Beliehene Unternehmer und Verwaltungshelfer

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Träger hoheitlicher Funktionen können nicht nur Beamte, sondern auch natürliche oder juristische Personen des Privatrechts (beliehene Unternehmer) sein, denen durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes durch Verwaltungsakt hoheitliche Befugnisse übertragen worden sind. Diese Befugnisse bestehen aufgrund eines öffentlich-rechtlichen Auftragsverhältnisses. Sie sind selbstständig im eigenen Namen tätig und gehören damit – im Gegensatz zu Verwaltungshelfern – ebenfalls zu den Verwaltungsträgern.

 

Liebe Leserinnen, liebe Leser,

 

„beliehene Unternehmer“ besitzen ausschließlich diejenigen hoheitlichen Befugnisse, die ihnen ausdrücklich durch den öffentlich-rechtlichen Auftrag übertragen worden sind. Die Bediensteten der „beliehenen Unternehmer“ gehören deshalb nicht dem öffentlichen Dienst an. Ist dem „beliehenen Unternehmer“ hoheitliche Gewalt übertragen, so ist er befugt – eine entsprechende gesetzliche Grundlage vorausgesetzt – begünstigende oder belastende Verwaltungsakte zu erlassen. Über Widersprüche gegen solche Verwaltungsakte nach § 68 VwGO entscheiden die jeweiligen Aufsichtsbehörden. Schadensersatzansprüche  nach Art. 43 GG und § 839 BGB sind gegen den „beliehenen Unternehmer“ selbst zu richten.1

 

Von einem „beliehenen Unternehmer“ spricht man, wenn folgende Merkmale gegeben sind:

  • Natürliche oder juristische Person des Privatrechts
  • Wahrnehmung bestimmter Aufgaben der öffentlichen Verwaltung
  • im eigenen Namen und
  • in eigener Verantwortung

wobei die Erledigung dieser Aufgaben durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes übertragen wurde.

 

„Beliehene Unternehmer“ unterliegen stets einer staatlichen Aufsicht.

 

Beispiele:

  • Technische Überwachungsvereine (TÜV)
  • Banken und Versicherungen bei der Ausgabe von Moped- oder Mofaführerscheinen
  • Notare
  • Bezirkskaminkehrermeister
  • Flug- und Schiffskapitäne
  • staatlich anerkannte Ersatzschulen2
  • Tierärzte als Fleischbeschauer3

 

Hierbei ist zu beachten:

 

„Beliehene Unternehmer“ handeln als Verwaltungsträger der mittelbaren Staatsverwaltung. Sie sind „Behörde“ im Sinne des § 1 Abs. 4 VwVfG. Klagen vor dem Verwaltungsgericht sind gegen sie und nicht gegen die Aufsichtsbehörde zu richten. Der „beliehene Unternehmer“ ist hierbei im Prozess die beklagte Partei.

 

„Beliehene Unternehmer“ sind insbesondere von den Verwaltungshelfern zu unterscheiden, die ausschließlich im Auftrag oder auf Weisung eines Hoheitsträgers – nicht selbstständig – tätig werden. Sie üben lediglich in Teilbereichen solche Tätigkeiten im Auftrag und nach Weisung eines Verwaltungsträgers aus, die der öffentliche Verwaltung bei ihrem Entscheidungsprozess dienlich sind (unterstützende Tätigkeiten).  

 

Beispiele:

  • Ein privater Abschleppunternehmer4, der von der Polizei mit der Entfernung eines PKW aus dem Halteverbot beauftragt wird.
  • Ein Statikbüro, das von einer Baugenehmigungsbehörde mit der Prüfung der Standfestigkeit eines geplanten Bauvorhabens5 beauftragt wird.
  • Schülerlotsen6
  • eine Privatperson, die von der Polizei zur kurzfristigen Regelung des Verkehrs herangezogen wird.

 

Diese Personen erfüllen ihre Aufgaben nicht als „beliehene Unternehmer“, sondern lediglich als sogenannte „Verwaltungshelfer“.  

 

Ihr

Dr. Maximilian Baßlsperger

 

 


1 BGHZ 147, 169/171

2 BVerwGE 17, 41

3 BVerwGE 29, 166

4 BGHZ 121, 161; OLG Hamm, NJW 2001, 376; Detterbeck, JuS 2000, 574 ff

5 BVerwGE 57, 55/58

6 OLG Köln, NJW 1968, 655

Mein Kommentar
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6 Kommentare zu diesem Beitrag
kommentiert am 23.12.2022 um 10:44:
Sehr geehrter Herr Rehm, ich frage mich ob Unternehmen, die mit der Wohlfahrtspflege betraut sind, nicht unter Beliehene gestellt werden könnten. Das Gesetz wäre hier das Sozialgesetzbuch. Werkstätten für Menschen mit Beeinträchtigung oder auch deren Wohnheime wären doch eigentlich Aufgabe des Staates, die an Dritte delegiert und übertragen werden. Ich denke an Vereine oder Organisationen wie AWO, Diakonie, Caritas, Lebenshilfe. Gibt es hierzu Rechtsprechung? An wen müßte man sich wenden, falls man "Beliehener werden" wollte?
kommentiert am 29.08.2020 um 13:26:
Welche Stellung haben ehrenamtlich tätige Mitglieder und besonders Vorsitzende von kommunalen Ausschüssen und Beiräten? Sind sie Amtsträger, Beliehene, Verwaltungshelfer, Behörde oder was sonst noch? Wie ist ihr Weisungsverhältnis gegenüber den Bediensteten und Beamten der kommunalen Gebietskörperschaft im Allgemeinen und gegenüber der geschäftsführenden Stelle des Seniorenbeirates im Besonderen? Ist die satzungsmäßige Aufgabe eines Vorsitzenden eines kommunalen Beirates, neben der Einberufung und Leitung von Sitzungen sowie der Mitbeurkundung der Niederschriften und der Berichterstattung auch für die Koordination der Aufgaben dieses Beirates und für die Ausführung der Beschlüsse zu sorgen, nicht nur eine öffentliche Aufgabe sondern auch eine öffentlich-rechtliche Aufgabe und vor allen Dingen eine hoheitliche Aufgabe? Da Hoheitlichkeit ein Über- und Unterordnungsverhältnis voraussetzt und eine Abgrenzung zu Nicht-Befugten in sich trägt, könnten die hoheitlichen Befugnisse eines Beiratsvorsitzenden dahingehend definiert werden, dass nur diesem Amtsträger diese Befugnisse zustehen und in Bezug auf die Durchsetzung von Beschlüssen eine Art von Weisungsrecht im Sinne der Über- und Unterordnung zugebilligt wird? Wenn der Vorsitzende eines solchen Beirates oder Ausschusses zur Wahrnehmung der Aufgaben nach der öffentlich-rechtlich erlassenen Satzung selbst die Verarbeitung von Daten vornimmt oder als verwaltungstechnische Angelegenheit durch die geschäftsführende Stelle des Beirates in seinem Namen vornehmen lässt, ist er dann neben der Kommune, für die er diese Aufgaben wahrnimmt, Verantwortlicher im Sinne des Datenschutzrechts und müsste wegen der Wahrnehmung öffentlich-rechtlicher Aufgaben nach dem europäischen, bundesdeutschen und nordrhein-westfälischen Datenschutzrecht sich eine eigene Behörde schaffen und einen behördlichen Datenschutzbeauftragten einsetzen, nachdem die betreffende Kommune, vertreten durch deren behördlichen Datenschutzbeauftragten und durch den Bürgermeister, es nachdrücklich abgelehnt hatte, diese durch den Vorsitzenden eines kommunalen Beirates gerade auch zur Wahrnehmung seiner öffentlich-rechtlichen Aufgaben vorgenommene oder veranlasste Datenverarbeitung als eine ihrem Hoheits- und Verantwortungsbereich zuzuordnende Datenverarbeitung anzuerkennen, sondern der Auffassung war und immer noch ist, dass die von einem Vorsitzenden eines kommunalen Beirates selbst vorgenommene oder veranlasste Datenverarbeitung in dessen eigene Verantwortung fällt und von daher der behördliche Datenschutzbeauftragte der Kommune nichts mit der von einem Vorsitzenden eines kommunalen Gremiums selbst vorgenommenen oder veranlassten Datenverarbeitung zu tun hat. Welche Stellung besitzen diejenigen Stellen (Organisationen, Einrichtungen und Gruppen), die nach der vom Rat einer kreisangehörigen Stadt in NRW beschlossenen Satzung für den Seniorenbeirat dieser Stadt damit betraut sind, Delegierte in die Delegiertenversammlung zur Wahl des Seniorenbeirates zu entsenden und diese Delegierten der bei der Stadtverwaltung verorteten geschäftsführenden Stelle des Seniorenbeirates mitzuteilen? Nehmen diese delegationsberechtigten Stellen öffentlich-rechtliche Aufgaben bei der Entsendung der Delegierten und bei der in eigener Zuständigkeit und Verantwortung der delegationsberechtigten Stellen liegenden Auswahl der Delegierten wahr und sind sie deshalb beispielsweise öffentliche Stellen und Behörden im Sinne etwa des § 2 IFG NRW ? Sind diese delegationsberechtigten Stellen bei den für die Auswahl und Meldung der Delegierten erforderlichen Datenverarbeitungen selber Verantwortliche im Sinne des Datenschutzrechts oder sind sie bei den genannten Datenverarbeitungen Auftragsdatenverarbeiter für die kommunale Gebietskörperschaft, die den delegationsberechtigten Stellen diese öffentlich-rechtliche Aufgabe übertragen hat, beziehungsweise für die von der Stadt eingesetzte geschäftsführende Stelle des Seniorenbeirates? Welche rechtstheoretischen Betrachtungen und Überlegungen müssten noch angestellt werden, um die Gesamtproblematik des Spannungsverhältnisses von hauptamtlichen und hauptberuflichen Amtsträgern einerseits und von privaten, ehrenamtlich tätigen Funktionsträgern und auch bürgerschaftlich engagierten Menschen andererseits sowie möglicherweise auch noch in Konkurrenz zu beliehenen Unternehmen und öffentlich-privaten Partnerschaften (ÖPP/PPP) erschöpfend zu erfassen?
kommentiert am 19.02.2018 um 20:05:
Sehr geehrter Herr Dr. Baßlsperger, ich kann den Teil "Banken und Versicherungen bei der Ausgabe von Moped- oder Mofaführerscheinen" gedanklich nicht zuordnen. Ist das eine Spezialität einiger Länder oder sollte hier die Ausgabe der sog. Versicherungskennzeichen gemeint sein? MfG Maurer
kommentiert am 10.09.2016 um 16:58:
Hier hat sich ein kleiner Fehler eingeschlichen: Statt " [...] nach Art. 43 GG und § 839 BGB sind [...]", Art. 34 GG.
kommentiert am 26.10.2015 um 12:56:
Hier liegt in der Tat ein Zahlendreher vor Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland Art 34 Verletzt jemand in Ausübung eines ihm anvertrauten öffentlichen Amtes die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, so trifft die Verantwortlichkeit grundsätzlich den Staat oder die Körperschaft, in deren Dienst er steht. Bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit bleibt der Rückgriff vorbehalten. Für den Anspruch auf Schadensersatz und für den Rückgriff darf der ordentliche Rechtsweg nicht ausgeschlossen werden. Dieser offensichtliche Irrtum ist aber unbeachtlich.
kommentiert am 03.07.2014 um 00:00:
Was hat Art. 43 GG mit der Haftung zu tun? Hier das Zitat:

Art 43
(1) Der Bundestag und seine Ausschüsse können die Anwesenheit jedes Mitgliedes der Bundesregierung
verlangen.
(2) Die Mitglieder des Bundesrates und der Bundesregierung sowie ihre Beauftragten haben zu allen Sitzungen
des Bundestages und seiner Ausschüsse Zutritt. Sie müssen jederzeit gehört werden.

Offensichtlich beweist dieser Fehler folgendes:

1.Der Autor spricht möglicherweise über Dinge, die er nicht genau weiß,
2. Es liegt ein Druckfehler oder Schreibfehler vor, den bisher keiner gefunden hat, weil es wurde dieser Artikel seit 16. April 2012, seit über 2 Jahren, nur einmal oder wenige Male gelesen, oder vielleicht sogar öfter, aber immer von unglücklich unwisssenden Laien bezüglich "Beamtenhaftung", 

Richtig wäre vielleicht: Artikel 34 GG?


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