Der überforderte Standesbeamte
Liebe Leserinnen, liebe Leser,
am Landesgericht Innsbruck (Österreich) ging es für einen (pensionierten) Standesbeamten um Amtsmissbrauch.1 Der Beamte, der nach Abmahnungen nach 30-jähriger Tätigkeit entlassen worden war, machte eine „totale Überforderung“ geltend. Schon im Jahr 2009 attestierte ein medizinisches Gutachten dem Gemeindebeamten ein schweres Burn-out-Syndrom und erhebliche Depressionen.
Zu diesem Zeitpunkt hatte der Mann laut Aussage des Staatsanwalts bereits seit zwei Jahren durch mehrmalige Vergabe identischer Verzeichnisnummern, Eintragungen geringerer Gebühren oder Löschen von Geschäftsfällen Gebühren für die Ausstellung von Urkunden nicht ordnungsgemäß in die Gemeindekasse abgeführt – und zwar in 141 Fällen. Für den Anwalt der Gemeinde lag darin lupenreiner Amtsmissbrauch: „Sogar Geburtsurkunden wurden gelöscht. Die haben uns die Bürger dann wieder nachbringen müssen!“2
Die Richterin wertete zwar die psychische Belastung bei einem in Österreich geltenden Strafrahmen bis zu fünf Jahren Haft strafmildernd, sie sah in dem Verhalten des ehemaligen Beamten dennoch einen Amtsmissbrauch. Das Urteil: Acht Monate Haft und 960 Euro Geldstrafe. Sie begründete die Strafe damit, dass die Kassenführung verfälscht und das Kontrollrecht der Gemeinde untergraben wurde.
Der verurteilte Beamte betonte, dass er sich aber letztlich keinen einzigen Cent in die eigene Tasche gesteckt hatte. Dies wurde weder von der Staatsanwaltschaft, noch vom Anwalt der Gemeinde bestritten.
Der unbefangene Leser wird wohl nicht zu Unrecht die Meinung vertreten können, die Gemeinde könnte auch gegen ihre eigene Fürsorgepflicht verstoßen haben, weil sie in Kenntnis der gesundheitlichen Beeinträchtigungen ihres Beamten keine Gegenmaßnahmen – insbesondere keine Kontrollen zum tatsächlichen Arbeitsanfall und zu den erbrachten dienstlichen Leistungen – vorgenommen hatte.
Es stellt sich gleichwohl die Frage, ob sich der Beamte richtig verhalten hätte können.
Richtig wäre es gewesen, eine Überlastungsanzeige vorzunehmen. Der Beamte hätte sich auf diese Weise nicht nur von seiner beamtenrechtlichen Haftungsverpflichtung, sondern auch von seiner strafrechtlichen Verantwortlichkeit schützen können.
Es fragt sich allerdings, ob der Beamte aufgrund seiner gesundheitlichen Situation zu einer solchen Anzeige überhaupt noch in der Lage war.
Das Urteil ist noch nichts rechtskräftig. Es ist dem Beamten zu wünschen, einen Anwalt zu finden, der auch diese Gesichtspunkte in den Rechtsstreit einbringt.
Ihr
Dr. Maximilian Baßlsperger
1 http://www.tt.com/panorama/10236522-91/standesbeamter-beging-im-stress-amtsmissbrauch.csp
2 http://www.tt.com/panorama/10236522-91/standesbeamter-beging-im-stress-amtsmissbrauch.csp
Siehe dazu auch die Beiträge:

