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Ausbildungskostenerstattung bei Zeitsoldaten

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Der  2. Senat des BVerwG hat mit Urteil vom 12.04.2017  entschieden, dass Soldaten auf Zeit, die auf Kosten des Bundes ein Hochschulstudium absolvieren, die Bundeswehr jedoch vor Ablauf der vorgesehenen Dienstzeit  verlassen, verpflichtet sind, die beim Bund anfallenden Ausbildungskosten zu erstatten.

Liebe Leserinnen, liebe Leser,

die Verpflichtung zur Rückzahlung von Ausbildungskosten ist immer wieder Gegenstand von Gerichtsentscheidungen. Die aktuelle Rechtsprechung des BVerwG befasst sich dabei mit der Rückzahlung von Ausbildungskosten bei Zeitsoldaten. Streitfälle gibt es aber in gleicher Weise bei Beamten und Angestellten, wofür die hier dargestellte Entscheidung des BVerwG ebenfalls wichtige Grundaussagen trifft.

Da das Dienstverhältnis von Soldaten auf Zeit auf eine längere Dauer angelegt ist, kann der Dienstherr, der einem Zeitsoldaten in seinem dienstlichen Interesse eine Ausbildung für die Laufbahn gewährt hat, davon ausgehen, dass ihm die im Rahmen der Ausbildung erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten für längere Zeit durch entsprechende  Dienstleistungen zur Verfügung stehen. Wenn der Zeitsoldat das Dienstverhältnis frühzeitig beendet, stellen die auf Kosten der Öffentlichkeit erworbenen Spezialkenntnisse und Fähigkeiten im weiteren Berufsleben u.U. einen erheblichen Vorteil dar, während der Dienstherr – und damit die öffentliche Hand – die Kosten der Ausbildung vergeblich aufgewendet hat. Diesem Umstand hat der Gesetzgeber durch den gesetzlichen Erstattungsanspruchs aus § 56 Abs. 4 SG Rechnung getragen.

a) Grundrechtsverletzungen.

Grundrechte, welche durch die Verpflichtung zur Rückzahlung von Ausbildungskosten tangiert sein könnten sind:

  • Art. 12 GG: Recht auf freie Berufswahl

  • Art. 14 GG: Eigentumsgarantie

  • Art. 2 Abs. 1 GG: freie Entfaltung der Persönlichkeit.

Hierzu ist zunächst zu bemerken, dass Art. 2 Abs. 1 GG als „Auffanggrundrecht“ hinter die beiden erstgenannten Grundrechte zurücktritt. Eine Verletzung des Art. 2 Abs. 1 GG ist damit wohl bereits wegen seiner nur subsidiären Anwendbarkeit nicht gegeben.

Aber auch die beiden anderen Grundrechte sind – so das BVerwG1 – nicht verletzt. Wenn ein Soldat auf Zeit zunächst diese "Vorleistungen" des Dienstherrn in Anspruch nimmt und auch weiß, dass er zur Zurückzahlung der Ausbildungskosten verpflichtet ist, falls er nach dem Studium dem Dienstherr nicht oder nicht im vereinbarten Umfang zur Dienstleistung zur Verfügung steht, dann verstößt es nicht gegen die Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG oder die durch Art. 12 GG gewährleistete Berufsfreiheit, wenn der Dienstherr in einem solchen Fall die angefallenen Kosten zurückfordert. Das BVerfG hatte hierzu bereits durch Beschluss v. 22.1.19752 festgestellt, dass  eine Rückzahlungsbestimmung das durch Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG gewährleistete Grundrecht, einen gewählten Beruf frei zu beenden, nicht verletzt. Nach dem BVerfG soll die gesetzlich festgelegte Erstattung dem vorzeitigen Ausscheiden von besonders ausgebildeten und deswegen in ihrer Funktion nicht ohne Weiteres zu ersetzenden Soldaten aus der Bundeswehr wirksam entgegenwirken, um dadurch die Einsatzfähigkeit der Bundeswehr zu sichern.

Entscheidend ist nach der Rechtsprechung Folgendes: Die Rückzahlungsverpflichtung berücksichtigt die Belange des Dienstherrn und des entlassenen Soldaten in einem ausgewogenen Verhältnis.

b) Höhe des Erstattungsbetrags

Hinsichtlich der Höhe des Erstattungsbetrags ist das BVerwG davon ausgegangen, dass die Brutto- und nicht die Nettobeträge zu erstatten sind. Der Ersatz der Bruttobezüge  ist schon deswegen gut nachvollziehbar, weil dem Dienstherrn  letztendlich auch die Kosten in Höhe des Bruttobetrags entstanden sind. Mit dem Abzug der Einkommenssteuer hat der Soldat auf Zeit lediglich eine in seiner Person bestehende Steuerschuld beglichen. Weiterhin brauchen Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz oder Kindergeld nicht in Abzug gebracht werden, denn die genannten Leistungen sind tatsächlich gewährt worden und  sie hängen von Voraussetzungen ab, deren Vorliegen von vorneherein ungewiss ist.

Auch Reise-, Umzugs- und Trennungsgeldkosten, welche durch die Ausbildung angefallen sind, zählen  zu den zu erstattenden  Ausbildungskosten, weil sie in einem unmittelbaren Zusammenhang mit der vom Dienstherrn gewährten Ausbildung stehen. Bei der Rückforderung fehlgeschlagener Ausbildungskosten geht es allein um eine Vorteilsabschöpfung für die dem Soldaten jenseits des ihm gewährten Solds zugutegekommene Fachausbildung.

Letztendlich muss die Höhe des vom Soldaten zu erstattenden Betrages aber auch dem Verhältnismäßigkeitsprinzip entsprechen. Dabei spielt die Härtefallklausel des § 56 Abs. 4 Satz 3 SG eine wesentliche Rolle. Danach kann ganz oder teilweise auf eine Rückerstattung verzichtet werden, wenn sie für den früheren Soldaten eine besondere Härte bedeuten würde. Bei einer sachgerechten Anwendung der gesetzlichen Härtefallregelung wird das Verhältnismäßigkeitsprinzip gewahrt.3 Zweck der Härteregelung ist es, Ausnahmefällen und Grenzsituationen  Rechnung tragen zu können. Bei der Voraussetzung der „besonderen Härte“ handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, dessen Voraussetzungen in vollem Umfang von den Verwaltungsgerichten überprüft werden können.4 Die Erstattung von Ausbildungskosten darf den ehemaligen Soldaten nicht in eine existenzielle wirtschaftliche Notlage bringen.5 Um einen Härtefall zu vermeiden, muss die Rückzahlungsverpflichtung auch zeitlich begrenzt sein.6 Dabei wird die Rückzahlung der Ausbildungskosten, die eine erhebliche finanzielle Einbuße für den Soldaten bedeutet,7 in aller Regel in Ratenzahlungen zu ermöglichen sein.

Die Berücksichtigung der besonderen Härte bedarf allerdings noch keiner entsprechenden Festlegung im Rückzahlungsbescheid. Der Umfang von Verzicht, Stundung und Ratenhöhe hängt vielmehr  wegen der Zielsetzung der Vermeidung einer wirtschaftlichen Notlage stark von den künftigen und wechselnden Einkommens- und Vermögensverhältnissen des (ehemaligen) Soldaten ab.8 Damit gilt es, eine Ratenhöhe ständig zu überprüfen, wenn entsprechende Nachweise vom Soldaten erbracht werden.9

Im Rahmen der Härteregelung wäre es allerdings ermessensfehlerhaft, wenn Zeiten, in denen der Soldat vollen Dienst geleistet hat, nicht zur Verringerung der Rückzahlungsverpflichtung führten. Um das Verhältnismäßigkeitsprinzip zu wahren,  muss der Gesamtbetrag der Ausbildungserstattung entsprechend um tatsächlich erbrachte Dienstleistungen reduziert werden. Hierfür können angemessene Kürzungsfaktoren in den Verwaltungsvorschriften des Dienstherrn aufgenommen werden.

Die Erhebung von Zinsen im Rahmen der Ratenzahlung stellt einen erheblichen Eingriff in die Rechtsstellung des (ehemaligen) Soldaten dar. Die Härtefallregelung des § 56 Abs. 4 Satz 3 SG ermächtigt den Dienstherrn dabei aber nicht zur Erhebung von Zinsen. Diese können nach dem Grundsatz des Vorbehalts des Gesetzes (Art. 20 Abs. 3 GG) vielmehr nur aufgrund einer entsprechenden gesetzlichen Grundlage erhoben werden.10 Eine solche gesetzliche Grundlage besteht aber im Soldatenrecht nicht. Nach der Entscheidung des BVerwG stellt die Erhebung von Zinsen eine zusätzliche und eigenständige Belastung des ehemaligen Soldaten dar, die von Sinn und Zweck der Befugnisnorm des § 54 Abs. 4 SG nicht erfasst wird.

Ihr
Dr. Maximilian Baßlsperger


1 BVerwG v. 22.9.2016, Az.: 2 B 25/15.
2 Az.: 2 BvL 51/71, 2 BvL 10/73, 2 BvL 14/73, BVerfGE 39, 128.
3 BVerfG, Fn. 3.
4 Eine solche besondere Härte kann jedenfalls nicht angenommen werden, wenn der Soldat die Beendigung des Dienstverhältnisses anstrebt, um auf diese Weise dem Kriegsdienst mit der Waffe zu entgehen.
5 BVerfG, oben, Fn. 3.
6 BVerwG v.30.3.2006,  Az.: 2 C 18.05.
7 In dem vom BVerwG entschieden Fall waren Kosten in Höhe von 127.240,37 € zu erstatten.
8 BVerwG, oben Fn. 5.
9 VGH Mannheim v. 6.7.2016, Az.:  4 S 1492/15.
10 BVerfG v. 21.4.2015, Az.: 2 BvR 1322/12 = BVerfGE 139, 19 Rn. 52 ff.


Lesen Sie dazu auch den Beitrag der kommenden Woche mit dem Titel:
Ausbildungskostenerstattung bei Beamten und Angestellten

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