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Drygalla – Grundrechte einer Beamtin

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Die Ruderin Nadja Drygalla musste das olympische Dorf in London verlassen, nachdem ihre Beziehung zu einem ehemaligen NPD-Funktionär bekanntgeworden war. Der Schweriner Landesregierung war diese Beziehung seit längerem bekannt. Das Innenministerium des Landes teilte außerdem mit, die ehemalige Beamtin habe nach "intensiven Personalgesprächen" im Jahr 2011 um ihre Entlassung als Polizeianwärterin gebeten.1

Liebe Leserinnen, liebe Leser,

Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsident Erwin Sellering (SPD) hatte nach dem Ausschluss der Sportlerin das Bundesinnenministerium und den Deutschen Ruderverband scharf für deren Umgang mit der Ruderin Nadja Drygalla gerügt.2 Der Sportlerin wurde während ihres Beamtenverhältnisses auf Widerruf bei den „intensiven Personalgesprächen“ offensichtlich „nahegelegt“, selbst einen Antrag auf Entlassung (§ 23 Abs. 1 Nr. 4 BeamtStG / § 33 BBG) zu stellen, was sie dann auch getan hat. Dies wirft die Frage auf:

Wie stand es eigentlich mit den Grundrechten von Frau Drygalla als ehemalige Beamtin?

Zunächst ist dazu festzustellen: Es gibt auch bei Beamten keinen „grundrechtsfreien Raum“.3 Die Zulässigkeit von Grundrechtseinschränkungen folgt bei Beamten jedoch aus Art. 33 Abs. 5 GG.4 Nach dem Grundsatz der „Praktischen Konkordanz“ muss im Einzelfall eine Abwägung vorgenommen werden, ob durch das öffentlich-rechtliche Dienst- und Treueverhältnis die Einschränkung des jeweiligen Grundrechts gerechtfertigt ist.

Welche Grundrechte könnten also bei Frau Drygalla zulässigerweise eingeschränkt worden sein:

  1. Das Recht auf freie Meinungsäußerung (Art. 5 Abs. 1 GG)?

    Die Sportlerin hatte sich ausdrücklich von jedem nationalsozialistischen Gedankengut distanziert.

  2. Die Glaubens-, Bekenntnis- und Gewissensfreiheit (Art. 4 Abs. 1 und 2 GG)?

    Hier gilt dasselbe wie bei der Meinungsfreiheit.

  3. Das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit (Art. 2 Abs. 1 GG)?

  4. Der Schutz der Ehe und Familie (Art. 6 Abs. 1 GG)?

Als Beamtin war Frau Drygalla zu einem achtungs- und vertrauenswürdigen Verhalten (§ 34 Satz 2 BeamtStG / § 61 Abs. 1 Satz 1 BBG) verpflichtet. Als Spitzensportlerin steht sie zudem mehr als andere im Fokus der Öffentlichkeit. Deswegen sind auch höhere Anforderungen an ihr Verhalten zu stellen als an andere Kollegen.

Der Grund für das „Personalgespräch“ war die Tatsache, dass Frau Drygallas Beziehung zu einem ehemaligen NPD-Kandidaten bekanntgeworden war. Darf also ein Beamter/eine Beamtin mit jemandem befreundet sein, der einmal NPD-Funktionär war? Ich denke: Ja!

Jeder Beamte besitzt zwar eine politische Treuepflicht.5 Diese kann und darf aber nicht so weit gehen, dass sie auch in persönliche Beziehungen hineinwirkt, wenn kein Rückschluss auf ein eigenes Fehlverhalten gezogen werden kann.

Zudem stellt sich die Frage: Wie wäre zu verfahren gewesen, wenn Frau Drygalla – als Beamtenanwärterin – mit ihrem Freund die Ehe eingehen wollte? Wäre das für sie im Beamtenverhältnis ohne Konsequenzen möglich gewesen? Käme dann eine Entlassung aus dem Beamtenverhältnis auf Widerruf in Frage oder würde diese Maßnahme gegen Art. 6 GG verstoßen?

Ich schließe mich jedenfalls der Auffassung von Harald Martenstein an, der dazu im „Tagesspiegel“ vom 8.8.2012 ausführt:6

„Gefahr für die Demokratie geht… nicht von Nadja Drygalla aus, sondern von denen, die eine Hetzjagd veranstalten. Wenn schon der Kontakt zu einer irgendwie belasteten Person in Deutschland ausreicht, um eine Karriere zu beenden, stellt sich die Frage, wo da die Grenze zu ziehen ist. Ein Bruder, der bei den Islamisten mitmacht? Eine Mutter, die bei der Stasi war? Ein Freund bei Scientology? Der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt, auch nicht der Willkür.“

Auch Ministerpräsident Erwin Sellering (SPD) sprach dazu richtige und deutliche Worte: „Sippenhaft gibt es natürlich in einem Rechtsstaat nicht".7

Und das gilt auch für Beamte.

Herzlich,
Ihr Dr. Maximilian Baßlsperger

_________________________________

1 http://www.spiegel.de/panorama/drygalla-innenministerium-wusste-von-angeblichem-nazi-umfeld-a-848128.html
2 http://www.spiegel.de/panorama/nadja-drygalla-ministerpraesident-kritisiert-stimmungsmache-a-848717.html
3 BVerfGE 33, 158
4 Siehe dazu den Blog: Hergebrachte Grundsätze des Berufsbeamtentums
5 Zängl in Weiß/Niedermaier/Summer/Zängl, Beamtenrecht in Bayern, § 33 BeamtStG, Rn. 52 ff.
6 http://www.tagesspiegel.de/meinung/ruderin-drygalla-wo-die-liebe-hinfaellt/6969132.html
7 http://www.spiegel.de/panorama/nadja-drygalla-ministerpraesident-kritisiert-stimmungsmache-a-848717.html


Zur Einschränkung von Grundrechten vgl.:

  • Summer in Weiß/Niedermaier/Summer/Zängl, Beamtenrecht in Bayern, § 3 BeamtStG, Rn. 5 ff.
  • Zängl in Weiß/Niedermaier/Summer/Zängl, Beamtenrecht in Bayern, § 33 BeamtStG, Rn. 23 ff.
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