Weitergeltung des BAT? Ergänzende Vertragsauslegung erforderlich!
Im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung urteilte das BAG am 19.5.2010, dass der BAT im streitigen Arbeitsverhältnis durch den TV-L abgelöst wurde.
Leitsatz
Eine arbeitsvertragliche Bezugnahmeklausel, wonach "für das Arbeitsverhältnis die Bestimmungen des Bundes-Angestelltentarifvertrages (BAT) in der jeweils gültigen Fassung" gelten, erfasst regelmäßig zunächst nicht die dem BAT nachfolgenden Tarifverträge für den öffentlichen Dienst. Eine durch den Wegfall der Dynamik entstehende Regelungslücke kann aber im Wege ergänzender Vertragsauslegung dahin geschlossen werden, dass die an die Stelle des BAT getretenen Tarifregelungen in Bezug genommen sind. Das ist von den verschiedenen Nachfolgeregelungen im Zweifel diejenige, die typischerweise gelten würde, wenn die ausgeübten Tätigkeiten innerhalb des öffentlichen Dienstes erbracht würden.
Sachverhalt
Der Kläger ist als Erzieher beschäftigt und erhielt zuletzt eine Vergütung nach BAT.
Im Arbeitsvertrag ist u. a. vereinbart:
„Soweit nachstehend nichts anderes vereinbart ist, gelten die Bestimmungen des BAT in der jeweils gültigen Fassung und die abgeschlossenen Zusatzverträge.“
Der Kläger verlangt die Anwendung der Nachfolgetarifverträge zum BAT für den Bereich der Länder (TV-L, TVÜ-L u. a.). Die Anwendung dieser Tarifverträge ergebe sich aus einer ergänzenden Vertragsauslegung. Hätten die Arbeitsvertragsparteien die entstandene „planwidrige Regelungslücke“ erkannt, wäre nur eine Bezugnahme auf TV-L u. a. in Betracht gekommen.
Die Beklagte ist dagegen insbesondere der Auffassung, der nach wie vor bestehende BAT sei weiterhin maßgebend. Die vertragliche Regelung sei nicht lückenhaft. Der TV-L habe den BAT nicht abgelöst. Es sei von den Parteien nicht gewollt, das gegenüber dem BAT völlig neue Tarifwerk des TV-L anzuwenden.
Prozessergebnis
Die Klage hatte vor dem BAG Erfolg.
Begründung (Zusammenfassung)
Die Vereinbarung der Parteien enthält eine dynamische Bezugnahme, die den TV-L zunächst nicht erfasst. Der vielfach verwendete Zusatz, dass auch die den BAT „ersetzenden“ Tarifverträge Anwendung finden sollen, wurde nicht in den Arbeitsvertrag aufgenommen. Der Arbeitsvertrag enthält jedoch wegen einer Tarifnachfolge eine nachträglich eingetretene Regelungslücke. Diese ist durch zulässige ergänzende Vertragsauslegung zu schließen. Eine solche Regelungslücke ist nicht deshalb zu verneinen, weil der BAT noch fortbesteht und mit seinem – statischen – Inhalt das Arbeitsverhältnis noch regeln könnte. Nach dem Grundsatz der Sachnähe hätten die Parteien nach ihrem mutmaßlichen Willen den TV-L in Bezug genommen. Mit diesem Nachvollzug der Tarifnachfolge auf Ebene des Arbeitsvertrags werden die Parteien nicht anders gestellt, als sie stünden, wenn die Tarifvertragsparteien den BAT reformiert und ihm einen neuen Inhalt gegeben hätten.
BAG, U. v. 19.5.2010
Az. 4 AZR 796/08
-gk-