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Mitführen unzulässiger Prüfungshilfsmittel

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Der Grundsatz der Chancengleichheit und der Wettbewerbscharakter von Prüfungen verlangen, dass nicht nur von Seiten der für die Durchführung der Prüfung zuständigen Organe und Personen möglichst gleiche äußere Prüfungsbedingungen und Erfolgsaussichten geschaffen werden, sondern dass die Erfolgsaussichten auch nicht durch den Gebrauch unzulässiger Hilfsmittel, durch Täuschung oder durch Beeinflussung von Prüfern verfälscht werden. Hierzu hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof in seiner Entscheidung vom 21.1.2016 einige wichtige Aussagen getroffen.1

Liebe Leserinnen, liebe Leser,

das Verbot der Benutzung nicht zugelassener Hilfsmittel und sonstiger Täuschungshandlungen dient der Gewährleistung der Grundsätze der Prüfungswahrheit, Prüfungsklarheit und nicht zuletzt der Chancengleichheit aller Prüfungsteilnehmer.2

In dem der o.a. Entscheidung zugrundeliegenden Fall war bei einer Hilfsmittelkontrolle nach Ausgabe der Prüfungsaufgaben festgestellt worden, dass ein Prüfling in seiner Aktentasche eine Textausgabe mitführte, die zur Benutzung in der Prüfung nicht zugelassen war. Entsprechend der Prüfungsordnung wurde ihm der Beschluss des Prüfungsausschusses, seine Bearbeitung mit der Note „ungenügend“ (0 Punkte) zu bewerten, mitgeteilt. Die hiergegen gerichtete Klage hatte in zwei Instanzen keinen Erfolg.

Der BayVGH entschied: Die Bewertung einer Aufgabe mit „ungenügend“ (0 Punkte) ist auch dann nicht unverhältnismäßig, wenn der Prüfungsteilnehmer während der Prüfung, ohne sich dessen bewusst zu sein, im Besitz einer nicht als Hilfsmittel zugelassenen Ausgabe einer Vorschriftensammlung war, die der Bearbeitung der konkreten Aufgabe nicht förderlich sein konnte. Hinsichtlich des nicht zugelassenen Hilfsmittels muss aber zumindest ein thematischer Zusammenhang zwischen dem Prüfungsfach und dessen Inhalt bestehen.3 Entscheidend ist nach dem Verhältnismäßigkeitsprinzip, ob das Hilfsmittel im Hinblick auf das Prüfungsfach der Prüfungsbearbeitung abstrakt förderlich sein kann oder nicht. Im konkreten Fall hätte das mitgebrachte – unzulässige – Hilfsmittel dem Kläger einen Vorteil bringen können, weil in dessen Einleitung Passagen enthalten waren, die bei einer entsprechenden Aufgabenstellung der Lösung hätten förderlich sein können. Auf die Geeignetheit des Hilfsmittels für die konkrete Prüfungsaufgabe kommt es dagegen ebenso wenig an, wie auf die Frage, ob dem Prüfling diese Tatsache bewusst war.

Nach der Entscheidung des BayVGH spielt es für eine Verletzung der Grundsätze der Prüfungswahrheit, Prüfungsklarheit und Chancengleichheit keine Rolle, ob ein Prüfling tatsächlich durch die verbotene Handlung in prüfungsrelevanter Weise das Leistungsbild verfälscht hat. Diese sehr weitgehende Unterschleifdefinition dient letztendlich der Vorbeugung und Verhinderung einer unzulässigen Manipulation der Prüfungsleistung, wobei bereits der Ordnungsverstoß des unerlaubten Besitzes eines nicht zugelassenen Hilfsmittels der tatsächlichen Verfälschung der Prüfungsleistung durch Verwendung eines solchen Hilfsmittels in der Regel gleichgesetzt wird.4

Es bleibt nach den einschlägigen Prüfungsordnungen aber die Möglichkeit der Exkulpation durch den Nachweis, dass der Besitz weder auf Vorsatz noch auf Fahrlässigkeit beruht. Nach der Einlassung des Klägers war ihm in dem zugrundeliegenden Fall nicht bewusst, überhaupt ein unzulässiges Hilfsmittel bei sich zu tragen. Darin hat der BayVGH richtigerweise keinen ausreichenden Unschuldsbeweis gesehen. Der Kläger brachte weiterhin vor, das Buch nicht einmal in die Hand genommen und sich in der Hilfsmittelbekanntmachung schlicht verlesen zu haben. Auch dieses Vorbringen ist als reine Tatsachenbehauptung nicht ausreichend, denn es gilt der Grundsatz: Die Beweislast für die Exkulpation liegt ausschließlich beim Prüfungsteilnehmer.5 Weil durch den tatsächlichen Besitz der „böse Schein“ gegen ihn spricht, muss er den Entlastungsbeweis führen. Gelingt dieser Beweis, so ist ein Schluss aus dem Besitz auf einen Beeinflussungswillen nicht mehr haltbar, damit scheidet aber auch eine Sanktion aus.6 Gelingt er wie im vorliegenden Fall nicht, ist die Wertung der Prüfungsleistung als ungenügend rechtmäßig.

Fazit:

Wie der BayVGH in seinem Urteil ausführt, muss von einem Prüfungsteilnehmer erwartet werden, dass er sorgfältig prüft, welche Hilfsmittel er in die Prüfung mitnehmen darf. Eine Sanktion ist bei einem Verstoß grundsätzlich gerechtfertigt. Von einer solchen Sanktion kann nur abgesehen werden, wenn:

  1. Das unzulässige Hilfsmittel sich unabhängig von der konkreten Aufgabe in keiner Weise auf das Prüfungsergebnis hätte auswirken können

    oder

  2. der Prüfling einen Entlastungsbeweis hinsichtlich des Mitführens antreten kann.


1 Az.: 7 BV 15.1233, BayVBl. 2016, 376.
2 BayVGH v. 30.7.1973, Az.: 68 VII 72, VGHE 26,166; siehe dazu auch Scholler, BayVBl. 1972, 205.
3 Niehues/Fischer/Jeremias, Prüfungsrecht, 6. Aufl. 2014, Rn. 230.
4 Zängl in Weiß/Niedermaier/Summer, Beamtenrecht in Bayern, Art. 22 LlbG, Rn. 187.
5 Zängl in Weiß/Niedermaier/Summer, Beamtenrecht in Bayern, Art. 22 LlbG, Rn. 187.
6 BayVGH v. 16.3.1988, BayVBl. 1988, 434.


Zum Unterschleif bei Prüfungen siehe insbesondere
Zängl in Weiß/Niedermaier/Summer, Beamtenrecht in Bayern, Art. 22 LlbG, Rn. 186 ff.

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1 Kommentar zu diesem Beitrag
kommentiert am 25.10.2016 um 13:40:
Der vorliegende Beschluss durch den BayVGH ist in zweierlei Hinsicht bemerkenswert: Der Besitz wird mit der Verwendung gleichgesetzt, d.h. ein tatsächlicher Zustand wird mit einem willensgesteuerten Handeln gleichgesetzt. Auf der anderen Seite darauf abgestellt, ob das Hilfsmittel abstrakt gesehen zur Aufgabenbearbeitung förderlich war. In der Konsequenz wird hier nicht auf die tatsächlichen Verhältnisse, sondern auf eine hypothetische Lage abgestellt. Dies ist aus Gründen der Rechtssicherheit kritisch zu sehen.
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