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Heinrich Heine und das deutsche Beamtenrecht

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Wie die Passauer Neue Presse berichtete1, hat ein Richter einen 19-jährigen Straftäter dazu verurteilt, das Gedicht „Belsazar“ von Heinrich Heine auswendig zu lernen. Da stellt sich die Frage: Kann man im deutschen Beamtenrecht nicht öfters einmal auf Heines Gedichte zurückgreifen? Lesen Sie hierzu den durchaus satirisch gemeinten 300. Beitrag dieser Reihe.

Liebe Leserinnen, liebe Leser,

die Ballade „Belsazar“ von Heinrich Heine handelt in 19 Strophen von dem Eroberer Babylons, der vor lauter Großmut über den jüdischen Gott Jehova spottet und dann von diesem bestraft wird. Leider sehen die Disziplinargesetze von Bund und Ländern das Auswendiglernen von Gedichten aber bisher noch nicht als Ahndungsform bei Dienstvergehen vor, ein Fehler, den es seitens der Gesetzgeber schnellstmöglich zu korrigieren gilt.

Bei jüngeren Beamten erscheint dieses Auswendiglernen sowohl nach general- als auch nach spezialpräventiven Gesichtspunkten als eine sinnvolle Möglichkeit der Reaktion auf ein potentielles Fehlverhalten. Gerade die Gedichte von Heinrich Heine würden sich hier vorzüglich eignen. So könnte man mit seinen Werken Sklavenschiff I und II den Berufsanfängern das Wesen des Beamtentums als „Dienst- und Treueverhältnis“ anschaulich vor Augen führen, wogegen seine Strophen aus Da hab´ ich viele blasse Leichen… den Zustand in so manchen Dienststellen der öffentlichen Verwaltung schon vom Grundsatz her trefflich beschreiben. Außerdem helfen seitens des Vorgesetzten die Zeilen aus Mir träumt´ ich bin der liebe Gott!, um die in der Verwaltung vorgegebenen hierarchischen Strukturen geradezu metaphorisch darzustellen. Da passt es gut, wenn ein Neuling seinem Ausbildungsleiter auch gleich die Frage stellt: Soll ich Dich als Held verehren?

Aber nicht nur Berufsanfänger, sondern auch etablierte Beamte, können aus den Gedichten Heinrich Heines wertvollen Nutzen ziehen. Bei Problemen, welche sich etwa in Zusammenhang mit einer Beförderung stellen, kommt solchen Gedichten wie Das weiß Gott! und Werdet nur nicht ungeduldig! eine schier prophetische Bedeutung zu. Bei der Bekanntgabe von Beurteilungen würden aus Sicht des untergebenen Beamten nach mehreren enttäuschten Erwartungen auch die Strophen aus Bist Du wirklich mir so feindlich? passen, auf die allerdings auch der Vorgesetzte zurückgreifen sollte, wenn es sein Mitarbeiter nach der 25. Erklärung immer noch nicht versteht, einen auch nur einigermaßen akzeptablen Entwurf eines Bescheides zu verfassen. Da hilft dann dem Beamten weder ein Stoßseufzer, noch die Entschuldigung: Glaube nicht, dass ich aus Dummheit… wesentlich weiter und oft wird dieser dann den Gedanken an den Vorgesetzten auch zuhause nicht los: Im Traum sah ich ein Männchen und wenn man dann am nächsten Arbeitstag wieder in seiner Behörde antreten muss, dann ist diese mit großer Gewissheit die Schöne Wiege meiner Leiden. Wenn der Dienstvorgesetzte aber zum Beispiel erstmals durch Vermittlung einer neuen Sekretärin telefonisch mit anderen Behörden in Verbindung treten will, dann gilt: Blamier mich nicht, mein schönes Kind.

Wird ein Beamter dabei erwischt, dass er anlässlich der Geburtstagsfeier des Chefs am kalten Buffet nach langer Überlegung (Es treibt mich hin, es treibt mich her) zwei statt des vorgesehenen einzelnen belegten Brötchens nimmt, so empfiehlt sich Das Liedchen von der Reue, das aber natürlich auch bei jeder Einleitung eines Disziplinarverfahrens angestimmt werden sollte. Am Ende der Feier gilt dann zum Bedauern vieler Mitarbeiter recht bald: Die Flaschen sind leer! Aber man sollte sich ja auch nicht über einen noch so geizigen Vorgesetzten lustig machen, denn so etwas kann sich sehr nachteilig auf die nächste Beurteilung auswirken und da gilt Mensch verspotte nicht den Teufel!

Auf die Frage des Vorgesetzten, warum man am Montagmorgen erst so spät erscheine, wird sich so mancher Beamte nach dem Motto Ich kam von meiner Herrin Haus vergeblich auf noch zu erledigende häusliche Pflichten berufen. Wenn man dann aber am Ende der Arbeitswoche an einem sonnigen Freitagnachmittag das Wochenende schon im Büro herbeisehnt, dann werden einem auch die Worte des Dichters aus Ewigkeit wie bist Du lang nur schwerlich über die restliche Wartezeit hinweghelfen.

Sogar am Ende des Beamtenlebens können Heines Werke Trost spenden. So ist es üblich, dass der (ehemalige) Vorgesetzte am Grab des verstorbenen früheren Staatsdieners einige Worte spricht. Dabei kann der Dichter mit seinem Werk Der Ex-Lebendige oder Der tugendhafte Hund gute Hilfestellung leisten.

Wenn bei einer anstehenden Besoldungserhöhung wieder einmal gerade bei den Beamten gespart wird, während sich unsere Volksvertreter im Landtag und im Bundestag eine Diätenerhöhung um zehn Prozent gönnen – bei der Beamtenbesoldung aber kräftig auf die Bremse treten – dann beschreibt der Dichter dies nur allzu trefflich mit seinem Gedicht: Wenn sich die Blutegel vollgesogen. Da hilft es auch nichts, wenn man aus Heines Werk Die Erde war so lange geizig zitiert.
Man kann daraus ersehen, dass sich eine Beschäftigung mit Heinrich Heines Gedichten für den öffentlichen Dienst auch heute noch lohnt. Das gesamte Beamtenrecht würde wesentlich davon profitieren. So könnte man schon jetzt im Rahmen von Weisungen ein Auswendiglernen von Heines Gedichten als erste Reaktion auf ein dienstliches oder außerdienstlichen Fehlverhalten einführen und damit das Institut der bisher üblichen „Missbilligung“ relativieren. Allerdings käme eine solche disziplinarrechtliche Maßnahme wohl nur bei jüngeren Beamten in Frage, weil die Merkfähigkeit bei älteren Kollegen erfahrungsgemäß im umgekehrt proportionalen Verhältnis zu den zurückgelegten Dienstjahren abnimmt. Die Begrenzung auf jüngere Kollegen würde deshalb mit Sicherheit einen sachlichen Differenzierungsgrund nach der Richtlinie 2000/ 78 EG darstellen, den es im Rahmen des AGG stets zu beachten gilt.

Ihr
Dr. Maximilian Baßlsperger


1 Ausgabe vom 19. Mai 2014.

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2 Kommentare zu diesem Beitrag
kommentiert am 24.02.2016 um 08:31:
Großartig, wie schon 299 Blogs zuvor! Ich bin ein eifriger Leser Ihrer Beiträge und kann Ihnen nur zum "Blog-Jubiläum" gratulieren. Ich hoffe sehr auf weitere Schaffenskraft!
kommentiert am 16.02.2016 um 14:18:
Herzlichen Glückwunsch zum 300. Blog-Beitrag. Um es mit Voltaire zu sagen: "“Arbeit hält drei Übel fern: Langeweile, Laster und Armut.” In diesem Sinne freue ich mich auf die nächsten 300!
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