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Ämterstabilität – das war´s

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Die Frage, welche gerichtlichen Möglichkeiten ein Beamter hat, der bei einer Beförderung nicht berücksichtigt wurde, ist seit vielen Jahren das Kernproblem der sog. „Konkurrentenklage“. Siehe hierzu den Blog-Beitrag Besserer Rechtsschutz für übergangene Bewerber. Das Bundesverwaltungsgericht hat nunmehr in seinem Urteil vom 4. November 2010 (Az.: 2 C 16.09) die bisherige Rechtsauffassung zur Ämterstabilität aufgegeben und neue Wege eröffnet.

Liebe Leserinnen, liebe Leser,

nach dem neuen Urteil des BVerwG kann die Beförderung eines Richters oder Beamten in ein höheres Amt von einem unterlegenen Mitbewerber vor den Verwaltungsgerichten auch dann noch mit Erfolg angefochten werden, wenn der Dienstherr den ausgewählten Bewerber unter Verletzung des Grundrechts des unterlegenen Mitbewerbers auf einen wirkungsvollen Rechtsschutz ernannt hat.

Der Grundsatz der Ämterstabilität steht – so das BVerwG – dem nicht entgegen.

Der Fall:

In dem Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hatten sich der Kläger als Präsident des Landgerichts Koblenz und der Beigeladene als damaliger Präsident des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz um das Amt des Präsidenten des Oberlandesgerichts Koblenz bewor-ben, nachdem der bisherige Präsident dieses Gerichts  zum rheinland-pfälzischen Justizminister ernannt worden war. Der – neue – Justizminister entschied sich für den Präsidenten des Landessozialgerichts. Der Kläger (LG Präsident) hatte im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes nach § 123 VwGO die Ernennung seines Konkurrenten zu verhindern versucht. Dieser Eilantrag war in zwei Instanzen ohne Erfolg. Unmittelbar nach Zustellung der Entscheidung des OVG über die Ablehnung einer einstweiligen Anordnung im Justizministerium – nach Angaben des Justizministeriums 21 Minuten nach dem Eingang – händigte der Justizminister dem LSG Präsidenten bereits die Ernennungsurkunde aus.

Die sodann in der Hauptsache erhobene Klage, mit der der LG Präsident seine Ernennung anstelle oder neben seinem Mitbewerber erreichen, hilfsweise die Rechtswidrigkeit der Ablehnung seiner eigenen Bewerbung festgestellt wissen wollte, blieb in den Vorinstanzen zunächst ebenfalls erfolglos.

Begründung:

  1. Die Ernennung des Mitbewerbers könne nach dem Grundsatz der Ämterstabilität nicht rückgängig gemacht werden.

  2. Die doppelte Besetzung der Stelle sei aus verfassungsrechtlichen Gründen ausgeschlossen.

Das Bundesverwaltungsgericht hat die Ernennung des LSG Präsidenten aufgehoben und den beklagten Dienstherrn verpflichtet, das Amt des Präsidenten des Oberlandesgerichts Koblenz aufgrund eines neuen Auswahlverfahrens zu vergeben.

Bei einer gravierenden Rechtsschutzvereitelung können – so das  BVerwG – die Rechte des unterlegenen Bewerbers auf gerichtliche Nachprüfung der Bewerberauswahl nur durch eine Klage gegen die Ernennung gewahrt werden. Daher müsse in Fällen dieser Art der Grundsatz der Ämterstabilität zurückstehen.

Die hier getroffene Auswahlentscheidung des Justizministers hatte nach Ansicht des BVerwG das grundrechtlich gewährleistete Recht des Klägers auf eine sachgerechte – allein an Leistungsgesichtspunkten orientierte – Entscheidung über seine Bewerbung verletzt. Insbesondere hat der Justizminister die Auswahl des LSG Präsidenten auf nicht tragfähige Erkenntnisse gestützt.

Wie verhält es sich nun aber mit der Rechtsstellung des zunächst erfolgreichen Bewerbers?

Das Vertrauen des – zunächst erfolgreichen – LSG Präsidenten in die Rechtsbeständigkeit seiner Ernennung ist nach Abwägung der gegenläufigen Interessen nach Ansicht des BVerwG nicht schutzwürdig. Zwar hat dieser aufgrund des rechtswidrigen Verhaltens des rheinland-pfälzischen Justizministers erhebliche Nachteile zu tragen. Seinen Anspruch auf amtsangemessene Beschäftigung konnte der beklagte Dienstherr gegenüber dem ursprünglich erfolgreichen Bewerber jetzt nicht mehr erfüllen, weil seine ursprüngliche Stelle mittlerweile bereits anderweitig besetzt war. Der Dienstherr ist aufgrund seiner Fürsorgepflicht aber gehalten, die Folgen für den ursprünglich erfolgreichen Bewerber so weit als möglich auszugleichen. So könne er ihn mit seiner Zustimmung in ein anderes – gleichwertiges – Amt versetzen.

Der ursprünglich erfolgreiche Bewerber könne sich – so das BVerwG – auch erneut um das Amt des Präsidenten des Oberlandesgerichts bewerben.

Ich denke:
Das Urteil ist ein Meilenstein auf dem Weg zu einem umfassenden Rechtsschutz des unterlegenen Bewerbers.

Herzlich,

Ihr
Dr. Maximilian Baßlsperger

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