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Fiktive Fortschreibung der dienstlichen Beurteilung freigestellter Gleichstellungsbeauftragten

Das Erfordernis einer klaren gesetzlichen Grundlage für eine Beurteilung im Rahmen einer Auswahlentscheidung

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BVerwG 3.3.2025 - 2 VR 4.24

Leitsatz:

Die fiktive Fortschreibung einer dienstlichen Beurteilung bedarf einer hinreichenden gesetzlichen Grundlage.

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Blog Beamtenrecht

Dr. Maximilian Baßlsperger

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Der Fall:

Gegenstand des Verfahrens vor dem Bundesverwaltungsgericht war ein Auswahlverfahren für die Vergabe eines höherwertigen Dienstpostens beim Bundesnachrichtendienst. Die Antragstellerin wurde als Regierungsamtsrätin (Besoldungsgruppe A 12 BBesO) am 25.4.2020 zur Gleichstellungsbeauftragten beim Bundesnachrichtendienst bestellt. Gleichzeitig wurde sie hierfür von ihren dienstlichen Pflichten freigestellt.

Der Bundesnachrichtendienst schrieb im Januar 2024 den im Verfahren streitgegenständlichen mit der Besoldungsgruppe A 13g  bewerteten Dienstposten als „Sachbearbeiter (m/w/d) Auswertung für Gefährdungssachverhalte  förderlich für Beamte der Besoldungsgruppe A 12 BBesO aus. Der Ausschreibung lagen auch konstitutive Anforderungskriterien zugrunde. Die Bewerbung der Antragstellerin wurde durch den Bundesnachrichtendienst mit Schreiben vom 8.11.2024 abschlägig beschieden. Zur Begründung führte der Bundesnachrichtendienst aus, dass die im Verfahren Beigeladene in der Gesamtschau besser bewertet worden sei. Hiergegen hat die Antragstellerin Widerspruch erhoben und am 2.12.2024 die Gewährung vorläufigen Rechtsschutz beantragt. Auf gerichtliche Nachfrage teilte die Antragstellerin mit, dass sie ihre Tätigkeit als Gleichstellungsbeauftragte auch im Erfolgsfall fortsetzen wolle.

Zum 6.12.2024 besetzte die Antragsgegnerin den streitgegenständlichen Dienstposten mit der Beigeladenen. Sie sicherte zu, dass der Antragstellerin hieraus im Falle eines Obsiegens im gerichtlichen Eilverfahren keine Nachteile bei einer erneuten Auswahlentscheidung erwachsen würden und die Wahrnehmung des streitgegenständlichen Dienstpostens dabei ausgeblendet würde.

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Die Entscheidung:

Der Antrag hatte im Ergebnis keinen Erfolg. Die Antragstellerin habe zwar die Eilbedürftigkeit einer gerichtlichen Entscheidung und damit einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Ihr stehe aber kein Anordnungsanspruch für den Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung zur Seite.

Der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts begründete seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt:

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1. Anordnungsgrund

Das Bundesverwaltungsgericht entschied, dass der Antragstellerin ein Anordnungsgrund zustehe. Zwar sei Gegenstand des Verfahrens nicht die Vergabe eines statusrechtlichen Amts, sondern nur die Übertragung eines höheren Dienstpostens gewesen. Gleichwohl habe die von der Antragsgegnerin getroffene Auswahlentscheidung für die Dienstpostenvergabe die Rechtstellung der Antragstellerin aus Art. 33 Abs. 2 GG beeinträchtigt, da sie Vorwirkung auf die nachfolgende Vergabe von Statusämtern hätte entfalten können.

2. Anordnungsanspruch

Der 2. Senat sprach der Antragstellerin keinen Anordnungsanspruch für den Erlass einer einstweiligen Anordnung zu.

3. Gesetzliche Grundlage für die fiktive Fortschreibung einer dienstlichen Beurteilung

Gleichstellungsbeauftragte und damit auch freigestellte Personalratsmitglieder dürften nicht in Ausübung ihrer Funktion dienstlich beurteilt werden. Dementsprechend bedürfe es in diesen Fällen regelmäßig einer sogenannten fiktiven Fortschreibung von dienstlichen Beurteilungen.

Die wesentlichen Vorgaben für die Erstellung dienstlicher Beurteilungen seien zwingend vom Gesetzgeber zu bestimmen, da die Beurteilung für die Verwirklichung des Leistungsgrundsatzes wesentliche Bedeutung habe.

Angesichts dieser Bedeutung von dienstlichen Beurteilungen für die nach Maßgabe des Art. 33 Abs. 2 GG zu treffenden Auswahlentscheidungen könnten die Vorgaben für die Erstellung von Beurteilungen nicht allein Verwaltungsvorschriften überlassen bleiben. Damit bedürfe auch die fiktive Fortschreibung einer dienstlichen Beurteilung von Beamtinnen und Beamten im Hinblick auf ihre Berücksichtigung im Rahmen einer an Art. 33 Abs. 2 GG zu messenden Auswahlentscheidung einer hinreichend bestimmten gesetzlichen Grundlage, an der es gegenwärtig im Bundesrecht fehle.

4. Maßstab für die dienstliche Beurteilung

Der 2. Senat sah sich in der Entscheidung nochmals dazu aufgerufen, klarzustellen, dass sich die Anforderungen für die Regelbeurteilung der von Beamten erbrachten Leistungen aus dem jeweiligen Statusamt ergeben und diesem Umstand auch dann Rechnung getragen werden müsse, wenn eine Beamtin oder ein Beamter während des Regelbeurteilungszeitraums befördert worden ist, da an dieser Rechtsprechung zwischenzeitlich vermehrt Kritik aufgetreten sei.

Damit könnten Anknüpfungspunkt für einen Leistungsvergleich zwischen konkurrierenden Beamtinnen und Beamten nicht die im alten und geringerwertigen Statusamt erbrachten Leistungen sein, wenn die Beamtin oder Beamte zwischenzeitlich befördert worden ist.

Das bedeutet die Entscheidung:

Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts zwingt alle Landesgesetzgeber, die einschlägigen beamtenrechtlichen Regelungen zu überprüfen, ob diese eine hinreichend bestimmte gesetzliche Grundlage für die fiktive Fortschreibung einer dienstlichen Beurteilung von (freigestellten) Beamtinnen und Beamten enthalten. Soweit dies nicht der Fall ist, ist dringender Handlungsbedarf erforderlich.

Soweit eine Beamtin oder ein Beamter während des Regelbeurteilungszeitraums befördert worden ist, kann der Dienstherr diesem Umstand Rechnung tragen, indem er die „aktuelle“ Regelbeurteilung spaltet, um auch für den vor der Beförderung liegenden Zeitraum eine in Notenstufen ausgedrückte Beurteilung auszusprechen.

Unterschreitet die Regelbeurteilung nach einer Beförderung der Beamtin oder des Beamten den in den maßgeblichen Beurteilungsrichtlinien vorgegebenen Mindestzeitraum, etwa von sechs Monaten, entfällt „für diesen Zeitraum“ eine Regelbeurteilung. Damit können lediglich die im alten Statusamt erbrachten Leistungen einer neuen Regelbeurteilung zugrunde gelegt werden.

Hinweise:

Zum Anordnungsgrund bei der Vergabe eines höheren Dienstpostens s. BVerwG 26.3.2024 – 2 VR 10.23, Schütz BeamtR ES/A II 1.4 Nr. 274.

Prof. Dr. Boris Hoffmann

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