Laufbahnrecht Bayern: Regelbewerber oder anderer Bewerber?

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Bereits in dem Beitrag der vergangenen Woche mit dem Titel Laufbahnrecht: Oberste Dienstbehörde contra Landespersonalausschuss wurde ein weiteres Problem des bayerischen Laufbahnrechts erörtert. In diesem Beitrag wird nun das Problem „Rechtskonstruktion des anderen Bewerbers“ besprochen.

Liebe Leserinnen, liebe Leser,

die heute zu erörternde Fragestellung lautet: Kann ein Bewerber, der die Befähigung für den Einstieg in eine höhere Qualifikationsebene (Art. 5 Abs. 1 LlbG) besitzt, im Rahmen einer durchgehenden Leistungslaufbahn auch in einer niedrigeren Qualifikationsebene ernannt werden?

 

Durch das LlbG wurde das bisherige Laufbahnsystem grundlegend geändert. Die bisherige Gliederung nach Laufbahngruppen ist entfallen, sie wurde durch eine durchgehende „Leistungslaufbahn“, gleichsam als Einheitslaufbahn, abgelöst. Die Leistungslaufbahn ist vertikal und horizontal unterteilt. In vertikaler Hinsicht erfolgt die Gliederung nach Qualifikationsebenen, durch welche festgelegt wird, in welchem Amt ein Bewerber in die Leistungslaufbahn einsteigen kann (Zängl in Weiß/Niedermaier/Summer/Zängl, Beamtenrecht in Bayern, Art. 5LlbG, Rn. 1). Für den Einstieg in die Qualifikationsebenen trifft Art. 7 LlbG eine hinreichend differenzierte Regelung, die weitgehend den Zulassungsvoraussetzungen für die bisherigen Laufbahngruppen entspricht.

 

Wenn man nun die bayerische Landesregelung bezüglich der Qualifikationsebenen nicht als Parallele zu den bisherigen Laufbahngruppen, sondern als Möglichkeit des Eintritts in eine durchgehende Laufbahn ansieht – so jedenfalls die Vorstellung des Gesetzgebers –, dann müsste ein Bewerber, der die Qualifikation für einen höheren Einstieg besitzt, auch gleichzeitig die Qualifikation für den Einstieg in einer niedrigeren Qualifikationsebene besitzen.

 

Beispiel: Ein Jurist steigt regelmäßig in die vierte Qualifikationsebene und dem Eingangsamt A 13 in die Fachlaufbahn Verwaltung und Finanzen (Art. 6 Abs. 1 Nr. 1 LlbG) oder Polizei und Verfassungsschutz (Art. 6 Abs. 1 Nr. 4 LlbG) ein. Er müsste damit gleichzeitig auch die Laufbahnqualifikation für die dritte Qualifikationsebene der jeweiligen Laufbahn besitzen. Ein solcher Einstieg wäre etwa für einen Bewerber interessant, der aus Gründen des Haushaltsrecht keine A 13 Stelle übertragen bekommen kann.

 

Nun zeigt aber die Praxis, dass die Ausbildung in der niedrigeren Qualifikationsebene (Art. 8 LlbG) in den einzelnen Fachlaufbahnen (Art. 5 Abs. 2 Satz 1 LlbG) und den fachlichen Schwerpunkten (Art. 5 Abs. 1 Satz 2 und 3 LlbG) so differenziert gestaltet ist (und sich von der Ausbildung der Juristen unterscheidet), dass man eben gerade nicht von einer entsprechenden Qualifikation für die niedrigere Ebene ausgehen kann. Gleiches galt nach dem tradierten Laufbahnrecht auch hinsichtlich der verschiedenen Laufbahngruppen: Wer die Befähigung für die höhere Laufbahn(gruppe) besaß, dem fehlte die Befähigung für die niedrigere Laufbahn(gruppe).

 

Die Folge: Der höher qualifizierte Bewerber ist nicht gleichzeitig auch der besser qualifizierte Bewerber für die niedrigere Qualifikationsebene. Die Qualifikation für die höhere Einstiegsebene führt nicht automatisch zur Qualifikation für die niedrigere Ebene. Hierdurch kann aber die Vorstellung des Gesetzgebers von einer einheitlichen Leistungslaufbahn – ohne Laufbahngruppen – nicht mehr aufrechterhalten bleiben. Damit leben die früheren Laufbahngruppen zumindest teilweise wieder auf. Hierfür sprechen auch noch folgende Tatsachen: Sowohl die nach bayerischem Recht bestehenden Qualifikationsebenen als auch die (früheren) Laufbahngruppen haben de facto ein Eingangsamt und ein Endamt. Davon geht der bayerische Gesetzgeber bereits selbst aus, weil er in Art. 10 Abs. 1 Satz 1 BayDG bestimmt: „Die Zurückstufung ist die Versetzung in ein Amt mit geringerem Endgrundgehalt, höchstens bis in das jeweilige Eingangsamt.“ Zum anderen wird in Art. 17 Abs. 6 Satz 1 LlbG gesetzlich vorgegeben, dass eine Beförderung in ein Amt der Besoldungsgruppe A 7, A 10 oder A 14 (= erstes Beförderungsamt in der jeweils höheren Qualifikationsebene) ausnahmslos einen Erwerb der entsprechenden Qualifikation voraussetzt. 

 

Im Falle des höher qualifizierten Bewerbers müsste dieser – entsprechend dem früheren auch in Bayern geltenden Laufbahngruppenrecht – als „anderer Bewerber“ nach Art. 52 LlbG eingestuft werden. Für seine Ernennung benötigt er dann aber gemäß Art. 4 Abs. 2 Satz 3 LlbG die Zustimmung des Landespersonalausschusses, was wiederum nach Art. 4 Abs. 2 Satz 1 LlbG eine entsprechende Berufs- und Lebenserfahrung als unabdingbare Voraussetzung erfordert. Davon kann man aber naturgemäß nicht schon bei Bewerbern ausgehen, deren Ausbildung noch nicht lange zurückliegt. Die Qualifikation ist nach Art. 52 LlbG vor der Ernennung zu prüfen und entsprechend festzustellen.

 

Das Zustimmungserfordernis nach Art. 4 Abs. 2 Satz 3 LlbG trägt dem Ausnahmecharakter der Einstellung anderer Bewerber Rechnung. Aufgabe des LPA ist es zu prüfen, ob die rechtlichen Voraussetzungen für die Einstellung eines anderen Bewerbers erfüllt sind. Dazu gehört insbesondere die Nachprüfung, ob an der Gewinnung eines anderen Bewerbers ein besonderes dienstliches Interesse besteht (Art. 52 Abs. 1 Satz 2 LlbG).1 Die bis 31.12.2010 geltende Einschränkung, dass kein geeigneter Laufbahnbewerber zur Verfügung stehen darf (Art. 39 Abs. 1 BayBG i.d.F. v. 29.7.2008), ist entfallen.

 

Es besteht nach dem neuen bayerischen Laufbahnrecht kein genereller Vorrang mehr für Regelbewerber (Laufbahnbewerber). Das bedeutet: Regelbewerber und andere Bewerber stehen gleichberechtigt nebeneinander.

 

Allerdings gilt: Die für die Einstellung zuständige oberste Dienstbehörde muss bei Einreichung des Antrags beim LPA auf Zustimmung zur Ernennung eines anderen Bewerbers darlegen, warum und aus welchen Gründen ein besonderes dienstliches Interesse besteht, einen bestimmten (anderen) Bewerber als Beamten zu gewinnen. Der LPA hat die vorgetragenen Gründe auf ihre Schlüssigkeit zu prüfen. Berücksichtigungsfähig sind nur Gründe, die mit dem Leistungsprinzip (§ 9 BeamtStG) vereinbar sind.2 Dagegen hat – nach dem Wegfall der Zuständigkeit des LPA für die eigentliche Anerkennung – die oberste Dienstbehörde, ohne an ein besonderes Verfahren gebunden zu sein, in eigener Zuständigkeit zu entscheiden, ob der Bewerber durch Lebens- und Berufserfahrung die erforderliche Qualifikation erworben hat.

 

Dabei wäre eine Entscheidungsbefugnis des LPA auch hier wegen der wünschenswerten Einheitlichkeit der Entscheidungsfindung mehr als nur sachdienlich. Gerade durch den Wegfall des früheren Vorrangs von Regelbewerbern könnte durch eine Entscheidungskompetenz des LPA als unabhängige Stelle dem Vorwurf begegnet werden, dass bei einer Bewerberkonkurrenz der andere Bewerber unter Verletzung des Leistungsprinzips nach Art. 33 Abs. 2 GG bevorzugt oder benachteiligt worden ist.

 

 

Ihr

Dr. Maximilian Baßlsperger




1
Zängl in Weiß/Niedermaier/Summer/Zängl, Beamtenrecht in Bayern, Art. 4  LlbG, Rn. 14.

2 Zängl in Weiß/Niedermaier/Summer/Zängl, Beamtenrecht in Bayern, Art. 4  LlbG, Rn. 14.


 

Zu der hier behandelten Problematik siehe die Beiträge:

 

 

 

 

 

 


Zur Übernahme von anderen Bewerbern siehe:

 

  1. Zängl in Weiß/Niedermaier/Summer/Zängl, Beamtenrecht in Bayern, Art. 4 Rn. 5 ff. LlbG, Rn. 1 ff. und Art. 52 LlbG, Rn. 1 ff.

  2. Keck/Puchta/Konrad, LlbG, Art. 4 LlbG Rn. 1 ff. und Art. 52 LlbG Rn. 1 ff.

 


 

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