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Arglistige Täuschung im Rahmen einer amtsärztlichen Untersuchung – Suchterkrankung

Im Urteil des OVG NRW hat sich das Gericht mit den Merkmalen der arglistigen Täuschung im Rahmen einer amtsärztlichen Untersuchung beschäftigt und der damit verbundenen Entlassung aus dem Beamtenverhältnis auf Probe.

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Urteil des OVG NRW 29.6.2023 – 6 B 294/23

Leitsätze:

  1. Erfolglose Beschwerde mit dem Ziel der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung einer Klage gegen die Rücknahme der Ernennung zum Beamten auf Lebenszeit sowie gegen die in demselben Bescheid verfügte Entlassung aus dem Beamtenverhältnis auf Probe.

  2. Zu einer arglistigen Täuschung durch Verschweigen bedeutsamer Vorerkrankungen im Rahmen der amtsärztlichen Untersuchung zum Ende der Probezeit.
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Blog Beamtenrecht

Dr. Maximilian Baßlsperger

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Der Fall:

Das Gesundheitsamt des Kreises X hat die JVA X, die Dienststelle des betroffenen Beamten, mit Schreiben vom 11.7.2022, eingegangen am 13.7.2022, davon in Kenntnis gesetzt, dass der spätere Antragsteller eine vorbekannte und vorbehandelte Suchterkrankung sowie eine vorbekannte und vorbehandelte psychische Erkrankung nicht angegeben bzw. verschwiegen habe. Der Antragsteller habe daher seine Ernennung durch arglistige Täuschung gegenüber dem Amtsarzt herbeigeführt. Denn er habe in den amtsärztlichen Untersuchungen am 14.12.2015 und 27.2.2018 seine Suchterkrankung und seine psychische Erkrankung nicht erwähnt, obwohl er dies in den ausgehändigten Selbstauskunftsbögen hätte angeben müssen und ihm zudem hätte klar sein müssen, dass eine diesbezügliche Offenbarungspflicht bestehe. Auch nach Suchterkrankungen sei ausdrücklich gefragt worden. Ohne die Täuschung wäre die Empfehlung des Gesundheitsamtes negativ ausgefallen.

Aus der Sicht des Leiters der JVA X sei die Täuschung damit kausal für die Ernennung zum Beamten auf Lebenszeit gewesen. Vor diesem Hintergrund sei die Rücknahme der Ernennung zwingend mit Wirkung für die Vergangenheit auszusprechen gewesen, mit der Folge des Wiederauflebens des Beamtenverhältnisses auf Probe. Die Entlassung des Antragstellers aus diesem Probebeamtenverhältnis erweise sich bei summarischer Prüfung ebenfalls als rechtmäßig. Auf Grundlage der ex-tunc Wirkung der Rücknahme der Ernennung zum Lebenszeitbeamten stelle sich die mangelnde Dienstfähigkeit (seit Juli 2018) als Vorgang während der Probezeit dar, auf dessen Grundlage der Antragsteller sich gesundheitlich nicht als geeignet erwiesen habe. Darüber hinaus fehle es ihm wegen der arglistigen Täuschung auch an der charakterlichen Eignung.

Der Antragsteller hat gegen die mit Bescheid vom 10.1.2023 ausgesprochene Rücknahme seiner Ernennung zum Beamten auf Lebenszeit und gegen seine gleichzeitig ausgesprochene Entlassung aus dem Probebeamtenverhältnis einstweiligen Rechtsschutz beantragt.

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Die Entscheidung:

Sowohl das VG Aachen als auch das OVG NRW haben das Begehren des Antragstellers abgelehnt.

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Beste Antworten.

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1. Arglistige Täuschung im Sinne des § 12 Abs. 1 BeamtStG

Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist unter "arglistiger Täuschung" im Sinne des § 12 Abs. 1 Nr. 1 BeamtStG jedes Hervorrufen oder Aufrechterhalten eines Irrtums bei einem an der Ernennung maßgeblich beteiligten Bediensteten der Ernennungsbehörde in dem Bewusstsein zu verstehen, diesen durch die Täuschung zu einer günstigen Entschließung zu bestimmen.

Das Verschweigen von Tatsachen stellt nur dann eine Täuschung dar, wenn insoweit eine Offenbarungspflicht für die Beamtin oder den Beamten bestand. Eine generelle Offenbarungspflicht bezüglich jeglicher Gesundheitsfragen besteht nicht. Allerdings ist die Beamtin oder der Beamte (selbiges gilt für Bewerberinnen und Bewerber) verpflichtet, Fragen nach ihrer/seiner gesundheitlichen Verfassung nach ihrem erkennbaren Sinn richtig und vollständig beantworten.

Das Verschweigen von Tatsachen ist dann eine Täuschung, wenn die Ernennungsbehörde nach Tatsachen gefragt hat oder die/der Ernannte ohne Befragung weiß oder in Kauf nimmt, dass die verschwiegenen Tatsachen für die Entscheidung der Ernennungsbehörde erheblich sind oder sein können.

Damit gilt Folgendes:  Eine arglistige Täuschung liegt nach alledem dann vor, wenn

„der Täuschende erkennt und in Kauf nimmt, dass bei der Ernennungsbehörde durch die Nichtoffenbarung von Tatsachen irrige Vorstellungen über für die Ernennung potenziell erhebliche Umstände entstehen oder aufrechterhalten werden“.

Da der Antragsteller anlässlich der amtsärztlichen Untersuchungen in Dezember 2015 und im Februar 2018 sowohl eine Suchterkrankung als auch eine psychische (depressive) Erkrankung verschwiegen hat, obwohl bereits aufgrund der Fragen in den Selbstauskunftsbögen Anlass bestanden hätte, dazu Angaben zu machen und ihm dabei bewusst war, dass es sich um für die Ernennung potenziell erhebliche Umstände handelte, durch deren Nichtoffenbarung er bei der Ernennungsbehörde irrige Vorstellungen hat entstehen lassen, hat dieser seine Ernennung zum Beamten auf Lebenszeit durch arglistige Täuschung herbeigeführt.

2. Fristgemäße Rücknahme der Ernennung

Gemäß § 17 Abs. 2 LBG NRW muss in Fällen des § 12 BeamtStG die Ernennung innerhalb einer Frist von sechs Monaten zurückgenommen werden, nachdem die dienstvorgesetzte Stelle von der Ernennung und dem Grund der Rücknahme Kenntnis erlangt hat.

Entscheidend waren damit die Hinweise des Gesundheitsamts des Kreises X.  vom 11.7.2022, so dass die Verfügung vom 10.1.2023 fristgerecht erlassen wurde.

3. Entlassung aus dem Beamtenverhältnis auf Probe

Auf Grundlage der ex-tunc Wirkung der Rücknahme der Ernennung zum Lebenszeitbeamten stellt sich die mangelnde Dienstfähigkeit als Vorgang während der Probezeit dar. Damit fehlte es dem Antragsteller an der notwendigen gesundheitlichen Eignung. Dies gilt im Hinblick auf die arglistige Täuschung auch für die charakterliche Eignung. Damit war der Beamte wegen mangelnder Bewährung aus dem Beamtenverhältnis auf Probe zwingend gemäß § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BeamtStG zu entlassen.

Ergebnis

Sowohl der Einwand des Antragsstellers hinsichtlich der Rücknahme der Ernennung zum Beamten auf Lebenszeit wie auch gegen die verfügte Entlassung aus dem Beamtenverhältnis aus Probe greift nicht durch. Die Beschwerde mit dem Ziel auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung wurde entsprechend zurückgewiesen.


7.2.2024
Prof. Dr. Boris Hoffmann

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