Das Faktische Beamtenverhältnis – Teil I
Liebe Leserinnen, liebe Leser,
das Faktische Beamtenverhältnis findet seine Parallele in der Konstruktion des Faktischen Arbeitsverhältnisses bei einem nichtigen Arbeitsvertrag. In beiden Fällen hat ein Leistungs-austausch stattgefunden. Im Beamtenrecht geht es um die geleisteten Dienste des Beamten auf der einen Seite und um die dafür vom Dienstherrn gezahlte Alimentation auf der anderen Seite.
Dabei können die Leistungen des „Beamten“ generell nicht mehr rückgängig gemacht werden. Die Leistungen des Dienstherrn (Besoldung usw.) können nach den Grundsätzen des Faktischen Beamtenverhältnisses in diesem Fall dem (vermeintlichen) Beamten belassen werden. Hierzu hat das BVerwG entschieden1: Für die zu treffende Ermessensentscheidung darüber, ob die rechtsgrundlos gezahlten Bezüge belassen werden, stellt es ein sachgerechtes Kriterium dar, dass tatsächlich Dienst geleistet worden ist. Es würde der Sozialstaatsklausel (Art. 20 Abs. 1 GG) widersprechen, bei Annahme der Dienstleistungen durch den Dienstherrn den Anspruch auf die auf diesen Zeitabschnitt entfallenden Dienstbezüge wegen Mängel bei der Begründung des Dienstverhältnisses entfallen zu lassen, die der Dienstleistende nicht vorsätzlich oder grob fahrlässig herbeigeführt hat.2
Allerdings sind die beamtenrechtlichen Haftungsregelungen des § 48 BeamtStG/§ 75 BBG entsprechend auf einen nicht wirksam ins Beamtenverhältnis berufenen „Beamten“ anzuwenden, der nach dem Willen beider Seiten in das Beamtenverhältnis berufen werden sollte und – im Rahmen des beiderseits für bestehend gehaltenen Beamtenverhältnisses – tatsächlich wie ein Beamter tätig geworden ist.3 Die Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Billigkeit gebieten in der Regel, dem nicht wirksam in das Beamtenverhältnis berufenen Mitarbeiter die beamtenrechtliche Haftungsbeschränkung („vorsätzlich oder grob fahrlässig“) wie einem Beamten zuzugestehen4. Bei der Rückforderung kommt es jedoch auf den objektiven Wert der erbrachten Leistung an, also darauf, was aufgrund der konkret vorliegenden Aus- und Vorbildung für den geleisteten Dienst zu erwarten war. Nur der Mehrbetrag kann zurückgefordert werden.
Eine andere Rechtsauffassung brächte keine befriedigende Lösung. Dies hat folgende Gründe:
a) Der noch nicht erfüllte vermeintliche Leistungsanspruch kann nicht mehr erbracht werden, da nur etwas belassen werden kann, was beim Leistungsempfänger auch angekommen ist.
b) Ein Fehlverhalten auf der Dienstherrenseite (z. B. Nichteinhaltung von Sicherheitsbestimmungen) könnte nicht durch Rückgriff auf die Fürsorgepflicht des Dienstherrn (§ 45 BeamtStG) ausgeglichen werden. Es wäre nur der allgemeine Schadensersatzanspruch des § 823 BGB anwendbar.
c) Umgekehrt wäre auch bei einem Fehlverhalten des Dienstleisters, der nicht Beamter geworden ist, kein Rückgriff auf die beamtenrechtliche Schadensersatznorm (§ 48 BeamtStG) möglich; auch hier könnte nur mit § 823 BGB ein Ausgleich geschaffen werden.
d) Nur mit diesem Rechtverhältnis können die Nichternennungs-, Nichtigkeits- und Rücknahmefälle bei Ernennungen auch sozialversicherungsrechtlich sinnvoll gelöst wer-den.
In den zu Buchst. d) genannten Fällen muss eine nachversicherungsrechtliche Lösung für Leistungen bis zu dem Zeitpunkt gefunden werden, zu dem der Mangel festgestellt und die weitere Dienstleistung unterbunden wird.
Siehe dazu auch: Das Faktische Beamtenverhältnis – Teil II
Ihr
Dr. Maximilian Baßlsperger
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1 BVerwG, ZBR 2000, 126.
2 Summer in Weiß/Niedermaier/Summer/Zängl, § 11 BeamtStG Rn. 25.
3 Summer in Weiß/Niedermaier/Summer/Zängl, § 11 BeamtStG Rn. 25.
4 BVerwG, ZBR 1996, 264.
Zum Faktischen Beamtenverhältnis vgl. insbesondere:
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Baßlsperger in Weiß/Niedermaier/Summer/Zängl, Beamtenrecht in Bayern, § 11 BeamtStG Rn. 24 und 25.
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Baßlsperger, Einführung ins Beamtenrecht, Kapitel 8 Rn. 20 ff.
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Maiwald in Schütz/Maiwald, Beamtenrecht des Bundes und der Länder, § 11 BeamtStG, Rn. 90 ff.

