Aktuell geplante Änderungen von BauGB und BauNVO
Das Baurecht ist im steten Fluss und Spiegel aktueller politischer Strömungen. Auf Landesebene beabsichtigt eine geplante umfassende Novelle der Bayerischen Bauordnung das Bauen schneller, flächensparender und kostengünstiger zu machen. Auch der Bund novelliert sein Baurecht, damit mehr Bauland unkompliziert mobilisiert werden kann.
Aber auch anhaltende Diskussionen um Tierwohl und Tierhaltung finden Einfluss in das Baurecht: So soll im Außenbereich die Änderung von Tierhaltungsanlagen einfacher möglich werden, soweit die Änderung dem Tierwohl dient.
Der Referentenentwurf zum Baulandmobilisierungsgesetz vom 9. Juni 2020:
Das Ziel
Wohnen günstiger gestalten durch Schaffung von Bauland und damit von Wohnraum. Der Bundesgesetzgeber beabsichtigt dies insbesondere über eine Stärkung der Handlungsmöglichkeiten der Gemeinden.
Die wesentlichen Änderungen von BauGB und BauNVO
-
§ 9 BauGB: Inhalt des Bebauungsplans; Neuer Abs. 2d.
Der neu geplante Absatz 2d des § 9 BauGB ermöglicht in bebauten Ortsteilen nach § 34 BauGB verschiedene Festsetzungen zur Wohnraumversorgung
-
Neufassung des § 13b BauGB
Die Fristen des § 13b BauGB zur Einbeziehung von Außenbereichsflächen in das beschleunigte Verfahren wurden verlängert bis zum 31.12.2022, bzw. bezüglich der Fassung des Satzungsbeschlusses bis zum 31.12.2024.
-
Änderungen des Allgemeinen Vorkaufsrechts, § 24 BauGB
Die Gemeinde soll zukünftig auch dann ein Vorkaufsrecht in Gebieten nach den §§ 30, 33 oder 34 BauGB haben, wenn die Grundstücke einen städtebaulichen oder anlagenbezogenen Missstand dadurch darstellen, dass sie erhebliche nachteilige Auswirkungen auf das soziale und städtebauliche Umfeld aufweisen, insbesondere durch ihren baulichen Zustand oder ihre missbräuchliche Nutzung. Das Ausübungskriterium “Wohl der Allgemeinheit“ (§ 24 Abs. 3 BauGB) soll künftig auch dann vorliegen, wenn die Deckung eines Wohnbedarfs in der Gemeinde die Ausübung des Vorkaufsrechts verlangt.
-
Änderungen des Besonderen Vorkaufsrechts, § 25 BauGB
Die Gemeinde soll künftig auch ein satzungsmäßiges Vorkaufsrecht begründen können im Geltungsbereich eines Bebauungsplans an brachliegenden Grundstücken oder für im Zusammenhang bebaute Ortsteile (§ 34 BauGB) an unbebauten oder brachliegenden Grundstücken, wenn diese vorwiegend mit Wohngebäuden bebaut werden können und es sich um ein Gebiet mit einem angespannten Wohnungsmarkt handelt. Wann ein solches Gebiet vorliegt ist im Entwurf näher definiert. Kriterien sind beispielsweise eine überproportionale Mietbelastung oder geringer Leerstand bei hoher Nachfrage.
-
Erweiterung der Befreiungsmöglichkeiten, § 31 BauGB
§ 31 BauGB soll einen neuen Abs. 3 erhalten, der weitere Befreiungsmöglichkeiten vorsieht:
„In einem Gebiet mit einem angespannten Wohnungsmarkt kann bis zum Ablauf des 31. Dezember 2024 im Einzelfall von den Festsetzungen des Bebauungsplans zugunsten des Wohnungsbaus befreit werden, wenn die Befreiung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist. Gebiete mit angespannten Wohnungsmärkten liegen vor, wenn die ausreichende Versorgung der Bevölkerung mit Mietwohnungen in einer Gemeinde oder einem Teil der Gemeinde zu angemessenen Bedingungen besonders gefährdet ist. Dies kann insbesondere dann der Fall sein, wenn
-
die Mieten deutlich stärker steigen als im bundesweiten Durchschnitt,
-
die durchschnittliche Mietbelastung der Haushalte den bundesweiten Durchschnitt deutlich übersteigt
-
die Wohnbevölkerung wächst, ohne dass durch Neubautätigkeit insoweit erforderlicher Wohnraum geschaffen wird, oder
-
geringer Leerstand bei großer Nachfrage besteht
-
-
Die Befristung bis zum Ablauf des 31. Dezember 2024 in Satz 1 bezieht sich nicht auf die Geltungsdauer einer Genehmigung, sondern auf den Zeitraum, bis zu dessen Ende im bauaufsichtlichen Zulassungsverfahren von der Vorschrift Gebrauch gemacht werden kann.“
-
Abweichung vom Erfordernis des Einfügens, § 34 BauGB
Abs. 3a des § 34 BauGB erhält eine Ausweitung, nach welcher in den Fällen des Satzes 1 Nummer 1 Buchstabe b und c darüber hinaus vom Erfordernis des Einfügens im Einzelfall im Sinne des Satzes 1 in mehreren vergleichbaren Fällen abgewichen werden kann, wenn die übrigen Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und die Aufstellung eines Bebauungsplans nicht erforderlich ist.
-
Änderungen der Städtebaulichen Gebote, §§ 175, 176, 176a BauGB-E
§ 175 BauGB wird dahingehend erweitert und konkretisiert, dass Abs. 2 erweitert wird, wonach dringender Wohnbedarf für eine Anordnung nach § 176 BauGB insbesondere vorliegt in Gebieten mit angespanntem Wohnungsmarkt. Die Kriterien für das Vorliegen eines solchen angespannten Wohnungsmarktes sind gleich den bereits in den anderen Modifizierungen genannten, in welchen dieses Tatbestandsmerkmal zukünftig eine Rolle spielen soll.
-
Nach § 176 BauGB-E soll es der Gemeinde ermöglicht werden, Eigentümer von Grundstücken zur Bebauung mit Wohneinheiten unter bestimmten Voraussetzungen zu zwingen, insbesondere, wenn es sich um ein Gebiet mit angespanntem Wohnungsmarkt handelt. Zu dessen Definition: s. oben.
-
Ein neuer § 176a-BauGB-E ermöglicht der Gemeinde die Erstellung eines städtebaulichen Entwicklungskonzeptes zur Stärkung der Innenentwicklung.
-
Neuregelung der Bildung von Wohnungseigentum in Gebieten mit angespannten Wohnungsmärkten
-
Ein neuer § 250 BauGB-E beabsichtigt, bei bestehenden Wohngebäuden die Begründung oder Teilung von Wohnungseigentum unter Genehmigungsvorbehalt zu stellen. Voraussetzung ist unter anderem, dass die ausreichende Versorgung der Bevölkerung mit Mietwohnungen zu angemessenen Bedingungen besonders gefährdet ist.
-
Schaffung des Gebietstypus „Dörfliches Wohngebiet“, § 5a BauNVO-E
Der Entwurf sieht folgende Regelung für den neuen Gebietstypus vor:
„(1) Dörfliche Wohngebiete dienen dem Wohnen, der Unterbringung von land- und forstwirtschaftlichen Nebenerwerbsstellen, der Unterbringung von nicht wesentlich störenden Gewerbebetrieben sowie der Versorgung der Bewohner des Gebiets dienenden Handwerksbetrieben.
(2) Zulässig sind
1. Wohngebäude,
2. land- und forstwirtschaftliche Nebenerwerbsstellen einschließlich Wohngebäude,
3. Kleinsiedlungen einschließlich Wohngebäude mit entsprechenden Nutzgärten und landwirtschaftliche Nebenerwerbsstellen,
4. nicht gewerbliche Einrichtungen und Anlagen für die Tierhaltung,
5. die der Versorgung des Gebiets dienenden Läden, Schank- und Speisewirtschaften sowie Betriebe des Beherbergungsgewerbes,
6. sonstige Gewerbebetriebe,
7. Anlagen für örtliche Verwaltungen sowie für kirchliche, kulturelle, soziale, gesundheitliche und sportliche Zwecke.
(3) Ausnahmsweise können zugelassen werden
1. Wirtschaftsstellen land- und forstwirtschaftlicher Betriebe und die dazugehörigen Wohnungen und Wohngebäude,
2. Gartenbaubetriebe,
3. Tankstellen.“
Der Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung des Tierwohls in Tierhaltungsanlagen vom 15. Juni 2020
Der aktuelle Rechtsstand
Mit dem Gesetz zur Stärkung der Innenentwicklung in Städten und Gemeinden und weiteren Fortentwicklung des Städtebaurechts vom 11. Juni 2013 ist die Privilegierung der Errichtung gewerblicher Tierhaltungsanlagen eingeschränkt worden. Diese Betriebe waren nicht mehr privilegiert, soweit sie als gewerblich und nicht als landwirtschaftlich zu qualifizieren sind und soweit eine Vorprüfung oder Umweltverträglichkeitsprüfung notwendig war. Der Wegfall der Privilegierung hatte zur Folge, dass es zur Errichtung oder wesentlichen Änderung solcher Betriebe eines Bebauungsplanes oder eines Vorhabens- und Erschließungsplanes bedarf.
Die geplante Änderung
Um unkompliziert bauliche Änderungen zu ermöglichen, die dem Tierwohl dienen, ist eine Änderung in § 245a BauGB, der die Überleitungsvorschriften aus Anlass des genannten Gesetzes zur Stärkung der Innenentwicklung regelt, geplant. Folgender Abs. 5 soll angefügt werden:
„(5) Soweit bei einer Zulassungsentscheidung über Anlagen zur Tierhaltung aufgrund von Absatz 4 § 35 Absatz 1 Nummer 4 in seiner bis zum Ablauf des 20. September 2013 geltenden Fassung anzuwenden war, ist die bauliche Änderung der danach errichteten Anlage zur Tierhaltung ebenfalls unter den Voraussetzungen des § 35 Absatz 1 Nummer 4 in seiner bis zum Ablauf 20. September 2013 geltenden Fassung zulässig, wenn
1. die Änderung der Verbesserung des Tierwohls dient und
2. die Anzahl der Tierplätze nicht erhöht wird.
Satz 1 gilt auch für Tierhaltungsanlagen, deren Zulassungsentscheidung vor dem 20. September 2013 getroffen worden ist.“
Dr. Timm Waldmann, Juli 2020

