Kirchenbeamte: Staat im Staat?
Liebe Leserinnen, liebe Leser,
Religionsgemeinschaften regeln ihr Beamtenrecht selbständig, wie dies etwa durch die Rechtsverordnung2 über die Laufbahnen der Kirchenbeamten der Evangelischen Kirche in Deutschland (LaufbahnVO EKD) geschehen ist. Auch in der katholischen Kirche können Kirchenbeamte für bestimmte Aufgaben ernannt werden, die nicht Angehörigen des Klerus (Diakon, Priester, Bischof) vorbehalten sind, siehe etwa das Kirchengesetz über die Rechtsverhältnisse der Kirchenbeamten des Schul- oder Schulaufsichtsdienstes im Erzbistum Berlin (Kirchenbeamtengesetz).3
Für die katholischen Kleriker und Ordensangehörigen, die evangelischen Pfarrer und Diakonissen sowie für die katholischen und evangelischen Kirchenbeamten gilt nach dem Selbstverständnis der Glaubensgemeinschaften ausschließlich kirchliches Recht. Die genannten Personengruppen können sich danach weder auf Art. 3 Abs. 1 GG noch auf das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) berufen. Sie können gegen ihre Ungleichbehandlung – nach kirchlicher Ansicht – auch nicht vor den staatlichen Gerichten, sondern nur vor den kirchlichen Gerichten klagen.
Religionsgemeinschaften propagieren also die Freistellung von der staatlichen Justizhoheit. Mit der neueren – geänderten – Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG v. 27.2.2014, BVerwGE 149, 139) wurde bestimmt, dass der verfassungsrechtlich gewährleistete Justizgewährungsanspruch nach Art. 19 Abs. 4 GG den Geistlichen und Beamten einer Religionsgesellschaft ein verfassungsmäßig abgesichertes Recht zur Anrufung der staatlichen Gerichte gibt, um dienstrechtliche Maßnahmen dieser Religionsgesellschaft ihnen gegenüber auf ihre Vereinbarkeit mit staatlichem Recht hin überprüfen zu lassen.
Dabei gilt: Die staatlichen Gerichte sind darauf beschränkt, zu prüfen, ob die angegriffene Maßnahme gegen eines der in Art. 79 Abs. 3 GG umschriebenen fundamentalen Verfassungsprinzipien verstößt. Diese Vorschrift bestimmt im Wege der „Ewigkeitsgarantie“: Eine Änderung des Grundgesetzes, durch welche die Gliederung des Bundes in Länder, die grundsätzliche Mitwirkung der Länder bei der Gesetzgebung oder die in den Artikeln 1 und 20 niedergelegten Grundsätze berührt werden, ist unzulässig.
Ergänzend sei erwähnt, dass vor der Anrufung eines staatlichen Gerichts durch einen Kirchenbeamten oder Priester in einer dienstrechtlichen Angelegenheit ein von der Religionsgesellschaft eröffneter eigener Rechtsweg zunächst erfolglos beschritten sein muss (BVerwG a.a.O.). Anderenfalls besteht kein Rechtsschutzbedürfnis und eine Klage wäre bereits mangels Zulässigkeit abzuweisen.
Aus einer späteren Entscheidung des BVerwG vom 25.11.2015 (NVwZ 2016, 453) zum selben Thema geht hervor, dass kirchenrechtliche Ansprüche von Kirchenbeamten (und von Priestern) im Klageverfahren vor staatlichen Gerichten sehr wohl geltend gemacht werden können, wenn und weil dies erforderlich ist, um sie zwangsweise durchsetzen zu können. Dies folgt nach dem BVerwG ebenfalls aus der Rechtsschutzgarantie des Grundgesetzes nach Art. 19 Abs. 4 GG. Weiterhin wurde – richtigerweise – entschieden, dass die staatlichen Gerichte kirchenrechtliche Ansprüche nur dann anerkennen dürfen, wenn die staatliche Rechtsordnung dem nicht entgegensteht.
Fazit: Auch Kirchen sind kein „Staat im Staat“.
Ihr
Dr. Maximilian Baßlsperger
1 Vgl. etwa Art. 1 Abs. 2 BayBG; vgl. auch Art. 135 BRRG, der nach § 63 BeamtStG weiterhin Geltung besitzt.
2 LaufbahnVO EKD vom 15. Oktober 1988, ABl. EKD 1988 S. 371.
3 Kirchenbeamtengesetz vom 27.9.2010.

