Ehemalige Richter als Rechtsanwälte
Liebe Leserinnen, liebe Leser,
der Kläger – ein pensionierter Richter am Landgericht (Zivilkammer) – informierte entsprechend den Vorgaben des § 41 BeamtStG den Präsidenten des Oberlandesgerichts unter Beifügung eines Beratervertrages, dass er eine Tätigkeit als freier Mitarbeiter in einer Rechtsanwalts-/Patentanwaltskanzlei aufgenommen habe. Die Mitarbeit des Klägers sollte die gegenüber den Mandanten abrechenbare Sachbearbeitung in Akten sowie unmittelbar kanzleibezogene Tätigkeiten wie z. B. kanzleiinterne Aktivitäten ( IP-Report, Website, IP-Akademie, Anwaltsbriefing oder interne Ausbildung) und Akquisitionsreisen mit Partnern zu (potentiellen) Mandanten und Kollegen umfassen. Weiterhin sollte die Arbeit auch mittelbar kanzleibezogene Tätigkeiten, wie die Mitwirkung bei Fachtagungen und -konferenzen durch Vorbereitung und Halten von Vorträgen betreffen. Der Kläger erklärte außerdem, es sei vereinbart worden, dass er nicht in Verhandlungen auftreten und keine Schriftsätze fertigen werde. Sein Name sollte nicht in Schriftsätzen, in Verhandlungen und in Rechtsgesprächen mit Richtern erwähnt werden. Der Kanzlei war es aber wichtig, dass der neue Mitarbeiter auf deren Homepage genannt werde.
In der Folge untersagte der Präsident des OLG dem Kläger auf der Grundlage des § 41 Satz 2 BeamtStG bis zum Ablauf von fünf Jahren nach Beendigung des Richterverhältnisses jegliche Tätigkeit in Fällen, die vor dem LG, an dem der Kläger früher tätig war, anhängig waren, anhängig sind oder anhängig werden können.
Die vor dem VG München erhobene Anfechtungsklage des ehemaligen Richters hatte keinen Erfolg.
Grund: Es genügt nach der vorliegenden Entscheidung der „mögliche Anschein“, dass durch die persönlichen Beziehungen des Richters im Ruhestand zu den Richtern des Gerichts, welche mit den Rechtssachen befasst sind, die auch er betreut, eine Streitigkeit in nicht sachgemäßer Weise gefördert werden könnte. Das ist immer dann der Fall, wenn ein vernünftiger Grund für die Annahme besteht, dass diese Entwicklung eintreten kann.
Dabei gilt es Folgendes festzustellen:
1. Die Entscheidung ist einerseits insofern richtig, als eine Beeinträchtigung dienstlicher Interessen im Sinne des § 41 Satz 2 BeamtStG schon dann zu besorgen ist, wenn bei verständiger Würdigung der erkennbaren Umstände unter Berücksichtigung der erfahrungsgemäß zu erwartenden Entwicklung eine solche Beeinträchtigung nicht unwahrscheinlich ist. Entscheidend sind die damit einhergehende Möglichkeit der Beeinträchtigung dienstlicher Interessen und das Hervorrufen eines entsprechenden Anscheins.2 Es darf in keinem Fall der Eindruck entstehen, dass die persönlichen Beziehungen einer Partei zu den Richtern und den nichtrichterlichen Dienstkräften des Landgerichts eine dort anhängige Rechtssache in einer nicht sachgemäßen Weise fördern könnten. Auch bei einer lediglich beratenden Tätigkeit kann der Anschein erweckt werden, dass Amtswissen und persönliche Beziehungen zu Lasten des Dienstherrn genutzt werden, zumal der Name des früheren Richters auf der Homepage der Kanzlei ersichtlich sein sollte.
2. Andererseits wird aber auch klargestellt, dass sich die Untersagung ausschließlich auf die Bearbeitung von Verfahren bezieht, für welche die Zuständigkeit des früheren Tätigkeitsbereiches des Klägers und damit ein Zusammenhang mit der früheren Tätigkeit des ehemaligen Richters besteht. In anderen Angelegenheiten – wie etwa in arbeitsrechtlichen oder verwaltungsgerichtlichen oder steuerrechtlichen Verfahren besteht diese Gefahr dagegen ersichtlich nicht.3 Ein Loyalitätskonflikt ist hier jedenfalls nicht zu erwarten. Es wäre aber auch denkbar, dass der Kläger seine Beratertätigkeit an einem anderen Standort der Kanzlei innerhalb oder außerhalb Deutschlands ausübt. Weiterhin unterliegen andere Tätigkeitsbereiche, wie etwa die Mitwirkung in Ausbildung und Lehre innerhalb oder außerhalb der Kanzlei nicht dieser Beschränkung.
Insofern wird einem ehemaligen Richter ein weites, nicht unter das Verbot fallendes Tätigkeitsfeld eröffnet.
Ihr
Dr. Maximilian Baßlsperger
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1 VG München vom 7.5.2014: Az.: M 5 K 12.6498.
2 Baßlsperger, Berufsausübung nach Beendigung des Beamtenverhältnisses, ZBR 2012, 1 ff. (9).
3 Vgl. etwa BayVGH, B.v. 11.1.1988 – 3 CS 87.03322 – BayVBl. 1988, 413.
Hinweise:
1. § 71 DRiG lautet
„Soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, gelten für das Statusrecht der Richter im Landesdienst bis zu einer besonderen Regelung die Vorschriften des Beamtenstatusgesetzes entsprechend.“
2. § 41 BeamtStG lautet:
„Ruhestandsbeamtinnen und Ruhestandsbeamte sowie frühere Beamtinnen mit Versorgungsbezügen und frühere Beamte mit Versorgungsbezügen haben die Ausübung einer Erwerbstätigkeit oder sonstigen Beschäftigung außerhalb des öffentlichen Dienstes, die mit der dienstlichen Tätigkeit innerhalb eines Zeitraums, dessen Bestimmung dem Landesrecht vorbehalten bleibt, im Zusammenhang steht und durch die dienstliche Interessen beeinträchtigt werden können, anzuzeigen. Die Erwerbstätigkeit oder sonstige Beschäftigung ist zu untersagen, wenn zu besorgen ist, dass durch sie dienstliche Interessen beeinträchtigt werden. Das Verbot endet spätestens mit Ablauf von fünf Jahren nach Beendigung des Beamtenverhältnisses.“
3. Gemäß Ziffer 8.2 der Vollzugshinweise des Bayerischen Staatsministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz zum Nebentätigkeitsrecht vom September 2009 ist einem Richter im Ruhestand untersagt, als Rechtsanwalt vor dem Gericht tätig zu werden, dem er während seiner aktiven Dienstzeit zuletzt angehört habe, weil ansonsten die Befürchtung bestünde, dass die persönliche Verbundenheit des Rechtsanwalts zu den Richtern und den dortigen Bediensteten eine Rechtssache unsachgemäß beeinflussen könnte.
Zur zulässigen Übernahme von Tätigkeiten nach Beendigung des Beamtenverhältnisses:
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Baßlsperger in Weiß/Niedermaier/Summer, Beamtenrecht in Bayern, § 41 BeamtStG, Rn. 1 ff.;
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von Roetteken in von Roetteken/Rothländer, HBR, § 41 BeamtStG, Rn. 1 ff.

