BVerfG und Beamtenrecht: Klare Strukturen erwünscht
Liebe Leserinnen, liebe Leser,
das BVerfG hat sich in seiner Entscheidung vom 13.3.2015 (Az.: 1 BvR 471/10, 1 BvR 1181/10) entgegen seiner früheren Linie dafür ausgesprochen, dass ein Verbot des Kopftuches im Lehramt nur bei „konkreten“ Gefahren für den Schulfrieden möglich ist (siehe dazu: Kopftuchverbot für Lehrkräfte ist verfassungswidrig).
Die Kritik an der Entscheidung lässt sich wie folgt zusammenfassen:
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Das Bundesverfassungsgericht hat nicht dazu Stellung genommen, unter welchen Voraussetzungen eine „konkrete“ Gefahr für die Neutralität oder den Schulfrieden in der Praxis der Schulverwaltungen bestehen kann, die das Verbot des Tragens eines Kopftuches im Einzelfall rechtfertigt.
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Die gesetzgeberische Regelungsbefugnis der Länder und des Bundes schließt die Möglichkeit ein, auch durch das äußere Erscheinungsbild einer Lehrkraft vermittelte religiöse oder politische Bezüge von den Schülern bereits im Ansatz fernzuhalten, um Konflikte von vornherein zu vermeiden. Die Gestaltungsfreiheit der Gesetzgeber wird durch die Entscheidung des BVerfG beeinträchtigt.
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Lehrer sind Amtsträger und damit der Neutralität des Staates – auch in religiöser und weltanschaulicher Hinsicht – verpflichtet.
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Das BVerfG hat mit Urteil vom 5. Mai 2015 (Az.: 2 BvL 17/09 u.a.) die R 1-Besoldung der Jahre 2008 bis 2010 in Sachsen-Anhalt wegen einer zu geringen Höhe für verfassungswidrig erklärt, wobei die wesentlichen Aussagen dieses Urteils auf die Besoldung der Beamten ohne Weiteres übertragen werden können (siehe hierzu: BVerfG zur Mindestbesoldung von Beamten). Hier hat das Gericht zwar Anhaltspunkte für die Besoldungsgesetzgebung geliefert, diese sind aber zum einen äußerst kompliziert ausgefallen, sie beinhalten aber auch Gefahren, die es auszuräumen gegolten hätte:
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Die Besoldungsgesetzgeber könnten sich allgemein an den Untergrenzen der Parameter orientieren.
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Die tatsächlichen Vorleistungen (Studium, Auswahlverfahren, Gesamtnote) werden nicht angemessen berücksichtigt.
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Die Tatsache, dass die Beamtenbesoldung seit Jahrzehnten der Angestelltenvergütung hinterherhinkt, wird nicht ausreichend berücksichtigt.
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Jetzt steht wieder eine Entscheidung zum Thema „Streikrecht“ im Berufsbeamtentum an (siehe dazu: Streikrecht für Beamte; Streikrecht für Beamte – Teil II).
Dabei geht es um die Frage, ob ein Streik von Beamten generell verboten ist, oder ob ein Streik in Teilbereichen des Berufsbeamtentums mit der Verfassung vereinbart werden kann.
Verfassungsrechtssprechung ist häufig nichts anderes als das Finden eines gerade noch vertretbaren Mittelweges mithilfe juristischer Argumentationstechniken. Verfassungsrechtsprechung muss zwar auch dynamisch sein und sich geänderten Situationen und Vorgaben anpassen (Stichwort: „Fortentwicklungsklausel“), sie muss aber auch „verlässlich“ sein. Deshalb wäre es den von den Entscheidungen Betroffenen zu wünschen, sich eindeutig an den Vorgaben orientieren zu können.
Ich denke:
Es ist zu wünschen, dass das höchste deutsche Gericht eindeutig Stellung gegen ein auch nur teilweises Streikrecht von Beamten bezieht und sich nicht in juristischen Haarspaltereien verlieren wird.
Ihr
Dr. Maximilian Baßlsperger
Siehe dazu auch die Beiträge:

