Reaktivierungsangebot an verstorbene Lehrer in Zeiten der Corona-Pandemie
Liebe Leserin, lieber Leser,
das Coronavirus hat im gesamten Bundesgebiet den Schulbetrieb komplett durcheinandergewirbelt: „Homeschooling“ statt Unterricht im Klassenzimmer, pädagogische Kompromisse, Vertrauen in die Eigenverantwortlichkeit von Eltern und Schülern, Mut zur Lücke und zu leichteren bzw. abgeschwächten Formen von Prüfungen.
An dem bereits vorher vorhandenen eklatanten Lehrkräftemangel in Bayern hat sich allerdings nichts geändert – im Gegenteil. Für das Schuljahr 2020/2021 fehlen in diesem Bundesland nach wie vor ca. 1.400 Vollzeitlehrer! Diese Tatsache veranlasste Kultusminister Michael Piazolo zu dem Aufruf an pensionierte Lehrkräfte, im Schuljahr 2020/2021 wieder in den Schulbetrieb einzusteigen.1
Etwas übertrieben und noch nicht einmal in Ausnahmefällen sachdienlich war es bei dieser Aktion allerdings, dass das Ministerium seine Aufforderung sogar an bereits verstorbene Lehrkräfte richtete2.
Grund dafür könnte sein, dass der zuständige Sachbearbeiter des Ministeriums bei einigen Bestimmungen des BGB einem leichten Missverständnis zum Opfer fiel. Soweit er nur das Erbrecht bei seinen Überlegungen zurate gezogen hat, wäre das sogar verständlich. Die seit über einhundert Jahren unverändert geltende Vorschrift des § 1923 BGB lautet nämlich:
„………..
(2) Wer zur Zeit des Erbfalls noch nicht lebte, aber bereits gezeugt war, gilt als vor dem Erbfall geboren.“
Daraus könnten sich zwar durchaus Missverständnisse ergeben, aber man sollte da vielleicht etwas weiter vorne im Gesetz nachsehen und findet dort in § 1 BGB, dass die Rechtsfähigkeit des Menschen mit der Vollendung der Geburt beginnt. Sie endet dann mit dessen Tod (siehe auch Palandt, 79. Auflage 2020, § 1 Rn. 2).
Es sollte gerade einem bayerischen Ministerialbeamten möglich sein, hieraus den richtigen Schluss für die von ihm verfassten Schreiben zu ziehen, zumal er ja wegen seiner besonderen Fähigkeiten mit einer nur in Bayern und in keinem anderen Bundesland mit einer zum Grundgehalt zusätzlich noch ausbezahlten Ministerialzulage von 12,5 Prozent entlohnt wird.
Aber zurück zu der eigentlichen Problematik:
Die Antwort der Gewerkschaften auf die Aktion des Kultusministeriums kam prompt und enthielt – wie nicht anders zu erwarten war – heftigste Kritik am Vorgehen des Ministers. Pensionierte Lehrer zurück in die Klassenzimmer zu holen sei schon in „normalen“ Zeiten problematisch, während der Corona-Pandemie dagegen ganz unmöglich. Pensionierte Lehrkräfte gehörten wegen ihres Alters zur größten Corona-Risikogruppe und es gelte, sie besonders zu schützen und nicht einer gesteigerten Ansteckungsgefahr auszusetzen.3
Es handelt sich hierbei um eine allgemein verständliche und überaus berechtigte Einwendung. Das Kultusministerium hat deshalb auf diese Kritik reagiert und mitgeteilt, dass hier lediglich ein freiwilliges Angebot für das kommende Schuljahr 2020/21 gemeint sei. Eine Wiederverwendung komme selbstverständlich ausschließlich in Kombination mit besonderen dienstrechtlichen Maßnahmen infrage, zu denen auch ein maximaler Schutz vor möglichen Ansteckungsgefahren gehöre.
Verständlich ist vielleicht auch die Forderung der Gewerkschaft, stattdessen möglichst viele junge Lehrkräfte einzustellen – auch diejenigen, welche ihre Lehramtsprüfung nur mit geringerem Erfolg – anders ausgedrückt: mit „Ach und Krach“ – bestanden haben, wobei nach der Intention der „GEW“ aber alle Neueinstellungen wohl in einem Angestellten- und nicht in einem Beamtenverhältnis erfolgen sollen.
Siehe dazu den Beitrag:
Beamtenstreik vor dem EGMR – das eigentliche Ziel der „GEW“
Völlig unverständlich ist dagegen die generelle Ablehnung der Gewerkschaft, pensionierte Lehrkräfte zu reaktivieren. Schließlich handelt es sich bei der Initiative des Ministers um ein Angebot, das angenommen werden kann oder auch nicht und zwar unabhängig von der Corona-Krise. Ausgeschiedene Lehrer können sehr wohl ein Interesse daran besitzen, wieder in den Schuldienst zurückzukehren und warum sollte man auf ihren Erfahrungsschatz nicht zurückgreifen dürfen? Die von der Gewerkschaft GEW geäußerte generelle Ablehnung der Reaktivierung ist außerdem schon deswegen inakzeptabel, weil sie eine besondere Art der „Altersdiskriminierung“ in sich birgt.
Man sollte also von staatlicher Seite dieses Ziel konsequent weiterverfolgen und es wäre daran zu denken, sogar noch gewisse Anreize für die Rückkehr pensionierter Pädagogen zu schaffen.
Siehe dazu den Beitrag: Nach Flexirente jetzt auch Flexipension?
Gestatten Sie mir zum Schluss noch eine vielleicht auch etwas provokante Frage:
Kann man denn ausschließen, dass erfahrene Lehrkräfte – die schon durch ihre freiwillige Rückkehr zum Ausdruck bringen, dass sie mit ganzem Herzen bei der Sache sind – den Schülern mehr Nutzen bringen, als Anfänger mit einem „Gerade-Noch-Ergebnis“ bei der Lehramtsprüfung?
Ihr
Dr. Maximilian Baßlsperger
Lesen Sie dazu auch die Beiträge mit dem Titel:

