündigten Arbeitnehmer ausgeübten Tätigkeiten für diesen zukünftig entfallen. Nur so kann geprüft werden, ob die Entscheidung den dargestellten Voraussetzungen genügt. Der Arbeitgeber muss die Auswirkungen seiner unternehmerischen Vorgaben und Planungen auf das zu erwartende Arbeitsvolumen anhand einer schlüssigen Prognose im Einzelnen darstellen. Er muss außerdem angeben, wie die anfallenden Arbeiten vom verbliebenen Personal ohne überobligationsmäßige Leistungen, d. h. im Rahmen ihrer vertraglich geschuldeten regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit erledigt werden können.
- Es bleibt dem Arbeitgeber überlassen, wie er darlegt, dass die Umverteilung von Arbeitsaufgaben nicht zu einer übermäßigen Belastung der Arbeitnehmer führt, die im Betrieb verbleiben. Bei nicht taktgebundenen Arbeiten muss nicht in jedem Fall und auf die Minute genau erklärt werden, welche einzelnen Tätigkeiten die fraglichen Mitarbeiter in Zukunft mit welchen Zeitanteilen täglich zu erledigen haben. Es kann ausreichen, wenn der Arbeitgeber die getroffenen Vereinbarungen zu Umfang und Verteilung der Arbeitszeit darstellt und Anhaltspunkte dafür darlegt, dass Freiräume vorhanden sind, um zusätzliche Aufgaben zu übernehmen.
- Zu den nur auf Willkür zu überprüfenden Organisationsentscheidungen des Arbeitgebers gehört es, das Anforderungsprofil einer Stelle festzulegen. Es ist grundsätzlich hinzunehmen, dass der Arbeitgeber bestimmte Tätigkeiten nur von Arbeitnehmern mit bestimmten Qualifikationen ausführen lassen will. Schafft der Arbeitgeber neu zugeschnittene Arbeitsplätze, ist die Festlegung der Anforderungen jedenfalls dann zu respektieren, wenn die Qualifikationsmerkmale einen nachvollziehbaren Bezug zur Organisation der auszuführenden Arbeiten haben.
- Besondere Erklärungen des Arbeitgebers sind erforderlich, wenn er das Anforderungsprofil für Arbeitsplätze ändert, die bereits mit langjährig beschäftigten Arbeitnehmern besetzt sind. Er darf nicht in unsachlicher Weise die Anforderungen an die Kenntnisse des Inhabers des Arbeitsplatzes verschärfen.
- Will der Arbeitgeber sich nicht dem Vorwurf des Missbrauchs aussetzen, muss er deshalb erklären, dass es sich bei der zusätzlich geforderten Qualifikation für die Ausübung der Tätigkeit nicht nur um eine „wünschenswerte Voraussetzung“, sondern um ein sachlich gebotenes, auf den Arbeitsplatz bezogenes Kriterium für das Stellenprofil handelt.
- Gestaltet der Arbeitgeber lediglich Arbeitsabläufe um, ohne dass sich die Tätigkeit inhaltlich ändert, und kann der bisherige Stelleninhaber aufgrund seiner Fähigkeiten und Ausbildung die künftigen Arbeiten verrichten, ist eine betriebsbedingte Kündigung selbst dann nicht gerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber die Stelle in eine „Beförderungsstelle“ umwandelt.
Auf die vollständige Begründung der Entscheidung wird verwiesen.
BAG U.v. 24.5.2012
Az. 2 AZR 124/11
Bernhard Faber
Richter am Arbeitsgericht Augsburg a. D.
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