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Das Kreuz mit den bayerischen Behörden

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Bayerns neuer Ministerpräsident Markus Söder hat eine Änderung der allgemeinen Geschäftsordnung für bayerische Behörden bestimmt, dass im Eingangsbereich Kruzifixe anzubringen sind. Er stieß dafür auch in Bayern auf vielfache Kritik, die vom südlichen Wallfahrtsort Altötting bis zum nördlichen Aschaffenburg und weit darüber hinaus reicht.1

Liebe Leserin, lieber Leser,

die Süddeutsche Zeitung (SZ) berichtete:

„Ministerrat beschließt das Aufhängen von Kreuzen in Dienstgebäuden des Freistaats: Im Eingangsbereich eines jeden Dienstgebäudes im Freistaat ist als Ausdruck der geschichtlichen und kulturellen Prägung Bayerns deutlich wahrnehmbar ein Kreuz als sichtbares Bekenntnis zu den Grundwerten der Rechts- und Gesellschaftsordnung in Bayern und Deutschland anzubringen. Der Ministerrat hat am 24.4.2018 eine entsprechende Änderung der allgemeinen Geschäftsordnung für die Behörden des Freistaats Bayern beschlossen. Das Kreuz ist das grundlegende Symbol der kulturellen Identität christlich-abendländischer Prägung. Die Verpflichtung gilt für alle Behörden des Freistaats Bayern ab dem 1. Juni 2018. Gemeinden, Landkreisen und Bezirken wird empfohlen, entsprechend zu verfahren.“

Dafür erntete der neue bayerische Ministerpräsident heftige Kritik – aber auch Lob.

Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Heinrich Bedford-Strohm, begrüßte das Vorhaben grundsätzlich. Er freue sich, wenn auch in der Öffentlichkeit Kreuze sichtbar seien, sagte Bedford-Strohm, der auch bayerischer Landesbischof ist. Zugleich warnte er, das Symbol für politische Zwecke zu missbrauchen. Kreuze seien eine Art öffentlicher Selbstverpflichtung auf das, was den Inhalt des Kreuzes ausmacht: Humanität, Nächstenliebe, Menschenwürde: „Das Kreuz ist kein Identitätszeichen irgendeines Landes oder eines Staates".2

Rückendeckung erhielt die CSU von der katholischen Kirche. Der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK) Thomas Sternberg: „Das Kreuz ist ein Zeichen europäischer Kultur, das sich nicht als Kampfmittel gegen andere Religionen eignet.“3

Auch die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde Charlotte Knobloch unterstützte den Vorstoß. Gerade vor dem Hintergrund der „Mammutaufgabe Integration“ halte sie es für „wichtig und richtig“, die Normen und Werte zu definieren und deren Anerkennung einzufordern.4 Der Präsident des Zentralrates der Juden in Deutschland, Josef Schuster, sieht den Schritt dagegen kritisch. Im Bayerischen Rundfunk sagte er, er habe „im Prinzip nichts gegen Kreuze in Dienstgebäuden“. Man müsse sich aber schon die Frage stellen, welchen Sinn sie eigentlich haben sollten.5

Besonders scharf wurde Markus Söder von FDP-Chef Christian Lindner attackiert: „Wie der Markus Söder und die CSU Religionen permanent für die Parteipolitik instrumentalisieren, das erinnert geradezu an Erdoğan. Das Grundgesetz hat keine Konfession".

Tatsächlich scheint es vielen so, als wollte Söder mit seiner Entschließung kurz vor der Landtagswahl im Herbst dieses Jahres konservative Werte seiner Partei hervorheben, um damit für seine Partei CSU-Wählerstimmen zurückerobern, welche an die AfD bei der Bundestagswahl des vergangenen Jahres gegangen waren.

Nicht ganz unerwähnt sollte dabei aber das „Kruzifixurteil“ des Bundesverfassungsgerichts6 vom 16. Mai 1995 bleiben, mit dem Teile der Bayerischen Volksschulordnung von 1983 wegen Art. 4 GG für verfassungswidrig und damit für nichtig erklärt wurden, nach denen in jedem Klassenzimmer der Volksschulen in Bayern Kreuz anzubringen war. Das christliche Kreuz sei nach Auffassung des höchsten deutschen Gerichts eben kein lediglich kulturelles Symbol und kein überreligiöses Symbol für Humanität oder Barmherzigkeit, sondern das Symbol einer bestimmten Religion. Art. 4 GG schütze – so das BVerfG – davor, dass der Bürger in einem staatlich geschaffenen Pflichtraum (Schulpflicht) dem Einfluss eines bestimmten Glaubens ausgesetzt wird, ohne sich diesem entziehen zu können.

Ob die Änderung der Geschäftsordnung vor diesem verfassungsrechtlichen Hintergrund rechtlichen Bestand haben wird, ist also durchaus zweifelhaft.

Ihr
Dr. Maximilian Baßlsperger


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