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Der Bentley und die Richterbesoldung

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Dr. Jörg-Michael Günther, ein renommierter Verfasser von Schriften zum Beamtenrecht, hat in einer von ihm verfassten Kolumne1 auf einen ganz besonderen Fall hingewiesen, der den einen Leser vielleicht zum Lachen, den anderen aber wohl eher zum Weinen Anlass geben könnte.

Liebe Leserin, lieber Leser,

Grundlage der Veröffentlichung Günthers ist eine Entscheidung des OLG Hamburg (Urt. v. 20.10.2022 – 14 U 168/21) mit folgendem Sachverhalt:

Der Eigentümer eines Bentleys (Neupreis der „günstigsten“ Modells: 210.000 €) beantragte für die Reparaturdauer seines unfallgeschädigten Fahrzeugs eine Nutzungsausfallentschädigung von sage und schreibe 13.475 €. Diese Schadensersatzforderung wurde vom Erstgericht jedoch abgewiesen. Die Gebrauchsmöglichkeit eines Fahrzeugs ist nach ständiger Rechtsprechung zwar ein vermögenswertes Gut und stellt einen geldwerten und zu ersetzenden Vermögensschaden dar (vgl. BGH v. 17.11.2020 – VI ZR 569/19), das Landgericht verwies den Kläger jedoch darauf, dass er im Alltag statt des Bentleys einen seiner anderen PKWs – einen McLaren 720 (Neupreis 273.000 €) und/oder seinen Drittwagen, einen BMW 318 Compact, ersatzweise benutzen könne. Es bestehe hier schließlich eine vom Gesetz geforderte Schadensminderungspflicht des Geschädigten (§ 254 BGB).

Günther schreibt hierzu:

„Freunde von Sportwagen werden dem Landgericht lauthals zustimmen… Bei Kämpfern für den Klimaschutz wird wegen der tiefen Abscheu gegenüber dem klimaschädlichen Fuhrpark des Klägers nur das erstinstanzliche Urteil begrüßt.

Dies zeigt wieder einmal, dass man aus völlig unterschiedlichen Gründen Gerichtsurteile überzeugend finden kann…..“

Das OLG verwies in diesem Fall nämlich darauf, dass es sich beim McLaren 720 um einen Sportwagen mit viel zu kleinem Laderaum handele, der im Verhältnis zum Bentley „wenig alltagstauglich“ sei. Außerdem sei die Reparatur des Bentleys im Winter erfolgt, bei dem McLaren seien aber nur extreme Sportreifen montiert gewesen, welche das Fahren in der kalten Jahreszeit doch wesentlich erschweren würden. Demzufolge führte das OLG aus:

„Es erschließt sich dem Gericht ohne Weiteres, wenn dieser (= McLaren 720 – Zusatz des Verf.) nicht für Alltagsfahrten in den Wintermonaten genutzt wird; dies ist auch nicht zumutbar.“

Das bedeutet im Klartext: Es kann einem McLaren-Fahrer nicht zugemutet werden, Winterreifen zu kaufen oder sein Auto auch im Winter zu fahren!

Weiterhin führte das OLG aus, der auch noch in Betracht kommende BMW weise schließlich nach dem unwidersprochenen Schriftsatz des Klägers eine defekte Kupplung auf und habe zudem ebenfalls keine Winterreifen. Damit scheide auch dieser BMW nach der Überzeugung des Gerichts genauso als Ersatzfahrzeug aus.

Der 14. Senat des OLG Hamburg nutzte auf beeindruckende Art und Weise die Gelegenheit, seine gesammelte Autokompetenz in die Waagschale Justitias zu werfen (Günther).

Und ob man es glaubt oder nicht: Die Klage auf Zahlung der geltend gemachten Nutzungsausfallentschädigung wurde dem Bentley-Fahrer vom OLG Hamburg tatsächlich in vollem Umfang zugesprochen (OLG Hamburg, Urt. v. 20.10.2022 – 14 U 168/21).

Günther verwies in diesem Zusammenhang auf eine neuere Entscheidung des BGH: Das höchste deutsche Zivilgericht hält es tatsächlich für die Eigentümerin eines Porsche Turbo S Cabriolet, dessen Benutzung ihr wegen eines vor der Garage parkenden Fahrzeugs blockiert wurde, für zumutbar, ihren 3er-BMW Kombi-Zweitwagen als Ersatzfahrzeug für den Urlaub zu benutzen (BGH, Urteil v. 11.10.2022 – VI ZR 35/22). Ein Schadensersatzanspruch (Nutzungsentschädigung) für den nicht verfügbaren Porsche wurde also vom höchsten deutschen Zivilgericht abgelehnt.

Aber auch hierzu gibt es in der Literatur abweichende Meinungen, welche diese BGH- Entscheidung völlig ablehnen und darauf verweisen, dass für Fahrten zum und am Urlaubsort einem Kombi bei Weitem nicht die gleichen Funktions- und Genusswerte zukommen können, wie einem offenen Sportwagen (Behme NJW 2023, 47; Mäsch JuS 2023, 457).

Fazit:
Die Eigentümer eines Ferrari, Lamborghini, Maibach, Aston Martin etc. dürfen sich freuen! Wer allerdings – wie der durchschnittliche deutsche Beamte – einen Opel, einen Dacia oder ein sonstiges fernöstliches Billigfahrzeug sein eigen nennt, der wird sich vielleicht sogar wundern – wenn nicht sogar ärgern!


Ihr

Dr. Maximilian Baßlsperger


Lesen Sie dazu auch:

Max und Moritz und das deutsche Beamtenrecht


1 ZAP (Zeitschrift für die Anwaltspraxis) Heft 23/2023, S. 633-634

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4 Kommentare zu diesem Beitrag
kommentiert am 31.10.2023 um 09:31:
Sehr geehrter M.B.! Ich bitte den Schreibfehler zu entschuldigen. Als pensionierter Beamter der Bayer. Staatsverwaltung bin ich bei den Namen von Luxusautos tatsächlich nicht so sattelfest!............................ Ihre Ausführung treffen aber des Pudels Kern: Im Gegensatz zu Politikern (und ihren Dienstwagen) gilt es für Beamte jeden auch nur möglicherweise aufkommenden Neidgedanken bei Kollegen oder erst recht in der Öffentlichkeit tunlichst zu vermeiden. Ein Beispiel: Einem ehemaligen Dozenten an der Hochschule für öff, Verwaltung wurde am Anfang seiner Tätigkeit mehrfach die Frage gestellt, warum er denn so viel Freizeit habe. Anfangs antwortete dieser Beamte, seine Dienstleistung sei eben sehr anstrengend und er benötige damit - wie jeder Lehrer - eine größere Erholungsphase Außerdem sei es doch egal, ob er die Unterrichtsnach- und vorbereitung an der Hochschule oder zuhause ausarbeite. Als ihm nach ein paar Jahren diese Frage erneut gestellt wurde, antwortete er nur mehr auf gut Bayerisch: "Wennsd wos G´scheids g´lernt hätt´st, dann kunnst des ja a!" - worauf die Kritik auch prompt verstummte........
kommentiert am 30.10.2023 um 22:38:
Als Automobil-Enthusiast erlaube ich mir zunächst den Verfasser darauf hinzuweisen, dass Maybach mit Ypsilon geschrieben wird und nicht "Maibach". Das Urteil des OLG Hamburg ist sehr zu begrüßen, weil es im Gegensatz zum BGH erkannt hat, dass es bei so einem Fahrzeug eben nicht nur darum geht, von einem Ort zum anderen zu fahren. Beamten und Richtern selbst ist von exklusiven und hochpreisigen Automobilen dagegen aus naheliegenden Gründen eher abzuraten, wie mich auch meine eigene leidvolle Erfahrung gelehrt hat, als ich leichtsinnigerweise einmal mit meinem hochpreisigen Sportwagen vor dem Ministerium, in dem ich tätig bin, parkte. Die Spekulationen von Kollegen und Vorgesetzten reichten von einem Lotteriegewinn bis tief in das Strafgesetzbuch hinein. Seitdem fahre ich wieder mit einem zwanzig Jahre alten VW zum Dienst, dennoch hält sich bis heute hartnäckig das Gerücht, ich sei lediglich zu meinem Privatvergnügen Staatsbeamter geworden und einer üppigen Alimentation durch den Dienstherrn gar nicht würdig.
kommentiert am 11.10.2023 um 16:00:
Ob Frau (wie ich) oder nicht: Interessant ist es alle Mal, wie Gerichte unterschiedlich entscheiden!
kommentiert am 11.10.2023 um 13:45:
Ich frage mich, ob es bei der neueren Entscheidung des BGH - unbewusst natürlich - eine Rolle gespielt hat, dass es sich in diesem Fall um eine Frau gehandelt hat...
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