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Der Böllerschuss und der Ministerialrat

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Dienstunfälle von Beamten sind oft kurios. So sind in der Rechtsprechung zum Beamtenrecht etwa Zeckenbisse und Wespenstiche schon als Dienstunfall anerkannt worden1. Besonders schlimm traf es jetzt offenbar einen Ministerialrat, der bei einer dienstlichen Veranstaltung durch einen Böllerschuss einen Gehörschaden erlitten haben will.2

Liebe Leserinnen, liebe Leser,

eine allseits bekannte und recht lustige Geschichte hat sich beim Böllerschießen gegen Ende des 17. Jahrhunderts in einem kleinen Schwarzwaldstädtchen zugetragen. Damals haben die Einwohner von Hornberg in Erwartung ihres Fürsten so lange ihre Böllerschüsse zum feierlichen Einzug ihres Landesherrn geprobt, bis ihnen schließlich das Pulver ausging. Der Versuch, den Fürsten bei seinem Einzug durch ein entsprechendes Brüllen zu täuschen, misslang dann zum Leidwesen der „Hornberger“ leider völlig. “Das Hornberger Schießen” stellt aber nicht die einzige bemerkenswerte Begebenheit beim „Böllern“ dar, wie das folgende Ereignis zeigt.

Vor dem Roten Rathaus in Berlin hatte Wirt Sepp Krätz zur Feier des Oktoberfestes am 9. September 2009 ein Hippodrom-Zelt aufgestellt. Zur Eröffnung war auch Ministerpräsident Horst Seehofer in die Bundeshauptstadt gekommen. Als die bayerischen Gebirgsschützen zur Eröffnung des Festes ihre Salutschüsse abfeuerten, war für einen Beamten die Party aber schnell wieder vorbei. Ministerialrat X. hatte nach seiner eigenen Aussage durch die Schüsse beim Berliner Oktoberfest der bayerischen Landesvertretung einen Gehörschaden erlitten. Der Ministerialrat war als Protokollbeamter damit beauftragt, Fotos von dem zünftigen Fest der bayerischen Landesvertretung zu machen. Dabei merkte der ministerielle Fotograf der Staatskanzlei nicht, dass die Bollerschützen der Gebirgsjäger hinter ihm Aufstellung genommen hatten. Von den Salutschüssen wurde er überrascht. Er klagt nun über ein taubes Gefühl und über einen Druck im rechten Ohr. Bei einer fachärztlichen Untersuchung wurde zunächst ein sogenanntes „Knalltrauma“ diagnostiziert.

Da er sich dienstlich auf dem Fest aufhielt, meldete er die Beschwerden als Dienstunfall. Die entsprechende Anerkennung wurde ihm allerdings versagt. Der hohe Staatsbeamte erhob deshalb vor dem VG München eine entsprechende Klage gegen seinen Dienstherrn.

Ein Gutachten ergab jedoch, dass der Mann bereits eine Veranlagung für Tinnitus hatte. Auch Hörtest-Ergebnisse sprachen nach dem Bayerischen Landesamt für Finanzen, das den Freistaat Bayern als Beklagten vor dem Verwaltungsgericht in dem noch nicht abgeschlossenen Verfahren vertritt, nicht für ein „Knalltrauma“. Da der Ministerialrat bereits in den Jahren 2001 und 2007 unter Hörproblemen gelitten hatte, vermutete jetzt ein Experte, dass die Schwerhörigkeit des Beamten wohl eher von einer anderen Schädigung herrührt und nichts mit den Böllerschüssen zu tun hat.3

Ein Knalltrauma, wie es durch einen Böllerschuss ausgelöst wird, verursacht eine Schädigung in einem ganz spezifischen Frequenzbereich“, erklärte HNO-Professor Klaus Mees vom Klinikum München-Großhadern, der bei der mündlichen Verhandlung des Verwaltungsgerichts München im März 2012 als Sachverständiger auftrat. Er könne deshalb einen medizinischen Zusammenhang zwischen den Böllerschüssen und dem Gehörschaden des Ministerialrats ausschließen.

Zwar liegt das Urteil des Verwaltungsgerichts gegenwärtig noch nicht vor, es kann aber aufgrund der Aussage des Sachverständigen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit angenommen werden, dass eine Anerkennung als Dienstunfall für die Richter nicht infrage kommt.4

Dem unvoreingenommenen Betrachter stellt sich die Frage, warum ein hochdotierter Ministerialrat mit dem Fotografieren auf dem Oktoberfest beauftragt wurde. Hätte die Fotos nicht vielleicht auch ein Beamter der „zweiten oder dritten Qualifikationsebene“ (also des mittleren oder gehobenen Dienstes) schießen können? Wäre der Hausmeister der Bayerischen Landesvertretung aufgrund seines anerkanntermaßen handwerklichen Geschicks nicht sogar besser geeignet und für den Steuerzahler dazu auch noch „billiger“ gewesen.

Der Fall zeigt doch deutlich, was dabei herauskommt, wenn man eine so schwierige Aufgabe, wie die Fotodokumentation eines vom Freistaat Bayern organisierten Volksfestes im früheren „Preußen“ auf einen höheren Verwaltungsbeamten überträgt.

Ihr
Dr. Maximilian Baßlsperger


§ 31 Dienstunfall lautet:

(1) Dienstunfall ist ein auf äußerer Einwirkung beruhendes, plötzliches, örtlich und zeitlich bestimmbares, einen Körperschaden verursachendes Ereignis, das in Ausübung oder infolge des Dienstes eingetreten ist…

______________________________________

1 Siehe dazu den Beitrag: Zeckenbiss und Wespenstich als Dienstunfall; siehe dazu auch den Beitrag Erotische E-Mail als Dienstunfall
2 http://www.welt.de/regionales/muenchen/article13922302/Gehoerschaden-durch-Salut-der-Gebirgsschuetzen.html
3 http://www.abendzeitung-muenchen.de/inhalt.vor-gericht-nach-salut:-beamter-hoert-schwer.9b987cbf-0e47-42aa-876a-caeb157aa3f7.html
4 http://www.donaukurier.de/nachrichten/bayern/Muenchen-wochennl102012-Boellerschuesse-beschaeftigen-die-Justiz;art155371,2575207


Zu §31 BeamtVG vgl.:

  • Schütz/Maiwald/Brockhaus: Beamtenversorgungsgesetz

  • Stegmüller/Schmalhofer/Bauer: Beamtenversorgungsrecht des Bundes und der Länder

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